Nordklang Festival 2017: St. Gallen zelebriert die nordische Musikszene

In Reviews by indiespect

Das Nordklang Festival

Bereits zum 11. Mal wurde dieses Wochenende in St. Gallen die nordische Musikkultur gefeiert. Zur diesjährigen Ausgabe übernahm erstmals die jüngere Generation komplett die Festivalleitung. Bereits 2016 hatte der Gründer Felix van den Berg die Organisation des Konzertabends übertragen, stand jedoch noch unterstützend zur Seite. Das siebenköpfige OK um Festivalleiterin Larissa Bissegger und die 55 Helfer arbeiten wie die Jahre zuvor allesamt ehrenamtlich. Ganz bewusst wird deshalb auch darauf geachtet, dass das Festival nicht grössser oder kommerzieller wird. Sämtliche Musiker treten ohne Gage in St. Gallen auf. Lediglich für die Anreise sowie Kost und Logie wird gesorgt. Und natürlich für eine herzliche Betreuung, die von den Musikern geschätzt wird. So hat sich das Nordklang Festival auch im hohen Norden einen guten Ruf gemacht und Bands melden sich teilweise sogar schon von sich aus mit Anfragen bei der Festivalleitung.

Ein Kontingent von 1000 Tickets wird jeweils an den verschiedenen Vorverkaufsstellen sowie an den Abendkassen zum Verkauf angeboten. Bisher ging dieses Konzept immer auf – denn jede Ausgabe war ausverkauft. Nach einer Stummfilm-Vorführung mit musikalischer Vertonung des dänischen Kollektivs We Like We am Donnerstag, stand gestern der Haupt-Konzertabend auf dem Programm. Auf fünf Bühnen traten insgesamt 15 Solo-Künstler oder Bands auf. Mit einem Stilmix von Singer-Songrwiter, über 60s-Garage-Rock bis hin zu Techno, bot sich den Musikliebhabern ein breites Genre-Spektrum.

Jeder Besucher hatte also die Qual der Wahl, für welche Konzerte er sich entschied. Die Anzahl der Spielorte sorgte für eine tolle Abwechslung, aber Überschneidungen waren dadurch ebenfalls unvermeidlich.

Hohka (FI) im Pfalzkeller

Der Auftakt: Hohka aus Finnland im beeindruckenden Pfalzkeller

Nur schon der Eingang sieht aus, als würde man sich auf die Brücke des Raumschiff Enterprise begeben. Der Pfalzkeller beeindruckt mit einer modernen Architektur und stimmiger Beleuchtung. Nach der sympathischen Ansprache von Festivalleiterin Larissa Bissegger stand hier  zum Auftakt mit Hohka ein instrumentelles Quintett auf der Bühne. Der Zuschauerraum war sehr gut gefüllt, als die Finnen ihre eindrücklichen Eigenkompositionen präsentierten. Hinter jedem Stück stecke eine eigene Geschichte, erzählte Enne Purovaara, neben seinem Kontrabass stehend. Diese fand ihre musikalische Widerspiegelung im Stil der einzelnen Folk-Stücke. Eine den Geschwistern gewidmete Komposition war folglich gemäss Purovaara: kompliziert.

Mit dem Mix aus beeindruckender musikalischer Virtuosität und dem sympathischen Auftreten, schaffte es das Quintett, das Publikum im Pfalzkeller in den Bann zu ziehen. Um nicht nur noch das Ende des nächsten Konzertes zu sehen, mussten wir uns leider trotzdem frühzeitig auf den Weg ins ca. 10 Minuten entfernte Palace machen.

The DeSoto Caucus (DK) im Palace

Americana-Sound mit The Desoto Caucus im Palace

Im schummrigen Licht des alten Kinos sorgten die Dänen von The DeSoto Caucus für den perfekten Soundtrack. Stimmlich erinnerte der Sänger Anders Pedersen an eine Mischung aus Mark Oliver Everett von den Eels und Konstantin Gropper von Get Well Soon. Die Nebelmaschine unterstrich die Stimmung, die sich im Palace ausbreitete. Der Klang von The DeSoto Caucus würde ebenso gut in eine gediegene Zigarrenlounge passen. Die Besucher hatten die Möglichkeit direkt vor der Bühne zu stehen oder in alten Kinosesseln im Parterre sowie auf der Galerie zu sitzen. Auch von oben bot sich ein schöner Blick auf den Raum mit der stilvollen Discokugel.

