Interview mit Bosse: Alles ist Jetzt und Zeitreise in die Schweiz

In Interviews by indiespect

Am 12. Oktober ist mit «Alles ist Jetzt» das siebte Studioalbum von Bosse erschienen. Nach «Engtanz» ist es in Deutschland sein zweites Nummer eins Album in Folge. In der Schweiz schaffte es der Braunschweiger mit «Engtanz» auf Platz 91 der Albumcharts. Weshalb es diese Unterschiede gibt und warum die Konzerte in der Schweiz eine Art Zeitreise für den Sänger darstellen, erzählt er im Gespräch.

Axel Bosse ist ein wahrhaftiges Arbeitstier. Unentwegt schreibt er Songs oder tingelt durch die Lande. Die Konzerte führen ihn dabei jedoch vorwiegend von Kiel bis nach Freiburg, also einmal quer durch Deutschland. In die Schweiz oder nach Österreich verschlägt es ihn bisher eher selten. Das will er nun ändern. Die Tour zu Alles ist jetzt startet am 1. November in Cottbus und führt Bosse mit seiner Band am 23. November 2018 auch in die Schweiz – genauer ins Dynamo Zürich.

Wolfgang Amadeus Phoenix

Bei Bosse läuft es rund. Mit «Alles ist Jetzt» veröffentlicht er in Deutschland sein zweites Nummer 1 Album in Folge.

Und Stück für Stück kommt das Lachen zurück – Das Video zum Titelsong «Alles ist Jetzt»

Die Reise in die Schweiz ist für Bosse noch immer wie eine Reise in die Vergangenheit. Im März 2016 trat er im ausverkauften Exil auf. Mit einer Kapazität von 350 Besuchern ist der Club aber deutlich kleiner als die grossen Hallen, in welchen die Auftritte in Deutschland mittlerweile stattfinden. Aki erinnert sich aber noch gerne an seine schweisstreibende Show.

Ich weiss das noch ganz genau. Das war gut. Es fühlt sich ja in der Schweiz immer noch so an, als wären wir vor acht oder zehn Jahren in Deutschland. Da haben wir eben auch noch in solchen Läden gespielt. Ganz ehrlich, es hat auch was für sich, ne? Es bringt eben einfach Bock auf der kleinen Bühne zu spielen und die Leute ganz dicht bei sich zu haben.

In Deutschland sieht es, wie erwähnt, ziemlich anders aus. Zum zweiten Mal in Folge landete er direkt auf Platz 1 der Albumcharts. Mit seinem sechsten Album hatte er das zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere geschafft. Als Bosse davon erfuhr, sass er gerade in einem IC-Zug und konnte mit dem Rotkäppchen-Sekt seines Gegenübers anstossen. Nicht gerade besonders feierlich. Mittlerweile sollte doch etwas Übung vorhanden sein, aber scheinbar klappt es noch immer nicht so ganz. Man kann sich den einsamen Bosse gut vorstellen, wenn er davon erzählt, wie es sich jüngst zugetragen hat.

Das war ganz trist. Noch trister eigentlich. Ich war im Stau auf der Autobahn. Alleine im Auto. Au mann, ey. Da ist wirklich noch Luft nach oben in der Zelebration von den Einsen. Aber so ist es eben, da muss ich mit klarkommen. Aber ich hab mich dieses Mal so immens gefreut. Am Ende habe ich gedacht «cool ich bin im Auto, jetzt kann ich wenigstens einmal schreien». Da habe ich natürlich alle angerufen, die ich liebe und alle die so hart daran gearbeitet haben. Ich hatte das Gefühl, alle anderen waren mit mehreren zusammen, haben gesoffen und mich über FaceTime angerufen. Und ich sass wie gesagt alleine im Auto, aber ich hab mich natürlich mit gefreut.

Thomas Mars

Deutschsprachige Musik kann schnell banal und inhaltlich seicht wirken. Doch Bosse schafft es immer, seinen Texten eine ehrliche Tiefe zu verleihen. Von Melancholie bis Euphorie deckt er auch auf seinem neusten Album alles ab. Alles ist Jetzt zelebriert den Moment, Robert de Niro prangert den Fremdenhass an und Indianer sowie Pjöngjang drehen sich um die Familie. Dabei verzichtet er fast komplett auf Reime, was die Songs noch unvorhersehbarer macht. Sogar wenn einen der Reim fast schon anspringt, nimmt Axel Bosse ganz bestimmt die Abzweigung in eine andere Richtung. So auch beim erwähnten Familien-Song Indianer, wo auf Klavier nicht das naheliegende dir folgt. Geplante Hörer-Täuschung ist das jedoch nicht.

