Ventilator Records:
Hier ist das Schwarze Gold in Winterthur zuhause

Vasco Saxer heisst der Herr, der mit Daunenjacke in seinem Plattenladen steht. Dieser befindet sich auf dem ehemaligen Sulzer Areal in Winterthur. Auch hier sind in an diesem Januar-Nachmittag die Temperaturen eisig. Einzig ein kleiner Ofen ist für die Beheizung der Ladenfläche zuständig. Für das eher wärmeempfindliche Vinyl stellt das kein Problem dar. Eine Jacke ist die ersten paar Stunden nach Ladenöffnung um 12 Uhr jedoch keine schlechte Idee.

Im letzten Jahr feierte Ventilator Records sein 5-jähriges Bestehen. Seit 2010 ist er der einzige Plattenladen in der sonst so musikalischen Stadt. Nach der Schliessung der alterwürdigen Musicbox 2004 war das Vinyl in Winterthur für sechs Jahre ausgestorben. Vasco war schon immer mit Leidenschaft der Musik verschrieben. Ob als DJ Ghost an den legendären Pulp Fiction oder Flower Power Partys oder als Sänger und Gitarrist der 60’s-Garage-Beat-Band The Royal Hangmen. Plattenladenbesitzer wurde er jedoch mehr durch Zufall als durch Planung. Ursprünglich war die Idee, alte Platten aus via eBay gekauften Sammlungen wieder zu verkaufen. Diese Zeiten sind jedoch schon lange vorbei. Mittlerweile bietet Ventilator Records ein breites Sortiment, das zahlreiche Genres abdeckt (namentlich 60’s Beat, Rock’n’Roll, Soul, Indie, New Wave, Jazz, Soundtracks, Hip Hop, Funk und Dance, World Music, Ska, Reggae, Pop und Rock). Die aktuellen Charts sucht man am Lagerplatz jedoch vergeblich und das soll auch so bleiben. «Wenn ich im Mediamarkt bin, kenne ich weder die Künstler, noch die Cover, die da im Regal stehen», meint Vasco Saxer dazu. Dieses Publikum wolle er jedoch auch gar nicht ansprechen. Bis in die 90er-Jahre hätten sich die Charts und das Sortiment eines Plattenladens teilweise noch gedeckt, danach sei es abgedriftet.

Dieses Jahr feiert der Record Store Day sein 10-Jahre-Jubiläum. Für unabhängige Plattenladen ist der Tag zum wichtigsten Feiertag im Jahr geworden. Zahlreiche Künstler veröffentlichen zu diesem Anlass spezielle Releases und locken so die Musikfans in Scharen an. Seit der Eröffnung ist auch Ventilator Records jährlich mit von der Partie. Durch gute Kontakte nach Deutschland bekommt Vasco einen Grossteil der Releases. Es gibt einige Richtlinien, an die er sich im Gegensatz zu einigen Schwarzen Schafen eisern hält. So sind Vorbestellungen nicht erlaubt und pro Kunde darf nur ein Stück der begehrten Platte gekauft werden. Wie immer wenn das Geld winkt, halten sich nicht alle an diesen Kodex. So verkaufen einige Plattenläden diese Perlen bereits vor dem eigentlichen Record Store Day zu überteuerten Preisen über das Netz weiter.

Nach der Eröffnung 2010 war der Record Store Day in Winterthur noch ein Geheimtipp, den nur wenige kannten. Mittlerweile campen auch hier die Musikliebhaber bereits Stunden vor Ladenöffnung vor der verschlossenen Tür. Was der Winterschlussverkauf für Schnäppchenjägerinnen ist, das ist der Record Store Day für Musiknerds geworden. Die Liste mit den Releases wird jeweils erst knapp einen Monat vor dem grossen Tag bekannt gegeben. Dieses Jahr soll sie am 27. März erscheinen. Welche Bands dabei sein werden, steht noch in den Sternen. Es ist jedoch durchgesickert, dass die Organisatoren anlässlich des 10. Geburtstags ein Jubiläumsmagazin herausbringen wollen.

Der diesjährige Record Store Day findet am Samstag, 22. April 2017 statt.

Nicht nur die Platten in den Regalen werden bei Ventilator Records verkauft, dem Kunden wird auch ein Raritäten-Suchdienst angeboten. Im Prinzip hat jeder die Möglichkeit, sich über Webseiten wie discogs.com auf die Suche nach seiner Herzensplatte zu machen. Mit seiner Erfahrung und dem Hintergrundwissen ist bei Vasco Qualität garantiert. Der Zustand der Tonträger wird mit folgenden Begriffen umschrieben:

Obwohl die Zustände definiert sind, gibt es in den unterschiedlichen Ländern, verschiedene Auffassungen der einzelnen Begriffe. So werden in den USA gerne Platten als Mint bezeichnet, die gerade noch so abspielbar sind. Alles was qualitativ darunter liegt, ist gemäss Vasco oft nur noch unbrauchbar. Hingegen schreiben die Japaner schnell ein Very Good+ auf, sogar wenn die Platte noch verschweisst ist. Dies ist nur einer der Gründe, weshalb man sich beim Kauf übers Internet an den Experten wenden sollte.

Diese Plattform gehört als zusätzliche Einnahmequelle zum Plattenladen dazu. Wertvollere und damit teurere Pressungen werden in Winterthur praktisch nie über den Ladentisch verkauft. Hier ist der Kunde oft nicht bereit, so viel für eine Platte auszugeben. Im Internet hingegen, gibt es immer jemanden, der den hohen Preis zahlt. 800 Franken ist der höchste Preis, den Vasco je für eine LP erhalten hat. Die AC/DC-Platte aus seiner eigenen Sammlung hatte er relativ günstig gekauft. Das rote Vinyl fand er damals irgendwie lustig. Erst als er seine Sammlung durchging und im Internet den Wert verglich, fand er heraus, wie gefragt diese war.

Generell sind es die alten Helden, die einem Plattenladen das Überleben sichern. Noch immer sind Pink Floyd, Janis Joplin oder Black Sabbath am gefragtesten. Auch in den Vinyl-Charts UK steht immer ein Thriller oder ein Dark Side Of The Moon auf Platz eins. Anders sieht es im Indie-Bereich aus. Diese Platten verkaufen sich nur kurz nach der Veröffentlichung, danach können sie schnell einmal zum Ladenhüter werden. Während die raren Pressungen aus den 60er- oder 70er-Jahren in den nächsten Jahren wohl zu noch gesuchteren Raritäten werden, sind es bei den neueren Veröffentlichungen nur noch vereinzelte Perlen, die eine ähnliche Wertsteigerung durchleben. Zwar produziert jedes Jahrzehnt seine Raritäten, diese gleich bei der Veröffentlichung zu erkennen ist jedoch sehr schwierig.

Hier muss niemand die Katze im Sack kaufen…

…vor dem Einkauf kann jede Platte angehört werden.