Bosse im Exil:
Ausverkaufte Schweiz-Premiere in Zürich

In Reviews by indiespect

Das kürzlich erschienene sechste Studioalbum mit dem Titel «Engtanz» katapultierte den deutschen Indie-Songwriter Bosse gleich an die Spitze der deutschen Album-Charts. Hierzulande ist er mit Platz 92 nicht ganz so erfolgreich. Dennoch ist es die erste Platzierung in den Schweizer Charts überhaupt. Konzerte des gebürtigen Braunschweigers Axel Bosse waren hierzulande bisher eine Seltenheit. Einzig als seine Musiker-Kolleginnen von BOY führten ihn bisher nach Zürich. 2011 spielte Bosse als ihr Support-Act im La Catrina in Zürich. Laut Bosse war das Konzert damals mit gefühlt 32 Besuchern ausverkauft.

Am Dienstag trat der Songwriter mit seiner Band Zürich zum ersten Mal überhaupt mit einer Headline-Show auf. Nach dem Tourstart in Mannheim ging es mit dem Tourbus gleich weiter in die Limmatstadt. Seinen Support-Act hat er gleich in seinen eigenen Reihen gefunden. Background-Sängerin und Keyboarderin Valentine Romanski gab an diesem Abend ihr Live-Debüt ausserhalb von Deutschland. Nach eigener Aussage ziemlich aufgeregt, aber mit wunderschöner Stimme, präsentierte sie dem Exil-Publikum ihre Klavier-Balladen. Die Sympathien der Zuschauer waren auf jeden Fall auf ihrer Seite und die Auslandspremiere für Valentine ist rundum geglückt. Während der kurzen Umbaupause nach ihrem Auftritt fiel zum ersten mal auf, dass im Exil an diesem Abend extrem viel Hochdeutsch gesprochen wurde.

Um 20 Uhr betraten Bosse und seine Band die eigentlich viel zu kleine Bühne im ausverkauften Exil. Zu acht zwängten sich zwischen den Instrumenten die Musiker irgendwie auf eine Fläche, die für höchstens halb so viele Personen ausgelegt wäre.  Im Unterschied zu den übrigen Konzerten der Tour, welche vornehmlich in grösseren Hallen stattfindet, war in Zürich auf jegliche Deko verzichtet worden. Dies sorgte im Zusammenspiel mit der kleinen Location für ein sehr intimes Live-Erlebnis. Mit «Ausserhalb der Zeit» wurde der Abend eröffnet.  Bereits beim zweiten Song war der wie wild tanzende Bosse komplett durchnässt. Er warnte die vordersten drei Reihen, dass sie nach dem Konzert von seinem Schweiss komplett nass sein würden und dass bei ihm eigentlich Schweiss-Schutzbrillen getragen werden müssten. Es folgte der «Bundesvision Song Contest 2013»-Gewinner-Song «So oder so» gefolgt vom neuen Titel «Nachttischlampe». Zwischen den einzelnen Titeln liess sich Bosse viel Zeit für witzige Anekdoten oder Entstehungs-Geschichte einzelner Lieder.

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So erzählte er beispielsweise von seinem Auftritt im La Catrina, als Vorgruppe von BOY. Da sich das La Catrina im Zürcher Rotlichtbezirk befindet, befand sich gleich vis à vis ein Kaffee, in welchem sich augenscheinlich ausschliesslich Zuhälter aufgehalten hätten. Keyboarder Stefan Lenkeit sei damals direkt mit dem Auto aus Hamburg angereist. Als er mit seinem Mietauto, einem weissen Audi mit getönten Scheiben vorfuhr und mit Gangster-Sonnenbrille und Glatze aus dem Wagen stiegt, dachten alle der Chef-Zuhälter sei soeben eingetroffen. Erst als er das Keyboard aus dem Kofferraum holte, waren alle beruhigt.

