Interview mit Phoenix-Frontmann Thomas Mars:
Spannende Familiengeschichten und erster Auftritt in Zürich nach 12 Jahren

In Interviews, Konzert-Tipps by indiespect

Seit ihrem mit einem Grammy ausgezeichneten Album Wolfgang Amadeus Phoenix im Jahre 2009 ist die französische Band Phoenix den meisten ein Begriff. Songs wie Lisztomania oder 1901 dürfte wohl jeder schon gehört haben. Gegründet wurde Phoenix 1996 in Versailles. Seit ihrem 21-jährigen Bestehen veröffentlichten die Musiker bisher sieben Studioalben, zuletzt Ti Amo, welches dieses Jahr erschien.

In der Deutschschweiz waren die Franzosen bisher ziemlich rare Gäste. Ihren letzten Auftritt absolvierten sie Ende 2006 im Zürcher X-TRA. Knapp 12 Jahre später kehren die Indie-Pop-Helden endlich in die Limmatstadt zurück. Am 21. März 2018 treten sie im Zürcher Volkshaus auf. Es wird eine Show in verhältnismässig intimem Rahmen. Sonst treten die sympathischen Musiker eher an grossen Festivals auf. Bei einem Telefoninterview verriet Thomas Mars einige spannende Geschichten aus seinem Leben, die vielleicht den einen oder anderen überraschen werden. Zudem erzählte er, was das Zürcher Publikum im März erwarten darf und was es mit seinem roten Mikrofonkabel auf sich hat.

Wolfgang Amadeus Phoenix

Wolfgang Amadeus Phoenix brachte den Franzosen 2009 einen Grammy in der Kategorie «Best Alternative Music Album» ein

Retro-Romantik kommt beim Video von «Ti Amo» auf.

Phoenix bestehen aus Thomas Mars (Gesang), Christian Mazzalai (Gitarre), Laurent Brancowitz (Gitarre) und Deck D’Arcy (Bass). Nicht zur offiziellen Besetzung, aber trotzdem zur Phoenix-Familie gehören Thomas Hedlung (Schlagzeug) sowie Robin Coudert (Keyboard). Mars lebt zusammen mit seiner Frau, der Regisseurin Sofia Coppola, in New York, während der Grossteil seiner Bandkollegen nachwievor in Paris wohnhaft ist. Einzig ‚Branco‘, wie Laurent Brancowitz genannt wird, lebt die meiste Zeit in Italien. Wie schafft es eine Band über solche Distanzen zusammenzuarbeiten?

Ich lebe in New York City, aber ich fliege jeden Monat nach Paris. Wir arbeiten als Band noch immer in Paris. Wenn wir genügend Material zusammen haben, können wir auch etwas weiter entfernt voneinander weiterarbeiten. Sobald wir mit allem fertig sind, treffen wir uns wieder. Wir müssen uns immer wieder sehen, denn so weit entfernt ein Album zu schaffen, ist ein wirklich frustrierender Prozess. Nicht nur für die Musik, sondern auch für die Beziehung zueinander.

So ist auch das aktuelle Album Ti Amo in Paris entstanden. Dies während einer Zeit, in der Terroranschläge die französische Hauptstadt erschütterten. Die Band bekam das hautnah mit, da sie sich in diesem Moment im Studio befand. Trotzdem, oder genau deswegen, ist eine ausgesprochen fröhliche Platte entstanden. Haben Phoenix versucht alles um sich zu verdrängen?

Nein, wir wollten nicht davor flüchten oder es von uns wegschieben. Es war eher eine natürliche Reaktion zu dieser Dunkelheit. Wir versuchten einfach etwas Licht zu finden, als wir im Studio waren. Dadurch entstand eine Art Gegenmittel zu alldem.

Thomas Mars

Nebst der Musik sind auch die Familienverhältnisse im Hause Mars sehr spannend. Wie eingangs erwähnt, heiratete der Sänger 2011 die Regisseurin Sofia Coppola (Oscar-Gewinnerin, Lost in Translation). Diese wiederum ist die Tochter von Francis Ford Coppola, seines Zeichens Regisseur der Kult-Filmreihe Der Pate und Cousine des Hollywood-Schauspielers Nicolas Cage. Im Internet kursiert auf der Seite The Godfather Wiki gar das Gerücht, dass Thomas Mars als Junge selbst einen kleinen Part bei Der Pate II übernommen hätte – dies in der Rolle des Carmine Coppola. Bei dieser Erwähnung kommt der Sänger ins Stocken.

