Schwedischer Indie-Rock in schönstem Ambiente: Johnossi am Quellrock Openair in Bad Ragaz

In Interviews, Reviews by indiespect

Note for English readers: There is also an English version of the interview with Johnossi available. Just click here to read. I hope you enjoy!

An diesem Freitag und Samstag fand bereits die 37. Ausgabe des Quellrock Openairs in Bad Ragaz statt. Direkt bei der Burgruine Freudenberg traten an diesem Wochenende nationale und internationale Acts auf der Hauptbühne sowie Newcomer aus der Region auf der Startrampe des Festivals auf. Mit dabei waren in diesem Jahr Bands wie Eluveitie, Stress, James Gruntz, Palko Muski, Delilahs, Dabu Fantastic oder Johnossi. Für das Indie-Rock-Duo aus Stockholm nahmen wir am zweiten Festivaltag zum ersten Mal die Reise ans Quellrock Openair in Angriff und ich war bereits bei der Ankunft am Bahnhof begeistert.

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Ein Shuttlebus beförderte die Festivalbesucher kostenlos zum Konzertgelände. Der Fussmarsch für die sportlicheren dauerte auch nur ungefähr eine Viertelstunde. Beim Gelände angekommen sah man sogleich die beindruckende Burgruine Freudenberg und direkt daneben die Hauptbühne. Ein extrem spezielles Ambiente, welches auch allen Künstlern sichtlich gefiel.

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Nach Auftritten von der Zuger Band Delilahs und den Zürchern Dabu Fantastic hatten um 20.15 Johnossi ihren Auftritt auf der Hauptbühne. Dabei bemerkte man, dass viele Besucher für den Tagesheadliner Stress nach Bad Ragaz gekommen sind. Zum Konzertbeginn war noch mehr freier Platz vorhanden, als man es sich sonst von Konzerten der Schweden gewöhnt ist. Nichtsdestotrotz schien das Duo, bestehend aus John Engelbert und Oskar «Ossi» Bonde bester Laune zu sein und eröffnete das Set mit «Into The Wild», dem ersten Track vom aktuellen Album «Transitions», welches bereits 2013 erschienen ist.

Die dreckige Rockstimme von John verfehlte auch in Bad Ragaz seine Wirkung nicht. Immer mehr wurden das Publikum von Johnossi in den Bann gezogen und feierte die Zweimannband gebührend. Auch am Quellrock Openair wurden sie dabei von einem Keyboarder unterstützt. Dies ist ebenfalls auf das vorher angesprochene Album zurückzuführen, da Johnossi für diese Aufnahmen zum ersten mal einen Keyboarder mit an Bord geholt hatten.

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Während der Himmel immer weiter eindunkelte und sich immer mehr Regenwolken bildeten, wurden die Zuschauer mit Tracks von sämtlichen Alben verwöhnt. Sogar ein lange verschollenes Stück, nämlich der erste Track vom ersten selbstbetitelten Album «Johnossi» aus dem Jahre 2006 mit dem Namen «The Show Tonight» wurde extra wieder ausgegraben.

Obwohl Johnossi im Durchschnitt vor grösserem Publikum auftreten, schienen sie sich inmitten der Burgruinen pudelwohl zu fühlen. John warf wild mit dem Mikro um sich, welches der Techniker dann jeweils wieder einsammeln durfte, sprang auf das Schlagzeug oder spielte Gitarre mit der Handkante. Die Bergluft schien irgendetwas mit ihm zu machen. Er fragte das heimische Publikum, ob sie sich bewusst seinen, wie schön sie es hätten inmitten dieser herrlichen Berge zu wohnen. Die Songauswahl an diesem Abend war für die begrenzte Zeit, welche Johnossi mit knapp eineinhalb Stunden zu Verfügung stand, ausgesprochen gelungen.

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Mit «18 Karat Gold», «Everywhere (With You Man)», «Gone Forever», «Man Must Dance» und zum krönenden Abschluss der Knallersong «Roscoe» blieben keine Wünsche offen. Wer Johnossi kennt, der weiss, dass sie unter normalen Umständen noch einmal auf die Bühne zurückgekehrt wären, um die eine oder andere Zugabe zu spielen. Aber da für Stress die Bühne noch umgebaut werden musste, war das Konzert der beiden Freunde aus Stockholm um Punkt 21.30 Schluss.