Bosse tanzte sich im Exil quer durch die Alben. Neue Titel wie «Immer so lieben» oder «Dein Hurra» wurden bunt mit den alten Bekannten «Vier Leben», «Istanbul» oder «Schönste Zeit» gemischt. Für den Song «Alter Strand», der sich um die schönste Sache der Welt – das Saufen – dreht, suchte der Sänger zum ersten Mal den Weg ins Publikum. Auch bei «3 Millionen», seinem «Einsam in Berlin»-Titel mischte er sich wieder in die Menge. Dabei unterstützte ihn Konzert-Besucher Marco mit Textsicherheit beim Refrain und die übrigen Zuschauer hüpften mit Bosse um die Wette.

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Zusammen mit seinem Buddy Casper hat Bosse den Titel «Krumme Symphonie» aufgenommen. Da dieser leider nicht anwesend sein konnte, wurde ein genialer und überraschender Ersatz gefunden. Pünktlich beim Einsatz des Rappers, schoss der Roadie Sven mit dem Kopf aus seiner Nische direkt neben der Bühne hervor und lieferte mit einem Flow ab, um den ihn mancher Rapper beneiden wird. Der Song wurde erst beim zweiten Anlauf komplett durchgespielt, da Bassist Theofilos Fotiadis bereits während der wohlverdienten Wasserpause des Sängers zu spielen begann. Dies führte dazu, dass Bosse zum einen fast vor Erschöpfung kollabierte und direkt nach den ersten Zeilen den Text vergass.

Ein neuer Stern am Rap-Himmel. Backliner Sven übernimmt kurzerhan Caspers Part bei «Krumme Symphonie»

Zwischen den einzelnen Stücken wurde immer wieder ein Bandmitglied vorgestellt. Dabei blieb vor allem die Vorstellung von Trompeten-, Waldhorn-, Gitarre- und Akkordeon-Spieler Martin Wenk in Erinnerung. Dieser spielte längere Zeit als Tourmusiker bei Nada Surf und hat auch bei ihrem Album «Lucky» mitgewirkt. Auf die Bosses Frage, ob er da eigentlich nicht mehr dabei sei, antwortete Wenk, dass sie ihn rausgeschmissen hätten, weil Nada Surf scheinbar beinahe pleite seien. Da die Indie-Helden auch von Bosse gliebt werden und er ihretwegen unter anderem angefangen hat Musik zu machen, wurde ans Zürcher Publikum appeliert, das Nada-Surf-Konzert vom 22. April im Dynamo Zürich zu besuchen und eine Menge T-Shirts zu kaufen. Wenk spielte zudem noch in der Band Calexico, aus welcher er angeblich mit vier Bier rausgekauft wurde.

Nach dem Titel «Frankfurt Oder», welchen Bosse zusammen mit Silly-Sängerin Anna Loos aufgenommen hat, verabschiedete sich Bosse zum ersten Mal von der Bühne. Nach einer kurzen Verschnaufpause an der frischen Luft kehrten die Musiker zurück auf die Bühne. Bosse betonte immer wieder, wie viel Freude ihm dieser Abend gemacht hätte und versprach noch eine Milliarde Mal zurückzukehren. Mit den Worten: «Was ist das für ein geiler Laden? Ich komme immer wieder. Nachher ruf ich gleich meinen Booker an. Er soll das klarmachen» unterstrich er das gleich noch einmal.

Als erste Zugabe folgte das Meister-Stück «Steine», welches Bosse mit Hilfe von «Wir sind Helden»-Frontfrau Judith Holofernes für «Engtanz» geschrieben hat. Anschliessend folgte ein in Reggae ausufernde Performance von «Du federst». Der Song dehnte sich mit Jam-Einlagen auf gut und gerne 10 Minuten aus. Der Abschluss war mit «Ahoi Ade» wie auf dem Album perfekt gewählt.

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Es bleibt zu hoffen, dass Bosse seine Versprechen einhält und schon bald wieder in der Schweiz zu Gast ist. Und dann vielleicht nicht nur mit Hilfe der Deutschen unsere Clubs ausverkauft sind.

Die komplette Setlist gibt es hier. Den Titel «Familienfest» wurde spontan aus dem Set gestrichen und nach «Kraniche» gleich «3 Millionen» gespielt. Dafür wurden die Songs allesamt in Vollbesetzung und nicht in einer Akustik-Version performt.