White Lies am Blue Balls Festival: Englischer Abend in Luzern

In Reviews by indiespect

Das Blue Balls Festival Luzern feierte dieses Jahr die 25. Ausgabe

Bereits zum 25. mal fand währen den letzten neun Tagen, vom 21. bis 29. Juli das Blue Balls Festival statt. Mit einem bunten Stilmix und verschiedenen Konzert-Locations vermag das 1992 gegründete Festival jedes Jahr insgesamt um die 100’000 Besucher nach Luzern zu locken. Nebst den bezahlten Konzerten im grossen Saal sowie dem Luzerner Saal des Kultur- und Kongresszentrums Luzern, kurz KKL, finden auf verschiedenen Bühnen zusätzliche Gratis-Konzerte von lokalen und internationalen Acts statt. Am Freitag standen im Luzerner Saal mit Wild Beasts und White Lies zwei englische Bands auf dem Programm. Kurz vor Konzertbeginn um 20.30 Uhr war der Vorplatz des KKL sehr gut besucht, im Inneren war dafür noch jede Menge Platz vorhanden.

Wild Beasts auf dem englischen Kendal, um Sänger Hayden Thorpe eröffneten den Abend für White Lies.

Wild Beats – Wilder Name, zahme Musik

Entgegen ihrem Namen spielen die Wild Beasts keine harten Riffs oder schreien sich die Seele aus dem Leib. Vielmehr steht die Band aus Nordengland für sphärischen Dream-Pop mit einem Touch Indie-Rock. Sänger Hayden Thorpe singt fast ausschliesslich mit Kopfstimme. Über die gesamte Dauer des Auftritts hatte diese Tatsache eine etwas einschläfernde Wirkung auf manchen Zuschauer. Was zum Entspannen zuhause oder auf einer grünen Wiese als äusserst angenehm empfunden werden kann, sorgte live nicht für überschwängliche Stimmung im Saal. Abwechslung kam auf, wenn Bandkollege Tom Fleming das Mikrofon übernahm. Mit seiner tiefen Stimme schuf er einen angenehmen Kontrast zum Falsettgesang. Insgesamt war der Auftritt der Engländer sehr sympathisch und authentisch. Auch wenn die Musik nicht wirklich zu Energieschüben für das nachfolgende Konzert sorgen konnte, so boten Wild Beasts doch einen erfrischend anderen Stil, als man ihn sonst oft zu hören bekommt.

Harry McVeigh: volle Leidenschaft auf der Bühne.

White Lies: Voller Einsatz trotz Erkältung

Um 22 Uhr betraten White Lies die Bühne des Luzerner Saals. Dieser war mittlerweile besser gefüllt, wies jedoch immer noch ziemlich viele Lücken auf. Was schade für die Band und den Veranstalter ist, sorgte immerhin dafür, dass man dadurch die Freiheit erhielt, sich besser bewegen zu können. Nach dem äussert erfolgreichen Auftritt im Kaufleuten Zürich, im Oktober 2016, überraschte das Ausbleiben der Zuschauermassen jedoch schon ein wenig. Nichtsdestotrotz starteten die Engländer mit Take It Out On Me, dem Opener des aktuellen Albums Friends gutgelaunt in den Abend. Bereits beim anschliessenden Unterbruch zwischen den Stücken hustete Sänger McVeigh jedoch zum ersten Mal ziemlich heftig. Er schien nicht ganz fit zu sein. Unbeirrt fuhren die Briten mit den grossartigen Stücken There Goes Our Love Again und To Lose My Life, dem Titeltrack des Debüts von 2009 fort und brachten Stimmung ins Publikum.

Die grosse Bühne bot freie Sicht auf die gesamte Band.

Mit ihrem grandiosen Auftritt in Zürich hatten sich die White Lies selber eine ziemlich hohe Messlatte gesetzt, denn sie zeigten sich damals so gut wie noch nie zuvor. Im direkten Vergleich konnten sie dieses Niveau in Luzern nicht ganz halten. Zum einen lag das sicher am Publikum, welches wie an jedem Festival nicht nur aus White-Lies-Fans zu bestehen schien, zum anderen an der körperlichen Verfassung des Sängers. Zwar konnten sie es mit zahlreichen Klassikern wie The Price of Love, Farewell to the Fairground oder Unfinished Business begeistern, aber so richtig wollte der Funke nicht springen. Dies liess sowohl Bands als auch Zuschauer nicht ganz zur Höchstform auflaufen.

Blaues Licht am Blue Balls Festival Luzern

In der Mitte des Sets brachte Harry McVeigh seine Erkältung zum ersten Mal zur Sprache und entschuldigte sich für sein ständiges Husten. Gleichzeitig stellte er fest, wie sehr es ihnen in Luzern gefalle und dass sie sich geehrt fühlen auf dieser Bühne zu stehen. Anstatt Tee trank der Sänger zwischen den Stücken lieber ein Guiness aus der Dose. Es bleibt fraglich, ob das seiner Genesung zuträglich sein wird. Nebst den Songs vom neusten Album Friends nahm das Debüt To Lose My Life…  den grössten Teil im Set der Briten ein. So entstand ein schöner Wechsel aus der Melancholie der Anfangsjahre und fröhlichen Klängen der aktuellen Platte.

Mit Swing spielten White Lies in Luzern einen neuen Titel, welchen sie noch nicht oft auf der Bühne präsentiert hatten. Vermeintlich unauffällig lag deshalb ein Spickzettel mit dem Songtext vor McVeigh’s Füssen, von welchem immer wieder Gebrauch gemacht wurde. Solche kleine unperfekte Momente sorgen oft für den Charme eines Konzerts. Ein wahres Schlussfeuerwerk zündeten White Lies mit den letzten drei Tracks des Abends. Mit Death, Big TV und Bigger Than Us verabschiedeten sich die Londoner von der Blue-Balls-Bühne. Mit 75 Minuten fiel das Set eher kurz aus. Die Show hätte gerne einige Minuten früher beginnen und dadurch Zeit für 2-3 Stücke mehr bieten dürfen. Festivalleiter Urs Leierer verknüdete, dass die Band zwar nicht mehr auf die Bühne kommen würde, aber die Party im Hotel Schweizerhof noch bis in die frühen Morgenstunden weitergehen würde. Seine weiteren Worte gingen in lautstarken «Zugabe»-Rufen des Publikums unter. Doch die White Lies würden an diesem Abend nicht mehr auf die Bühne zurückkehren.

Bei «Swing» brauchte der Sänger einen Spickzettel mit dem Songtext.

Fazit

Verschiedene Umstände sorgten dafür, dass die White Lies nicht in Höchstform aufspielen konnten. Mit einem sichtlich angeschlagenen Sänger und einem eher zurückhaltenden Publikum konnten sie die Energie, die sie mit ihren Songs im Stande wären zu erzeugen, nicht zu 100% aufbringen. Im Vergleich zu den Konzerten der Anfangsjahre war es jedoch immer noch ein guter Auftritt. Doch die Engländer haben sich qualitativ mittlerweile so gesteigert, dass man weiss: Da geht noch mehr! Beim nächsten Mal ist McVeigh bestimmt wieder fit und kann das mit seiner Band Begeisterungsstürme im Publikum hervorrufen.

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