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Der überzeugende Auftritt von Johnossi war ein voller Erfolg, was auch dem frenetischen Applaus der Zuschauer zu entnehmen war, der gar nicht mehr abebben wollte. Kurz nach dem Konzert setzte kurzfristig stärkerer Regen ein, welcher die Massen in die aufgestellten Zelte trieb. Nur die energiegeladenen Show von Rapper Stress und seiner Entourage konnte das Publikum wieder vor die Bühne locken.

 

Wenige Stunden vor dem Konzert hatte ich die Möglichkeit die beiden Musiker von Johnossi zum Interview zu treffen. Vielen Dank noch einmal an John und Ossi für das nette Gespräch.

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Indiespect: Heute spielt ihr am Quellrock Openair in Bad Ragaz gleich neben einer Burgruine an einem ziemlich speziellen Ort. Ausserdem ist es bereits die 37. Ausgabe dieses Traditionsfestivals. Könnt ihr euch noch an euer aussergewöhnlichstes Konzert oder die speziellste Location eurer bisherigen Karriere erinnern?

Ossi: Ich denke wir erinnern uns vor allem an die ersten grossen Konzerte. Das ist etwas, an das du dich immer erinnern wirst, weil es so einen grosse Bedeutung für dich hatte. Im übrigen erinnere ich mich auch an unsere ganz ganz frühen Gigs. Da waren nur ich, John und etwa fünf Leute im Publikum, in irgendwelchen beschissenen kleinen Clubs.

John: Ja! Die ersten Shows und so ziemlich das ganze erste Jahr werden mir immer speziell in Erinnerung bleiben. Danach zwischen 2007 und 2010 ist alles nur ein grosser verschwommener Fleck.

O: In diesen Jahren waren wir so oft auf Tour. Natürlich hatten wir fantastische Shows, aber es ist ein einziger grosser Erinnerungsblock. Es ist meistens so, dass die besonderen Konzerte herausstechen. Entweder, wenn du in einer kleinen Venue spielst, wenn niemand im Publikum ist oder John und ich krank waren. Du erinnerst dich vor allem, wenn etwas aussergewöhnliches passierte.

I: Also wart ihr schon einmal krank auf der Bühne?

J: Sicher. Alles ist schon ein- bis zweimal vorgekommen.

O: Wir spielten schon mit hohem Fieber. Wie man so schön sagt: «The show must go on». Du versuchst deine Konzerte zu machen, obwohl du eigentlich krank bist. Wir mussten nur sehr selten einen Gig absagen. Ich glaube wir haben eine sehr niedrige Statistik im Shows canceln.

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I: Im letzten Jahr hatte ich ein Interview mit Adam Olenius von Shout Out Louds. Er erzählte mir, dass die Musikszene in Schweden, speziell in Stockholm sehr vernetzt ist.

O: Er ist ein sehr guter Freund von uns beiden. In Schweden kenn so ziemlich jeder jeden. Dann gibt es welche, die einem noch näher stehen. Solche, die wir bereits kannten bevor wir alle in Bands spielten.

J: Ich kann mir vorstellen, dass das zum Beispiel in Zürich dasselbe ist. Und Stockholm ist immer noch eine ziemlich kleine Stadt, obwohl sie die Hauptstadt von Schweden ist. Wenn du eine Band bist die tourt…

O: …dann kennst du so ziemlich jeden. Du triffst alle irgendwann. Und einige unserer engsten Freunde spielen in Bands.

J: Ich würde sagen, dass sich die meisten schwedischen Bands untereinander kennen.

I: Heisst das auch, dass du als schwedischer Act, die Chance bekommst eine grössere Band zu supporten oder ist das dann doch wieder schwieriger?

O: Das ist die Chance, die wir erhalten haben. Zwar kannten wir zu dieser Zeit noch niemanden, aber wir durften doch mit The Hives auf Tour gehen. Und selbstverständlich hatten wir auch schon unsere Freunde als Vorbands dabei. Wir versuchen uns immer gegenseitig zu helfen und wir versuchen gut übereinander zu sprechen.

J: Wir nehmen immer Freunde mit auf Tour, wenn wir Support Acts haben. Ich denke, wenn du richtig gross bist und in den grossen Hallen spielst, könnte das etwas schwieriger werden.

O: Dann wird es mehr ein Business-Ding und politischer.

J: Aber wir können das noch machen. Wir nehmen normalerweise Leute mit auf Tour, bei denen wir denken, dass wir auch Spass haben mit ihnen rumzuhängen.

