Fête de Lion 2016: Die Fete beim Kulturbahnhof in Wil schreit nach Wiederholung

In Reviews by indiespect

Gestern feierte das Gare de Lion in Wil SG die «Fête de Lion» mit 13 Live-Acts auf zwei Bühnen. Das komplette Areal wurde zu diesem Zweck liebevoll geschmückt und mit Festbänken, Bars, Essens-Ständen sowie einem Tischtennis-Tisch ausgestattet.

Bei besten Wetterverhältnissen mit angenehmen Temperaturen öffnete um 13.30 Uhr das Gelände seine Pforten. Bereits eine halbe Stunde später wurde das Fest musikalisch mit «Knuts Koffer» auf der Openair-Bühne eröffnet.



Die früh angereisten Besucher genossen zwar vorwiegend die Festbänke sowie die kulinarischen Angebote, aber die musikalischen Darbietungen waren über das ganze Gelände zu hören. Wo an anderen Festivals zusätzlich Musik ab Band aus weiteren Boxen dröhnt, wurde hier erfreulicherweise komplett darauf verzichtet. Auch die Konzerte auf den beiden Bühnen fanden nacheinander statt, sodass man die Möglichkeit hatte, jeden einzelnen Auftritt zu sehen.

Ein Negativpunkt zeigte sich bei den Shows der Club-Bühne, im inneren des Gare de Lion. Zwar waren beim Eingang Ohrstöpsel erhältlich, aber die Lautstärke im Club war so extrem hoch, dass sie den Musikgenuss trotzdem etwas trübte. Auch interessante Acts, wie die äusserst sympathische Indie-Formation «Shields» aus dem Englischen Newcastle, waren dadurch nicht richtig geniessbar. Aus diesem Grund verbrachten wir dann auch die meiste Zeit vor dem Gare de Lion und gönnten uns von den Club-Konzerten nur jeweils kürzere Kostproben.


Trotz der herrlichen Wetterbedingungen fand sich bei den Indoor-Konzerten jeweils immer eine beachtliche Zuschauer-Zahl ein. Nebst lokalen Acts aus St. Gallen, wie der Rap-Crew «Crispy Dee & Band» oder «Yes I’m Very Tired Now», die spährischen Elektro-Pop präsentierten traten mit «Undergrünnen» aus Norwegen auch weiter angereiste Bands in Wil auf. Die erst 2014 gegründete Band spielt komplett auf Norwegisch eine Mischung zwischen Kraut- und Sixties-Rock. Der etwas gewöhnungsbedürftige Musikstil bleibt einem auf jeden Fall im Kopf und steht sinnbildlich für das abwechslungsreiche Line-Up am «Fête de Lion».


Direkt im Anschluss sorgten die «Cuban Beats All Stars», welche unter anderem aus drei Mitgliedern der bekanntesten kubanischen Hip-Hop-Formation «Orishas» bestehen, für kubanische Klänge vor dem Silo. Sie lockten bereits zahlreiche Zuschauer vor die Bühne und sorgten für den idealen Soundtrack, um den Abend einläuten zu lassen. Die bereits angedeuteten «Shields» übernahmen gleich darauf auf der Club-Bühne. Schade, dass ihr allererstes Schweizer Konzert mit dem erwähnten Lautstärkepegel nicht wirklich zu beurteilen war. Falls die Engländer wieder einmal in der Nähe spielen, würde sich ein Besuch aber bestimmt lohnen.


Erst vor Kurzem traten die aus Deutschland stammenden «Razz» am Openair Hallau zum ersten Mal in der Schweiz auf. Bereits damals beeindruckten die knapp Musiker, die allesamt um die 20 Jahre jung sind, mit ihren Live-Qualitäten. Doch damals wirkte über die Gesamtlänge des Sets alles etwas zu homogen und zunehmend langatmig. In Wil zeigten «Razz» ihr ganzes Können. Die Band, welche bereits als Support von «Kraftklub» auftreten durfte, begeisterte das «Fête de Lion»-Publikum. Den Jungs selber schien es in Wil auch sehr zu gefallen, denn der Schlagzeuger hatte sich extra ein «Gare de Lion»-Shirt als Bühnen-Outfit angezogen. Bestes Marketing.


