Gestern hiess das Motto: «Es besteht keine Gefahr für die Öffentlichkeit». Hinter so einem Titel für eine Konzerttour kann eigentlich nur ein Mann stecken. Farin Urlaub beehrte wieder einmal die Schweiz. Am 17. Oktober 2014 veröffentlichte der Berliner sein mittlerweile viertes Soloalbum mit dem Titel «Faszination Weltraum». Auch wenn die Platte rein gar nichts mit Weltraum zu tun hat, so ist doch ein weiteres stimmiges und abwechslungsreiches Werk entstanden. Mein damaliges Fazit könnt ihr hier noch einmal nachlesen.
Wie auch seine Bandkollegen von «die ärzte» nutzt Farin Urlaub die ärztefreie Zeit jeweils für Soloprojekte. Dies tut er dabei mit Abstand am erfolgreichsten von den Dreien. Während Bassist Rod zusammen mit den Alt-Punkern von «Abwärts» vor teilweise nicht mehr als 40 Zuschauern als Gitarrist spielt, hat Bela B. mittlerweile auch schon drei leider ziemlich belanglose Soloalben veröffentlicht. Bei den Live-Auftritten wird Urlaub jeweils von seinem Racing Team begleitet, welches vorwiegend aus Damen besteht. Für die Bläser-Sektion wurden die Musikern von der deutschen Ska-Band, den Busters verpflichtet. Mittlerweile ist das Racing Team auch bei Studioaufnahmen dabei. Bei den ersten beiden Alben hat Farin Urlaub noch beinahe jedes Instrument – ausser den Blas- und Streichinstrumenten – selbst eingespielt.
Bereits im letzten Herbst angekündigt, war es gestern nun endlich soweit. Im ausverkauften Komplex 457 hing ein dünner Vorhang vor der Bühne. Ein extrem beliebtes Spannungselement bei Urlaub’schen Konzerten, sei es mit den Ärzten oder auf Solopfaden. Eine Vorband gab es an diesem Mittwochabend selbstverständlich nicht, da die Zeit auch vom Racing Team gut genutzt werden konnte. Um etwa 20.15 fiel nach dem Intro zu «Was die Welt jetzt braucht» endlich der Vorhang und der blondgefärbte Hüne stand grinsend vor dem Zürcher Publikum. Nach dem Auftakt folgte sogleich der erste Klassiker. Mit «Glücklich» machte Farin einen Ausflug zum ersten Soloalbum «Endlich Urlaub!». Das mittlerweile 14 Jahre alte Debut hat nachwievor nichts an seiner Beliebtheit verloren. Die Titelfolge war geschickt gewählt. Quer durch alle Alben spielten FURT (kurz für Farin Urlaub Racing Team) die Fans in Ekstase. Beinahe jeder Text konnte lautstark mitgesungen werden und immer wieder boten sich Möglichkeiten für Pogo, eine Wall of Death oder einen Circle Pit. Dabei war die Stimmung ausgelassen, blieb aber immer friedlich.
Die komplette Songauswahl von einem Farin-Urlaub-Konzert aufzuzählen wäre etwas übertireben, denn die Setlist betrug auch gestern wieder stolze 31 Titel. In dieser Zeit leerte der Hauptakteur auch mindestens zehn Tassen Tee. Eigentlich ein Wunder, dass er während einem knapp zweieinhalbstündigen Konzert nie auf die Toilette flüchten muss. Die neuen Songs fügten sich gut ins Gesamtrepertoire ein. Wobei mir persönlich die Titel von «Am Ende der Sonne» und «Die Wahrheit übers Lügen», dem zweiten und dritten Album immer noch am besten gefallen. Bei «Alle Dasselbe» von ebendiesem zweiten Album, wurde das Publikum eingebunden, um den Songtext visuell und akustisch zu untermalen. Beispielsweise musste das Publikum bei «Es passierte am Abend des 4. April. Die Sonne ging unter, es war grad ziemlich still», plötzlich mucksmäuschenstill sein. Bei «Der Gedanke traf mich wie ein Blitz» sollte dann mit der Hand ein zischender Blitz von oben links nach unten rechts gemacht werden. Dabei war Herr Urlaub sehr streng mit seinen Schülern und wiederholte diese Kommandos nach Belieben. Immer wieder wurden auch beliebte B-Seiten ins Set eingebaut. «Der ziemlich okaye Popsong», «Petze» und «Wo ist das Problem?» fehlten trotz neuen Liedmaterial genauso wenig wie «Zehn», der Track mit der grössten Publikumsbeteiligung. Sobald Farin «Ich zähl bis zehn und dann will ich euch springen sehn» ruft, gibt es nirgends ein Halten mehr. Blaue Flecken und schmerzende Glieder gehören nach so einem Konzert einfach dazu.
Besonders gefreut hat mich, dass der meines Erachtens beste Song auf dem neuen Album live präsentiert wurde. Das nachdenkliche «Immer dabei» hatte auch auf der Bühne eine extreme Intensität. «Die Leiche», das gruselig-romantische Liebeslied (im Urlaub-Universum), wurde durch ein verstärktes Gitarren- und Gesangsarrangement aufgepeppt. Selbst ältere Titel können sich beim Mann der unendlichen Ideen immer wieder verändern.
In den letzten zehn Jahren scheinbar nicht gealtert, rockte Urlaub zusammen mit seinem Racing Team knapp zwei Stunden ohne Unterbruch, bis sie zum ersten Mal die Bühne verliessen. Wer den Berliner kennt, der weiss, dass dies noch nicht das Ende war. Es folgten noch einmal zwei Zugabeblöcke mit je drei Tracks. Den Abschluss machte dabei der Epilog «Zehn²». Danach verabschiedete sich die Band endgültig in ihren wohlverdienten Feierabend. Ein weiterer gelungener Konzertabend mit Farin Urlaub ging zu Ende.
Im Sommer wird Farin Urlaub mit seinem Racing Team noch zweimal Halt in der Schweiz machen. Er spielt mit dem Openair St. Gallen und dem Gurten Festival gleich auf zwei heimischen Festivals. Dass er sich auch dort wohl fühlt, hat er in den vergangenen Jahren schon mehrfach bewiesen. Die komplette Setlist zum gestrigen Konzert gibt es hier.