O: Und diejenigen, welche ein grösseres Publikum verdienen.

I: Ihr habt einmal gesagt, dass ihr eine der meist unterschätzten Bands in Schweden seid. Woher kommt das?

O: Wirklich, haben wir das?

J: Ja, und das würde ich noch immer sagen. Wir werden immer die meist unterschätzte Band der Welt sein.

I: Wieso?

J: Ich glaube wir haben das in einem etwas frustrierten Moment gesagt. Aber ich denke, dass es eine gute Sache ist. Man sollte immer an sich selber glauben und in das, was man tut. Ansonsten wird es eine sehr harte Zeit für dich werde, um vorwärts zu kommen.

O: Ich denke wir haben nie wirklich unseren Erfolg gesehen. Im Sinne, dass wir plötzlich das Gefühl hatten, wir habens geschafft oder so ähnlich. Wir haben uns immer gefühlt, als wenn wir uns von unten hochkämpfen.

I: Aber eure Slots an den Festivals wurden immer besser, oder nicht?

O: Die Slots werden besser, aber glücklich sind wir noch immer nicht.

J: Alles wird immer besser. Aber es ist schön uns selber als Untergrundband anzusehen. Und das tun wir noch immer.

O: Das motiviert uns stärker. Wenn du zu sehr beginnst dich auszuruhen, dann bist du verloren.

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I: Wenn man einen Blick auf euren Tourplan wirft, sieht man, dass ihr nicht sehr viele Konzerte im letzten und auch in diesem Jahr gespielt habt.

J: Wir arbeiten an einem neuen Album.

O: Wir schreiben und sind jetzt gerade an Aufnahmen. Wir investieren sehr viel Zeit ins Songwriting.

I: Werden auf der neuen Platte wieder nur ihr zwei zu hören sein oder holt ihr euch wieder zusätzliche Musiker für die Aufnahmen ins Boot?

J: Normalerweise sind das immer nur wir zwei. Vielleicht benutzen wir zusätzliche Instrumente, als nur Gitarre und Schlagzeug. Es kommt immer auf die Songs an. Wenn der Titel mehr Instrumente braucht, dann werden wir das auch tun. Man fügt Dinge hinzu und nimmt sie wieder weg. Das ist immer ein Prozess bis man am Ende merkt, wann du am Ziel angekommen bist. Natürlich ist es gut, wenn man sich schon vorgängig seine Gedanken macht, um ein paar Richtpunkte zu haben. Ansonsten wird die Farbpalette zu gross.

O: Das ist genau das, worüber wir uns im Moment unterhalten. Wie die Produktion sein wird und wer es produzieren wird. Ich glaube wir haben die meisten Songs fertig und es sind wirklich tolle Titel. Wir versuchen nun gerade herauszufinden, wer der die Aufsicht über das ganze Projekt erhalten soll. Wir wollen keine Produzenten im eigentlichen Sinn sein. Natürlich werden wir in den Produktionsprozess involviert sein, aber wir versuchen jemanden zu finden der etwas zu unserer Vision beisteuern kann.

J: Das letzte Album haben wir so ziemlich alleine produziert, zusammen mit einem anderen Kerl. Aber es ist eine Rollenaufteilung. Wir werden immer unsere eigene Musik produzieren. Aber dieses Mal wollen wir einen Produzenten der uns unterstützt.

I: Lasst uns über euer letztes Album «Transitions», welches 2013 erschienen ist, sprechen. Meiner Ansicht nach war diese Platte ein ziemlicher Schritt vowärts, da ihr einen zusätzlichen Keyboarder verpflichtet habt und auch viel in die Arrangements investiert habt. Könnt ihr jetzt wieder zu eurem Rock-Duo-Sound zurückkehren?

O: Ich denke es wird einige Schritte zurück und einige Schritte vorwärts geben. Wenn wir neues Material machen, mögen wir immer einen Teil davon und bei anderen Dingen denken wir, dass wir sie nicht mehr brauchen. Ich denke es wird eine Mischung daraus entstehen.

J: Aber ich denke nicht, dass es ein Rückschritt sein wird. Wir werden einen weiteren Schritt vorwärts machen. Wenn wir so klingen wollten, wie wir vor ein paar Jahren klangen, dann wäre das nicht spannend, einfach wieder dorthin zurückzugehen. Weil wir an diesem Punkt bereits waren. Wir nehmen einfach das Gefühl, was auch immer es ist und versuchen es in einem modernen Weg vorwärts zu bringen. Manchmal ist es wirklich schwierig retro zu klingen. Wenn du das einfach nur versuchst, wird es in den meisten Fällen scheitern. Der Schlüssel ist es, retro in einer modernen Art und Weise zu klingen. Das ist ein Prozess, in dem wir gerade stecken.