Wer einen Track wie «Black Feathers» im Radio hört, würde bestimmt niemals das wahre Alter der Bandmitglieder erraten. Man darf gespannt sein, ob die ehemalige Schülerband mit ihrem nächsten Album den Durchbruch schafft und sich immer bessere Festival-Slots erspielen kann. Jeppe Kjellberg, Sänger und Gitarrist von WhoMadeWho, sah sich das Ganze auf jeden Fall schon Mal aufmerksam an.


Der Auftritt von «Isolation Berlin», einer Neuentdeckung in der deutschen Indie-Szene mit kontroversen Kritiken passte nicht so ganz in die Sommerabend-Stimmung. Etwas zu negativ und zu viel Geschrei liess uns nur kurz Reinhören. Ein guter Moment um die Essens-Stände noch ein weiteres Mal aufzusuchen und das lokale Gewerbe zu unterstützen.


Zudem musste man sich mental schon langsam auf das eigentliche Highlight des Abends vorbereiten. Das dänische Electro-Trio WhoMadeWho sorgte beim Wiler Publikum dann auch effektiv für die grössten Begeisterungsstürme. Extrem sympathisch präsentierten Jeppe Kjellberg, Tomas Hoffding und Tomas Barfod ihren extrem tanzbaren Electro-Indie-Sound. Während sich Schlagzeuger Barfod wie gewöhnlich gerne im Hintergund hielt, so suchten seine beiden Bandkollegen aus der ersten Reihe immer wieder den Weg von der Bühne, um mit dem Publikum auf Tuchfühlung zu gehen..


Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass alle Bands die gleiche Auftrittslänge zugesprochen bekam. So durften auch WhoMadeWho wie alle anderen 60 Minuten auf der Bühne stehen. Diese Beschränkung wirkte extrem erfrischen, da alle Acts ihre Song-Auswahl strafften und die Auftritte dadurch an Tempo gewannen. Die Dänen brillierten mit «Inside World», «Running Man», «The Sun» oder «Every Minute Alone» zum Abschluss. Das Publikum danke es den Nordmännern mit Tanz und frenetischem Applaus, sodass sich dies sichtlich auf die Spielfreude von WhoMadeWho auswirkte.


Wir liessen den Auftritt noch etwas nachwirken während wir auf den Auftritt der Belgier «Goose» warteten. Die Temperaturen waren merklich abgekühlt und bei WhoMadeWho hatte es bereits immer mal wieder etwas geregnet. Dies liess die Zuschauer entweder in grösserer Zahl die Wärme des Clubs aufsuchen oder sie traten bereits den Heimweg an. Zu Beginn des «Goose»-Konzertes waren die Reihen dementsprechend ziemlich gelichtet. Dass sich die Belgier auch andere Besucheraufkommen gewöhnt waren, konnte man etwas an ihren Gesichtern ablesen, als sie die Bühne betraten, die an eine Mini-Version der Sitterbühne des Openair St. Gallen erinnerte. Mit wummernden Bässen und drei Synthesizern lockten die Jungs aber immer wieder mehr Leute an. Einige davon schienen der Kälte dabei auch mit exzessivem Alkoholkonsum getrotzt zu haben. «Goose» wirkten insgesamt etwas elektronischer, als noch bei ihrem letzen Auftritt in Zürich, doch auch Hits wie «Can’t Stop Me Now» oder «Words» fehlten im Set nicht.


Die kühlen Temperaturen und die nicht mehr ganz klare Wahrnehmung zahlreicher Besucher sorgten dafür, dass die Publikumsresonanz nicht ganz so euphorisch war, wie noch beim Konzert zuvor. Eigentlich schade – denn «Goose» sind eine wirklich gute Live-Band, die sich mit ihrem Electro-Rock-Punk einen eigenständigen Stil geschaffen haben.

Mit dem Konzert von Goose endete die Veranstaltung unter freiem Himmel. Im Club ging es noch bis in die frühen Morgenstunden mit «Fuck Art, Let’s Dance», «Tigershead» und «DJ ZUB» weiter.

Alles in allem war das «Fête de Lion» ein äusserst gelungener Anlass mit viel Liebe ins Detail. Hoffentlich wird dieses Festival zur Tradition beim Kulturbahnhof in Wil, denn es ist ein erfrischender Event zwischen all den grossen Festivals dieses Landes. Wenn die Lautstärke des Clubs beim nächsten Mal noch etwas gesenkt würde, wäre es sogar noch fantastischer!