Über meinem Klavier hängt ein Foto von uns. Zahnloses Lachen, die Gesichter bunt.Indianer, Bosse

Ich habe mein ganzes Leben lang eigentlich auf Reimstrukturen verzichtet. «Klavier» und «dir» würde sich jetzt zwar reimen und «uns» eben nicht. Aber es macht natürlich viel mehr Sinn, weil da sieht man eben die beiden. Ich bin im Reimen nicht so wirklich sozialisiert, obwohl ich auf dem Album öfter mal reime. Ich finde immer, wenn Reime, dann müssen sie irgendwie lustig oder unlogisch sein. In dem Falle habe ich ganz oft von vornherein gedacht: «Scheiss mal aufs Reimen, mach’s einfach so, wie du es sagen würdest.» Damit bin ich bisher immer ganz gut gefahren. Auch wenn man sich dann manchmal als Hörer erschreckt und so denkt «Nein! Dir, nicht uns!». Vielleicht ist das noch so meine kleine Kante.

In der Schweiz ist der Name Bosse vielen noch kein Begriff. Und wenn dann nur einzelne Songs. Trotz der unmittelbaren Nähe zu Deutschland scheint der Funke hierzulande noch nicht vollends gesprungen zu sein.

Wir haben natürlich in Deutschland so viele Konzerte gespielt – und auch schon vor so wenigen Leuten. Bei uns ist es immer schon über live gekommen, weil das auch nie so ein Radiothema war. Aber auch nie so ein Thema fürs Feuilleton. Das kommt jetzt auch in Deutschland alles erst Stück für Stück. Die Wahrheit bei der Musik ist vielleicht einfach, dass man es sich Stück für Stück aufbauen muss. Weil wir natürlich in der Schweiz und auch in Österreich viel zu spät angefangen haben oder viel später – zu spät ist es ja nie – braucht es vielleicht einfach noch ein bisschen. Es ist nicht so, als würde mich das wurmen, aber ich denk dann immer schon «Komm. Also irgendwann, und sei es mit dem zehnten Album, wird jetzt endlich auch mal die Schweiz und Österreich geknackt.» Egal wann.

Hellmuth Karasek

«Engtanz» hat es in der Schweiz nur auf Platz 91 geschafft, in unserem Nachbarland bis ganz an die Spitze

Das Konzert Ende November findet immerhin schon im doppelt so grossen Dynamo statt. Mit einer Kapazität von 650 Besuchern ist seit der Engtanz-Tour 2016 schon ein deutlicher Aufstieg bemerkbar. Wenn es so weitergeht, liegt doch in ein paar Jahren ein Stadion drin, oder?

Ja genau (lacht). In vierzig Jahren ist es dann endlich soweit. Aber ich bin entspannt. Ich freue mich sowieso, wenn ich ab und zu mal rauskomme. Gerade in Zürich habe ich mit den BOY-Mädels und noch so ein paar anderen Leuten auch Freunde. Ich freue mich auch einfach, die mal wiederzusehen. Egal wie viele Leute kommen, es wird richtig gut.

Mit den Mädels von BOY verbindet Axel Bosse eine langjährige Freundschaft. Seinen ersten Zürcher Auftritt spielte er 2011 als deren Support in der mexikanischen Bar La Catrina.

Genau. Ist auch schon wieder so lange her, ne? Ich weiss noch, damals habe ich meinen ersten Gin mit Gurke getrunken und war ganz begeistert. 2011 war das noch ein ganz neues Ding. Ist immer noch gut und auch so gesund.

2011 veröffentlichte Bosse auf seinem Album «Wartesaal» zusammen mit Anna Loos von Silly den Song «Frankfurt Oder». Am Bundesvision Song Contest von Stefan Raab erreichte er damit den dritten Platz.