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I: Ich habe noch nie gelesen, dass ihr zwei Ärger miteinander hattet. Das wäre wahrscheinlich auch schwierig für euch als Duo. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich gelesen, dass Gustaf Norén Mando Diao verlässt. Da ihr sie ja kennt und auch schon mit ihnen auf der Bühne standet, möchte ich gerne von euch wissen was ihr darüber denkt. Wird Mando Diao auch ohne Gustaf Norén funktionieren?

J: Selbstverständlich. Es wird natürlich nicht dasselbe sein, weil Gustaf nicht mehr singt.

O: Er ist nicht mehr da. Aber ich bin sicher, dass Björn un die andern Jungs fantastische Konzerte spielen und fantastische Musik schreiben werden.

J: Es wird einfach nicht mehr Mando sein…

O: Ja, es wird nicht mehr dasselbe sein. Aber ich denke, wenn sie weitermachen möchten, dann sollten sie dies auch unbedingt tun.

I: Heute ist euer letztes Konzert für eine ganze Weile. Werden für dieses Jahr noch weitere angkündigt oder wars das erst mal?

O: Ich denke für dieses Jahr ist es das letzte Konzert. Wir haben nur etwa fünf Festivals gespielt in diesem Sommer und das wars. Wir werden noch im Sommer oder kurz danach im Studio an den Aufnahmen arbeiten.

J: Der ganze Aufnahmeprozess dauert immer lange. Die Aufnahmen abschliessen, alles für die Veröffentlichung vorbereiten und so weiter, das dauert das ganze Jahr.

O: Es bleibt immer noch viel zu tun, wenn wir die Aufnahmen fertig haben. Darum denke ich, dass es bei diesen fünf Shows bleibt und wir sind wirklich glücklich hier unser letztes Konzert zu spielen. Es ist eine fantastische Location.

I: Ihr habt die Schweiz schon oft besucht. Davon sind die Festivalauftritte deutlich in Überzahl. Hat das einen bestimmten Grund?

O: Wir tendieren dazu ja zu sagen, wenn es zu dieser Art von Festival-Konzerten kommt. Es ist schön im Sommer hierher zu kommen. Die Atmosphäre und das Publikum sind grossartig. Und wir mögen die kleinen Festivals.

I: Als Schweizer Band ist es ziemlich schwierig oder fast unmöglich, sich über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen. Was denkt ihr, ist der Hauptunterschied zur schwedischen Musikszene?

O: Depression (lacht). Schweden ist ein ziemlich düsteres Land. Nicht dunkel im Sinne, dass nichts funktioniert, sondern der Mangel an Sonne. Die Menschen sind alle sehr grüblerisch und denken oft über sich nach, suchen in ihrem Innersten nach dem Sinn des Lebens. Aber es gibt viele Gründe. Wir leben quasi auf einer Insel und schauen von dort auf die gesamte Welt für neue Musik. Wir sind beinflusst vom ganzen Rest der Welt, weil wir so weit von allen anderen entfernt sind.

J: Und da sprichst du über die Schweden im allgemeinen, nicht nur über dich, richtig?

O: Genau. Schwedische Musik. Ich denke, das alles zusammen führt zu etwas Einzigartigem, etwas richtig Gutem. Und ich denke, das ist ein Teil, weshalb es so erfolgreich ist.

I: Seht ihr es als Chance, dass es in Schweden so viele Bands gibt oder wird es dadurch schwieriger gehört zu werden?

J: Ich denke es hilft, weil eine grosse Musikszene immer viele Künstler hervorbringt.

O: Und ich glaube wir haben einen hohen Standard bei Bands. Jede schwedische Band arbeitet wirklich hart. Vorallem beim Songwriting. Der Songwriting-Prozess in Schweden ist generell sehr einzigartig.

I: Bleibt ihr nach der Show noch auf dem Festivalgelände oder in Bad Ragaz?

O: Wir fliegen morgen extrem fürh zurück nachhause. Deshalb denke ich, dass wir direkt zum Hotel fahren und versuchen noch einige Stunden Schlaf zu kriegen, bevor es heim geht.