Das neue Album «Friends»
Viel wurde geschrieben über die neuste Platte von White Lies. Das am 7. Oktober veröffentlichte Album, rief nicht bei allen Begeisterungsstürme hervor. Zu viel Synthesizer und zu viel Achtzigerjahre-Kitsch waren die Hauptkritikpunkte der Presse. Die Band selber ist natürlich extrem stolz auf ihr neustes Werk und auch beim Live-Publikum sind die Songs von «Friends» bisher auf viel Gegenliebe gestossen.
Manchmal hilft ein Konzert, um sich gegenüber dem neuen Klang einer Band zu öffnen. So geschehen am letzten Donnerstag, beim ersten Zürcher Clubkonzert der White Lies seit drei Jahren.
Die Weiterentwicklung von White Lies
Seit den Anfängen und dem Hit-Album «To Lose My Life…» aus dem Jahr 2009 hat sich einiges bei den Briten verändert. Die Besetzung ist gleich geblieben, doch vor allem bei Live-Shows zeigte sich in den letzten zwei Jahren eine deutliche Entwicklung. Nebst optischen Veränderungen wird der Gesang von Harry McVeigh immer kräftiger und sicherer.
Bei früheren White-Lies-Shows musste man sich bewusst sein, dass es zwischendurch schon mal etwas schief klingen konnte. Aufgrund der grossartigen Songs, vor allem vom Debütalbum, wurde das vom Publikum verziehen. Aber als grossartige Live-Band konnte man sie damals nicht wirklich bezeichnen. 2011 waren die Engländer kurz nach der Eröffnung des Komplex 457 mit ihrem zweiten Album «Ritual» zu Gast. Zwei Jahre später präsentierten sie am selben Ort den Nachfolger «Big TV». Bei beiden Auftritten stand eine solide, aber nicht herausragende Band auf der Bühne. Danach ging es qualitativ immer weiter aufwärts. Fast schien es, als habe McVeigh die Limitation seiner Stimme selber erkannt und Gesangsunterricht genommen. Denn bereits bei den Festivalkonzerten im Jahr 2014 fiel eine positive stimmliche Veränderung beim Sänger der White Lies auf.
Harry McVeigh in Höchstform
Endlich am Ziel angekommen
Die Treue der Fangemeinde hatte die Alternative-Rock-Band aus Ealing über die Jahre immer auf sicher. So war auch das Kaufleuten am letzten Donnerstag bis in die hinteren Ränge sehr gut gefüllt. Mit der ersten Single-Auskopplung von «Friends» eröffneten White Lies ihr Set. «Take It Out On Me» ist das Bindeglied zwischen dem früheren und dem aktuellen Klang der Band. Die dreijährige Club-Abstinenz von White Lies machte sich vor allem beim Publikum bemerkbar. Bereits ab der ersten Note wurde inbrünstig mitgesungen und geklatscht. Es fühlte sich an, als wären alte Freunde nach einer lange Reise endlich wieder nachhause zurückgekehrt.
Auch die Band schien das zu spüren. So bedankten sie sich wiederholt für die Treue ihrer Fans und entschuldigten sich dafür, sie so lange warten gelassen zu haben. Wie bei guten Freunden üblich, trug ihnen das an diesem Abend aber niemand nach. Noch nie strahlten die White Lies eine solche Zufriedenheit aus und traten mit einer solchen Präzension auf. Nach «There Goes Our Love Again» vom Vorgänger-Album «Big TV» folgte als dritter Song bereits der Über-Hit «To Lose My Life…» – und die Masse tobte. Der Publikumsgesang vermischte sich mit der Stimme eines strahlenden Harry McVeigh und liess den Boden des altehrwürdigen Klubsaals erzittern.
Nach dem neuen «Hold Back Your Love» folgte mit «Unfinished Business» ein altes Schmuckstück, welches früher oftmals erst als letzte Zugabe gespielt wurde. Im Kaufleuten herrschte eine magische Stimmung und im Refrain übertönte das Publikum teilweise sogar den Gesang, der von der Bühne kam.
You got blood on your hands and I know it’s mine
I just need more time
So get of your low, let’s dance like we used to
But there’s a light in the distance, waiting for me
I will wait for you
So get of your low, let’s kiss like we used toUnfinished Business, White Lies
White Lies in voller Pracht: Sänger und Gitarrist Harry McVeigh, Bassist und Hauptsongwriter Charles Cave, Schlagzeuger Jack Lawrence-Brown sowie Live-Keyboarder Tommy Bowen.
Mit «The Price Of Love» folgte der letzte Track des Debütalbums. Ein Song, der es in den letzten Jahren zu unrecht nur selten ins Set geschafft hat. Schlag auf Schlag ging es hochkarätig weiter. Mit «Farewell to the Fairground» wurde der Lautstärkepegel wieder richtig in die Höhe getrieben. Es blieb kaum Zeit, die grossartige Setlist verarbeiten zu können. Besser hätte man sie wohl selbst als Fan kaum zusammenstellen können. Nach diesem Feuerwerk, das alte Fan-Herzen höher schlagen liess, war es Zeit für zwei Tracks vom aktuellen Album. «Morning In LA» sowie «Is My Love Enough?» konnten beim Publikum ebenso Punkten, wie die Klassiker zuvor. Letzteres ist gemäss McVeigh’s Aussage eines der Lieblingsstücke der Band auf «Friends». Dementsprechend leidenschaftlich präsentierte er es auch. Die Hand hatte er auf sein Herz gelegt und ein die Leidenschaft stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Pure Leidenschaft: Harry McVeigh während «Is This Love Enough?»
Genau solche Momente haben bei früheren Konzerten der White Lies oft gefehlt. Die Emotionen der Band waren zum ersten Mal richtig greifbar. Das reduzierte Bühnenbild verstärkte dies gar noch. Man konnte sich voll und ganz auf die Band und deren Musik konzentrieren.
Die folgenden drei Songs «E.S.T.», «Getting Even» und «Streetlights» boten einen Mix aus den ersten drei Alben. Nach «Don’t Want to Feel It All» von «Friends», drehten die White Lies mit dem letzten Song des regulären Sets noch einmal richtig auf. Bei «Death» verstärkten sie die Tempowechsel gegenüber der Studioversion ins Extreme. Kurz vor dem Refrain wurde das Tempo so gedrosselt, dass sich eine enorme Spannung aufbaute. Diese entlud ihre volle Energie mit den Worten: «Yes, this fear’s got a hold on me».
Nach tosendem Applaus des begeisterten Publikums kehrte die Band für drei Zugaben auf die Bühne zurück. «Big TV», der Titel-Track des gleichnamigen Albums und «Come On» gipfelten im grossartigen «Bigger Than Us». Ein letztes Mal drehte das Kaufleuten komplett durch und feierte die Briten. Auf dass sie sich nicht wieder drei Jahre Zeit lassen, bis zu ihrem nächsten Besuch in der Limmatstadt.
Versteckte sich in einer dunkeln Ecke: Schlagzeuger Jack Lawrence Brown (Foto: Janosch Tröhler/negativewhite.ch)
Fazit
Die White Lies scheinen endlich zu dem gefunden zu haben, was sie schon lange sein wollten. Sowohl als Einheit als auch qualitativ spielten sie noch nie auf einem so hohen Level. Mit ihrem Konzert im Kaufleuten machten sie Lust auf mehr. Auch das neue Album «Friends» hat sich im Live-Gewand bewährt. Endlich kann man als Zuhörer verstehen, weshalb die Band so stolz auf ihr neustes Werk ist. So darf es mit den sympathischen Engländern gerne weitergehen.