Johnossi im Volkshaus Zürich: Charmanter Grössenwahn aus Schweden

In Reviews by indiespect

John und Ossi: Untrennbar vereint

Bescheidenheit ist für John Engelbert und Oskar Bonde ein Fremdwort. Sie sind extrem überzeugt von ihren Qualitäten und ihrem Talent. Gerne bezeichnen Sie sich als unterbewertetste Band der Welt. Dabei wirken die beiden Schweden jedoch so unverschämt charmant, dass ihnen den Grössenwahn keiner übel nehmen kann. Vor allem deswegen, weil er gerechtfertigt ist. Als Johnossi sind sie seit nunmehr 12 Jahren auf den Bühnen der Welt unterwegs und rocken zu zweit jedes Publikum.

Ende Februar veröffentlichte das Duo mit Blood Jungle sein fünftes Studioalbum. Und wieder einmal haben sie ihren unverkennbaren Sound neu erfunden. Die Instrumentierung wurde unter anderem um Bläser und Chöre erweitert. Manche Kritiker behaupten, dass sie damit ihre alten Fans vergraulen, doch das ist den beiden Schweden so ziemlich egal. Denn sie wissen, dass sie wieder ein Album veröffentlicht haben, von dem so manche Band nur träumen kann. Die ausführliche Rezension könnt ihr hier noch einmal nachlesen.

Seit ihrem 2013 erschienenen Album Transitions treten Johnossi mit einem zusätzlichen Mann am Keyboard auf. Mattias Franzén hat sich mittlerweile hervorragend bei den Besten Freunden eingefügt und ist schon gar nicht mehr wegzudenken. Am Samstag war es nun endlich wieder so weit. Mit ihrer bisher grössten Schweizer Headline-Show waren Johnossi anlässlich ihrer Blood Jungle Tour im Volkshaus in Zürich zu Gast.

Schweiss und Strobo begleiteten den Abend.

Monumentales Intro und technische Pannen

Alleine das Intro verdeutlichte das Ego der Schweden. Die Fanfaren von Air Is Free, der Vorab-Single des aktuellen Albums, hallten gut und gerne eine Minute immer und immer wieder ins vollgepackte Volkshaus. Das Publikum begann zu johlen und zu klatschen, bis endlich die drei Herren die Bühne betraten. Sogleich legten sie mit Vollgas los. Und als ob der Song bereits Jahre existieren würde, sangen alle textsicher und inbrünstig mit. Danach ging erstmal nichts mehr. Das Gitarren-Pad von Sänger John Engelbert schien seinen Dienst vorübergehend aufgegeben zu haben. Sofort eilten die Techniker herbei, um den Schaden zu beheben. Die Unterbrechung nutzte er sogleich, um ein einheimisches Bier zu zischen, während, Ossi auf dem Schlagzeug die Wartezeit musikalisch unterlegte und die Szenerie gespannt beobachtete. Nach gut zwei Minuten konnte es weitergehen. Mit den klingenden Worten «Now I’m pissed. So this is gonna be the best night ever» legte Engelbert anschliessend erst richtig los.

Now I’m pissed. So this is gonna be the best night ever.John Engelbert

Bierpause nach dem ersten Song.

Hits, Hits, Hits

Haben Johnossi überhaupt einen schlechten Song? Ich glaube nicht. Mit Gone Forever folgte ein weiteres Highlight für viele Fans. Bei diesem Track wurde 2013 zum ersten Mal ein Keyboard in den bis dato aus Gitarre und Schlagzeug bestehenden Johnossi-Sound eingeflechtet. Und das passte schon damals wie die Faust aufs Auge. Got Your Gun, der Abschluss-Song von Blood Jungle folgte als nächstes. Im Mittelteil durfte Oskar Bonde seine Drums endlich wieder richtig prügeln. Es ist immer ein wahrer Genuss, ihm dabei zuzuschauen. Das neue Material bekam live noch mehr Power, als auf dem Album. Reduziert auf die Essenz der einzelnen Stücke, haben Johnossi perfekte Live-Arrangements geschaffen.

Natürlich fehlten auch die Klassiker an diesem Abend nicht. Bei 18 Karat Gold, Bobby oder Man Must Dance frohlockte jedes Fanherz. Doch auch Blood Jungle steht diesen Kompositionen in nichts nach. Das etwas ruhigere Freeman begeisterte ebenso wie der Album-Opener Blood. Überstrahlt wurde das alles nur noch von Weak Spots. Der neuste Live-Kracher stellt sogar den Konzert-Liebling Roscoe in den Schatten. Ein sattes Riff und ein unglaublicher Rhythmus, gepaart mit John Engelberts rauer Stimme, bilden die Basis für den perfekten Song.