Das Palace bot die perfekte Kulisse für den Sound von The DeSoto Caucus (DK)

Von Garage-Rock bis Techno in der Grabenhalle

Gleich nebenan spielten zeitgleich die Anzugträger von The Youth eine schweisstreibende Rock-Show in der rappelvollen Grabenhalle. Nach dem gemütlichen Americana-Sound ihrer dänischen Landsleute im Palace, stand das Tempo der Band im krassen Kontrast. Ob mitten im Publikum oder auf der Bar, Teile der Band nahmen immer wieder Ausflüge abseits der Bühne in Angriff. Trotz straffem Zeitplan liessen sich die Herren vom begeisterten Publikum bei der Aufforderung nach einer Zugabe nicht zweimal bitten und legten gleich noch einmal mit zwei Stücken nach.

Von Beat-Rock mit The Youth…

… zu minimalistischem Techno mit Antonio Gram in der Grabenhalle.

Dies sorgte für eine kurze Verzögerung im ansonsten reibungslosen Ablauf. So stand Esben Valløe, Gründungsmitglied und Ex-Bassist der Band Reptile Youth mit seinem Solo-Projekt Antonio Gram etwa zehn Minuten zu spät auf der Bühne. Auch wenn die Tracks des Dänen beim vorgängigen Anhören durchaus Potenzial hatten, so verlor er sich live etwas in Belanglosigkeit. Die Stücke klangen eher als zu lange geratene Intros und liessen Dynamik sowie melodische Abwechslung missen. Daher fiel es uns nicht allzu schwer, die Grabenhalle zeitig zu verlassen, um für das Konzert von Ida Gard wieder im Pfalzkeller zu sein. Um Antonio Gram kein Unrecht zu tun, bestand also die Möglichkeit, dass der Auftritt noch spannender wurde.

Ida Gard als Abschluss im Pfalzkeller

Ida Gard – Die introvertiert-extrovertierte Sängerin

In ihrer Heimat Dänemark ist Ida Gard längst keine Unbekannt mehr. Ihre Musik wird regelmässig im Radio gespielt und das renommierte GAFFA-Magazine bezeichnet sie als dänische Version von Alanis Morissette. Mit ihren witzigen und oft sarkastischen Texten brachte sie auch das St. Galler Publikum oft zum Schmunzeln.

Die stimmgewaltige Ida Gard benötigte ausser ihrer E-Gitarre keine weitere Begleitung. Die eingängigen Melodien ihrer Songs, ergänzte sie mit Anekdoten aus ihrer Jugend und ihrer Familie. Der trockene Humor wirkte dabei immer extrem sympathisch. Zum Abschluss zollten ihr die Zuschauer mit Standing-Ovations Respekt. Nach dem gelungenen Abschluss im Pfalzkeller verliessen wir den futuristischen Bau und traten die Heimreise an. Zwar stand in der Grabenhalle noch das Techno-Kollektiv M€RCY auf der Bühne, doch das liessen wir nach der nicht ganz unserem Geschmack entsprechenden Auftritt von Antonio Gram aus. Denn dieser war auch Teil dieser Formation. Durch Überschneidungen haben wir leider andere spannenden Künstler wie Gidge, Valdimar oder sir WAS verpasst. Das musikalische Spektrum aus dem Norden wurde uns aber dennoch eindrücklich gezeigt. Alleine Dänemark bietet eine musikalische Vielfalt, mit der sich mehrere Festivals füllen liessen.

Ida Gard als Abschluss im Pfalzkeller

Fazit

Das Nordklang Festival ist ein ganz spezieller Anlass inmitten der Schweizer Festivallandschaft. Hier spürt man die Leidenschaft zur nordischen Kultur und zur Musik sowie den Willen, den Zuschauern einen ausgewogenen Querschnitt der Stile zu bieten. Durch die Kontigentierung sind alle Konzerte sehr gut besucht, aber man fühlt sich nie eingeengt. Ein grosses Lob an alle involvierten hinter und vor den Kulissen.