Obwohl der Braunschweiger bekennender Arcade-Fire-Fan ist, hat sein Albumtitel keinen Zusammenhang mit «Everything Now», dem jüngsten Werk der Kanadier.

Nein, da gibt es gar keinen Zusammenhang. Herbert Grönemeyer hat glaube ich auch ein Album namens «Dauernd Jetzt», so ist das. Ich finde es immer schwierig mit Albumtiteln. Ich weiss auch immer nicht richtig, warum man das noch immer betiteln muss. Es ist ja irgendwie auch kein Buch, aber vielleicht ja doch. Oft ist es eben auch nicht immer ein Thema, über das man singt. Hätte ich jetzt nur über Familie gesungen, hätte ich es eben «La Famiglia» genannt, oder so. Dann ist es leicht. Aber wenn man über so viele verschiedene bunte Themen singt, war am Ende für mich von allen Titeln «Alles ist Jetzt» schon der stärkste. Es geht doch sehr oft um den Moment, um Genuss, um Freiheit und um was daraus zu machen und um Empathie. Alles das steckte für mich irgendwie in «Alles ist Jetzt». Deshalb habe ich es so genannt. Natürlich bin ich riesiger Arcade Fire Fan. Deswegen habe ich auch darüber nachgedacht, ob ich das machen kann. Aber scheissegal.

In der Reihen der Bandmitglieder befindet sich ein Musiker, welcher in der Indie-Szene kein Unbekannter ist. An der Trompete spielt seit einigen Jahren Martin Wenk, welcher bereits Live-Mitglied bei Nada Surf war und noch immer Teil der ebenfalls aus den USA stammenden Band Calexico ist. Aber Martin ist nicht das einzige Bindeglied zwischen den Bands.

Ne, ne. Wir haben schon eine richtige Freundschaft. Wenn immer die drüben sind, oder einer von uns dort ist, sieht man sich auch. Das letzte Mal habe ich Calexico letztes Jahr in Leipzig gesehen. Da habe ich dann die ganze Band mal wieder getroffen, das ist immer ein grosses Hallo. Ansonsten ist es immer so schön, wenn der Martin dabei ist. Für ihn ist es auch gut, dann muss er mal nicht nach Neuseeland fahren um zu spielen. Die weiteste Reise ist dann definitiv nach Zürich (lacht). Sonst nur von Kiel bis nach Freiburg.

Nicht nur die Bühnen sind grösser geworden, auch die Band ist über die letzten Jahre kontinuierlich gewachsen. Die Musiker sind jedoch nicht ausgewechselt worden, sondern um die Anfangsbesetzung erweitert worden.

Seit fünfzehn Jahren mache ich jetzt Musik mit meinem Gitarristen und mit meinem Bassisten. Wir haben quasi angefangen. Dann war noch der Tonmann mit dabei und die heutige Tour-Managerin war eigentlich auch immer schon mit dabei. Die Anfangsformation ist noch da und der ganze Rest ist langsam dazugekommen. Wir sind jetzt auf der Bühne zwischen acht und neun Leuten. Manchmal singt noch ein Backliner mit oder spielt noch ne Bongo. Das jüngste Mitglied ist glaube ich Marin Wenk, der ist seit sechs Jahren dabei. Aber ansonsten ist es immer dieselbe Truppe.

Aki Bosse blickt schon vorfreudig auf das Konzert in Zürich. Auch wenn die Bühnengrösse kleiner als gewohnt sein wird, ist das kein Problem. Berührungsängste gibt es nämlich keine.

Oh, ich freu mich schon so auf Zürich, kein Witz. Es wird schön eng auf der Bühne. Und wenn wir uns stapeln müssen, ist auch in Ordnung. Jetzt beginnt die gute Zeit. Jetzt kommen die Proben, noch immer entspannt. Dann gehts auf Tour und dann rollt die alte Maschine wieder. Das ist ja immer noch der Hauptgrund, warum man das alles irgendwann mal angefangen hat.

Bosse Konzertflyer

Künstler:
Bosse

Location: Dynamo
Ort: Zürich

Datum: Freitag, 23. November 2018
Tür: 19.00 Uhr
Beginn: 20.00 Uhr
Tickets: Vorverkauf CHF 46.30

Präsentiert von
Mainland Music

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Fotos: © Tim Brüning