Auch Silhouetten können eindrücklich sein.

Die energetische Rock-Show lebte einzig und alleine von der Musik. Abgesehen von einem Lichtrahmen der die Bühne umfasste, brauchten Johnossi keine weiteren Showelemente. Bei grossen Produktionen hat Spontaneität alleine wegen der auf den Song abgestimmten Visuals oft keinen Platz. Hier wurde sogar ein lautstarker Songwunsch aus dem Publikum aufgenommen. Santa Monica Bay rief ein Zuschauer mehrfach, bis ihn Ossi endlich verstand. Er begann sogleich das Intro zu trommeln, mit fragendem Blick zu Kollege John. Dieser bemerkte zwar, dass er nicht mehr wisse wie dieser Track zu spielen sei, fing aber nichtsdestotrotz an das erste Riff in die Saiten zu schlagen. Plötzlich waren die beiden wieder drin und performten sehr zur Freude aller, ganz spontan den Titel vom selbstbetitelten Debüt. Auch wenn John zwischendurch mal eine Songzeile durch die Worte «I don’t know this fucking song» ersetzte, war es eine beeindruckende Darbietung.

Dies sind die berühmten magischen Konzertmomente, welche die Spielfreude einer Band zeigen, die schon so lange auf der Bühne steht. Zwischen den Stücken liess sich John immer wieder zu kleinen Publikumsinteraktionen verleiten. So auch, als er plötzlich mit einem weiblichen Fan einen Wodka-Shot hinunterstürzte.

Skål – und weg.

Bei der Vorstellung der Band hob er besonders Keyboarder Mattias Franzén hervor. Dieser antwortete auf die Ansage: «He’s the greatest genius in our band» trocken mit den Worten: «Yes, I am». Der Einfluss von John und Ossi machen sich langsam aber sicher bemerkbar. Auf der letzten Tour hielt sich der Tastenmann noch brav im Hintergrund, doch mittlerweile hat er seinen Platz in der Band gefunden und kommt immer mehr aus sich raus.

Johnossi dachten gar nicht ans Aufhören. Hands, die Hymne gegen Polizeigewalt oder eine akkustische Version von Summerbreeze zeigten die Vielfalt der schwedischen Indie-Rocker im weiteren Verlauf des Konzerts. Mit What’s the Point liess das zum Trio gewachsene Duo noch einmal einen Kracher auf das Zürcher Publikum los, bevor sie sich nach über 105 Minuten zum ersten Mal verabschiedeten.

Mattias Franzén verrenkt sich hinter seinem Keyboard und legt sich mächtig ins Zeug

Für die Zugaben wurde es John Engelbert einfach zu heiss. Er funktionierte sein durchnässtes Shirt zur Kopfbedeckung um und spielte fortan oben ohne. Die schweisstreibenden Zugaben rechtfertigten dieses Handeln definitiv. Mit Party With My Pain wurde teilbekleidet das Schlussfeuerwerk gezündet. Der schnelle Song wurde immer wieder verlängert und bis in die hintersten Reihen wurde lautstark mitgesungen. Auch der vom Erstling stammende Execution Song schlägt in die gleiche Kerbe. Keine Verschnaufpause gönnt der kurze, kraftvolle Track. Den Abschluss machte wie so oft das zum Tanz auffordernde Roscoe. Kein Fuss stand still als Johnossi den Klassiker rausbretterten. Nach über zwei Stunden verabschiedeten sich die Schweden vom glücklichen Publikum.

John mit Kopfschmuck

Fazit

Der charmante Grössenwahn des schwedischen Indie-Duos Johnossi ist absolut gerechtfertigt. Kaum eine Band schafft es, über mehr als zwei Stunden eine solche Energie auf die Bühne zu bringen wie sie. Dabei spielen sie, als wäre es die letzte Nacht auf Erden. Die Konzerte in nächster Zukunft werden es richtig schwierig haben, da mitzuhalten. Johnossi steht für Leidenschaft und Qualität, sowohl mit ihren Alben als auch auf der Bühne. Interessierte finden untenstehend den Link zum Interview, welches vor dem Konzert stattfand.