Als dieser Film gedreht wurde, gab es mich noch gar nicht. Carmine Coppola hat die Filmmusik zu «Der Pate» beigesteuert und war der Vater von Francis. Ob dieser eine Rolle im Film hatte, weiss ich nicht. Aber zumindest ist es eher unwahrscheinlich, dass er einen kleinen Jungen spielte.

Was jedoch der Wahrheit entspricht ist, dass der Onkel des Phoenix-Frontmanns kein Unbekannter ist. Zumindest im deutschen Sprachraum. Es war dies nämlich der 2015 verstorbene Literatur-Kritiker Hellmuth Karasek. Dieser hatte 2009 in einem Interview mit dem Rolling Stone über die Beziehung zum Musiker gesprochen. Auch Thomas hat noch viele Erinnerungen an seine drei deutschen Onkel.

In Deutschland ist Hellmuth eine bekannte Persönlichkeit. Er hatte noch zwei Brüder. Sie alle waren sehr unterschiedlich, aber jeder von ihnen war ein wichtiger Teil meines Lebens. Zum einen war da Peter, er war der jüngste der Brüder. Er genoss einfach sein Leben und war an Kultur interessiert – ich liebte ihn. Dann gab es Horst, der Schriftsteller war. Als ich damit begann in Englisch zu schreiben, wusste ich immer an wen ich mich wenden konnte, wenn ich Bücher oder Gedichte brauchte. Er weckte mein Interesse für die Englische Sprache. Hellmuth war eher das Lexikon. Aber ein wirklich witziges Lexikon. Nicht die Sorte, die du nur in deiner Bibliothek stehen hast, sondern diejenige, die du immer gerne rausnimmst, wenn du irgendwelche Fragen hast. Er war der Onkel, den ich leider zu wenig gesehen habe in meinem Leben. Er besass ein unglaubliches Gedächtnis, Wissen und so viel mehr. Ich habe eine gute Erinnerung an das erste Konzert, welches wir in Deutschland spielten. Es war in der Columbiahalle in Berlin. Er kam zu diesem Konzert und alle im Publikum fragten sich, was dieser Mann dort zu suchen hatte. Sie waren alle überrascht ihn dort zu sehen. Das war ein witziges und absurdes Aufeinandertreffen unserer Fans mit ihm. Er hat unsere Band immer extrem unterstützt. Bei einem unserer ersten Konzerte, welches wir in Versailles spielten, hatte es viele Leute, die sich nicht wirklich für uns interessierten. Und ich kann mich erinnern, wie er am Ende der erste war, der zu klatschen begann. Er erkannte unser Potential schon damals. Ja, er war wirklich eine herzliche und eine sehr intelligente Persönlichkeit.

Hellmuth Karasek

Auch der Onkel von Thomas Mars war kein Unbekannter. Der Literaturkritiker Hellmuth Karasek wurde durch die ZDF-Sendung «Das Literarische Quartett» mit Marcel Reich-Ranicki einem grossen Publikum bekannt. Er ist am 29. September 2015 verstorben.
© Marco Grundt

Ein Markenzeichen von Phoenix ist das rote Mikrofonkabel, welches Thomas Mars bei jedem Auftritt begleitet. Bei seinen Ausflügen ins Publikum spannt es sich gefährlich nahe über den Köpfen der Zuschauer. Doch wie kam es überhaupt zu diesem markanten Kabel?

