Noel Gallagher’s High Flying Birds bringen Stadion-Atmosphäre ins Zürcher X-TRA

In Reviews by indiespect

Im Zürcher X-TRA wurde nach vier Jahren Club-Abstinenz hoher Besuch erwartet. Noel Gallagher, das Mastermind von Oasis besuchte mit seinen High Flying Birds die Limmatstadt. Bei der Ankündigung für diesen Event stachen als erstes die gesalzenen Ticketpreise ins Auge. Satte 82 Franken musste bezahlen, wer in den Genuss von Herrn Gallagher kommen wollte. Das sind Preise, die man sich eher von Konzerten im Hallenstadion gewöhnt ist. Wieder einmal ein krasses Beispiel der Preisunterschiede von Deutschland und der Schweiz. Das zwei Tage später stattfindende Konzert in München kostet gerade mal 40 Euro. Scheinbar wurde die Nachfrage dadurch aber nicht gebremst. Das Konzert in Zürich war trotz Wucherpreis ausverkauft.

Als Support-Act hatte sich Gallagher die New Yorker Band Augustines an Bord geholt, welche vom ersten Ton weg vollen Einsatz zeigten. Vor allem Sänger Billy McCarthy war so energiegeladen, dass sich bereits nach wenigen Tönen die erste Saite seiner malträtierten Gitarre verabschiedete. Während ihrem Set behielten die Amerikaner ihr Tempo mit wenigen kleinen Ausnahmen bei. Leider ist auch der Klang der Band, speziell der Gesang immer recht ähnlich und man wünscht sich zwischenzeitlich etwas mehr Abwechslung. In einem Interview erzählte Noel Gallagher einmal, dass er unpünktliche Menschen hasse, so war denn auch der Zeitplan des Abends straff durchorganisiert. Um Punkt 20 Uhr betraten die Augustines die Bühne, um diese exakt 30 Minuten später wieder zu verlassen.

Die Umbaupause dauerte dann noch einmal eine halbe Stunde und endlich stand nach einem spannungssteigernden Intro der in Lederjacke gekleidete Noel Gallagher zusammen mit seinen High Flying Birds auf der Bühne. Mit Everybody’s on the Run, dem Opener seines selbstbetitelten Debüt-Soloalbums aus dem Jahre 2011 brachte er den Club zum Kochen. Textsicher und lautstark wurde jede Zeile mitgesungen. Bereits beim ersten Song breitete sich im Club Stadion-Feeling aus. Es folgten drei Titel vom Nachfolger-Album Chasing Yesterday und anschliessend mit Talk Tonight bereits der erste Oasis-Song.

Gallagher konnte aus dem beinahe unerschöpflichen Hit-Repertoire seiner alten sowie seiner aktuellen Formation schöpfen. Er verteilte dies sauber kalkuliert genau 50:50. Zehn Songs der Setlist waren Kompositionen für Noel Gallagher’s High Flying Birds, die restlichen zehn hatte er für die Zeit mit Oasis geschrieben.

Seine Beziehung zu Songs aus jener Zeit scheint sich im Gegensatz zu jener mit seinem jüngeren Bruder Liam nicht verschlechtert zu haben. Ältere Nummern wie Sad Song oder  Half The World Away mischte Gallagher mit Klassikern wie Champagne Supernova oder The Masterplan.

Gesprochen wurde nicht sonderlich viel. Aber ein höfliches «Thank you very much» nach beinahe jedem Song gab es dann doch. Auch mit der Bühnenshow wurde nicht geprotzt. Sauber abgemischter Sound von einer angenehmen Lichtshow umhüllt reichte völlig aus. Die Musik stand vollumfänglich für sich. Etwas versteckt auf der Bühne war sogar ein kompletter Bläsersatz aufgestellt. Wo andere auf Einspieler ab Band zurückgegriffen hätten, legte Noel Gallagher wert auf Qualität und richtige Musiker. Daran, dass die Bläser nie vorne an der Bühne spielen durften, zeigte sich, dass es nur einen Chef gibt – und der ist namensgebend für die Band. Im Gegensatz zu Oasis muss er sich den Platz im Scheinwerferlicht mit niemanden mehr teilen. Herausragend war auch die Stimmgewalt von Gallagher. Keine Patzer und keine Unsicherheiten waren selbst bei höher gesungenen Stellen zu hören. Der Britpop-Altmeister versteht sein Handwerk in Perfektion.

Trotz hohem Oasis-Anteil war das Konzert niemals eine Nostalgie-Show, denn mit neuen Titeln wie The Death Of You And Me oder If I Had A Gun zeigte Noel Gallagher eindrücklich, dass er noch immer im Stande ist, ausserhalb von Oasis grossartige Stücke zu schreiben, was Liam Gallagher mit seiner gescheiterten Band Beady Eye nur sehr bedingt gelungen ist.

Nach dem offiziellen Set kehrte die Band noch einmal für drei Zugaben auf die Bühne zurück – und dabei wurde aus dem Vollen geschöpft. Mit dem Überhit Wonderwall, den einfach jeder irgendwie mitsingen kann, dem grandiosen AKA… What A Life und dem Dauerbrenner Don’t Look Back in Anger verabschiedete sich Gallagher endgültig vom Zürcher Publikum.

Dass Noel Gallagher noch lange nicht müde ist und zum alten Eisen gehört, zeigt sich auch beim Vergleich der beiden Zürcher Setlisten von 2012 und 2016. Für die neue Tour wurde alles komplett umgestellt und mit wenigen Ausnahmen kein Oasis-Song wiederholt. Bei diesem Mann lohnt sich ein Konzertbesuch trotz horrender Preise also immer wieder aufs Neue. Eine lebende Legende, die im Gegensatz zu andern noch nicht zu einer wandelnden Mumie geworden ist.