Als wir zum ersten Mal bei Saturday Night Live spielen durften, hatten wir dieses rote Kabel auch zum ersten Mal dabei. Ich hatte das Playstation-Game «Singstar». Zwar habe ich es nie gespielt, aber ich mochte die Form des Mikrofons. Also wollte ich dieses Mikrofon auf der Bühne haben, auch wenn es wirklich extrem schlecht klang. Roman Coppola, mein Schwager, arbeitete mit uns bei einigen unserer Musikvideos. Er hat ein gutes Gefühl für Stil. Zudem weiss er was ikonisch wirkt. Er war es, der mir sagte, ich sollte ein rotes Kabel auf der Bühne verwenden. Also habe ich das einfach weiterhin gemacht. Manchmal zertrümmere ich das Mikrofon auch, weil es eine gute Möglichkeit darstellt, dem Publikum zu zeigen, dass das Konzert wirklich zu Ende ist. Wenn du keine Songs mehr hast, ist das ein klares Zeichen. Zudem muss eine Live-Show ein einzigartiges Erlebnis sein, so als ob du dein letztes Konzert spielen würdest. Im Gegensatz dazu muss ein Album nachhaltig sein. Deshalb ist das für mich Punk in seiner natürlichsten Form und nicht einfach etwas mechanisches.

Das Singstar-Mikrofon wurde zur Vorlage für das ikonische Mikrofon mit dem roten Kabel von Thomas Mars. Die Qualität des Videos ist leider ziemlich schlecht, aber die Form ist deutlich zu erkennen. Der SNL-Auftritt von 2009 verhalf Phoenix auch in den USA zum Durchbruch.

Die Jungs aus Versailles tourten seither fleissig durch die Welt. Nicht nur die USA oder Asien standen immer wieder auf dem Plan, sondern auch Festivals in Deutschland oder der Schweiz. Trotz Auftritten am Paléo Festival in Nyon (2013) und dem Montreux Jazzfestival (2017) fanden Phoenix seit 2006 nie den Weg in die Deutschschweiz. Sollten wir diesen Umstand persönlich nehmen?

Nein, nein. Wir spielen normalerweise dort, wo uns die Leute fragen. Das ist für uns das beste System. Wenn du eingeladen wirst, gehst du. Aber manchmal funktioniert es einfach nicht. Wir haben beispielsweise letzten Monat in Peru gespielt. Davor sollten wir bereits die letzten fünfzehn Jahre dort auftreten. Es gab immer jemanden der sagte: «Könnt ihr bitte zu uns kommen?». Und es hat nie funktioniert. Manchmal waren wir an einem anderen Ort oder wir waren einfach nicht nah genug. Es ist teilweise pures Glück. Wir versuchen aber auf keinen Fall dem deutschsprachigen Teil der Schweiz auszuweichen.

Für den 21. März 2018 scheint endlich das nötige Glück vorhanden gewesen zu sein. Phoenix kehren endlich nach Zürich zurück. Auf ihrer Ti Amo-Clubtour spielen sie ein Konzert im Zürcher Volkshaus. Der Tourplan der Franzosen ist nicht sonderlich lang, führt die Band jedoch von Brasilien, nach Australien, die USA, Japan, Taiwan sowie in einige europäische Städte. Thomas Mars verrät im Gespräch, was die Zürcher Fans vom Konzert erwarten dürfen.

Die ganze Tour im März spielen wir in kleineren Lokalitäten. Sie können eine sehr intime, verschwitzte Club-Performance erwarten. Das ist die Art von Auftritt, die ich gerne sehen würde, wenn ich ein Konzert besuche. Es wird kein Feuerwerk oder überall LED-Screens geben. Wir können uns also nicht dahinter verstecken. Es geht nur um die Musik. Für uns ist das die aufregendste Art aufzutreten. Wir fühlen uns so am nächsten zum Publikum.

Der Ticketpreis ist zwar ganz schön happig, doch Phoenix sind es ohne Zweifel wert. Vor allem dürfte sich die Chance nicht mehr so schnell bieten, sie in diesem vergleichsweise intimen Rahmen zu erleben. Untenstehend sind alle Informationen zum Konzert aufgeführt.

Phoenix Konzertflyer

Künstler:
Phoenix

Location: Volkshaus
Ort: Zürich

Datum: Mittwoch, 21. März 2018
Tür: 19.00 Uhr
Beginn: 20.00 Uhr
Tickets: Vorverkauf CHF 76.90

Präsentiert von
abc Production AG

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Titelbild: © Emma Le Doyen