WhoMadeWho haben im Januar ihr sechstes Studioalbum veröffentlicht. Es trägt den Titel «Through The Walls» und ist das erste Album seit «Dreams» im Jahr 2014. Letztes Wochenende startete das dänische Electro-Indie-Rock-Trio seine Tour mit dem neuen Material. Ich hatte die Möglichkeit, mit der Band vor ihrem Konzert am Sonntag im Plaza Klub in Zürich zu sprechen.
WhoMadeWho sind:
Jeppe Kjellberg (Gesang, Gitarre)
Tomas Høffding (Gesang, Bass)
Tomas Barfod (Schlagzeug)
Indiespect: Gestern habt ihr das erste Konzert der Tour am Les Hivernales in Nyon gespielt. Wie war es, die neuen Songs zu spielen?
Tomas Barfod: Es war wirklich super. Wir haben viel geprobt, aber richtig testen kannst du nur vor Publikum. Es ist der finale Test, um zu sehen, wie das Publikum reagiert und wie wir reagieren, wenn wir vor Publikum stehen. Es ist ziemlich stressig, aber auch enorm wichtig.
Tomas Høffding: Es ist die grösste Veränderung, die wir im Live-Set jemals vorgenommen haben. Wir haben bisher immer neue Alben gemacht und zwei Songs von jedem ins Set gepackt. Das hat sich ziemlich langsam entwickelt, aber wir hatten ein wirklich starkes Programm. Es war ziemlich einfach, die Songs ein bisschen nachzuwürzen und immer so weiterzumachen. Aber dieses Mal wollten wir alles noch einmal von Beginn weg neu zusammenstellen. So ist man zwar etwas unsicherer als normalerweise, aber hoffentlich wird das Set im Verlauf der Tour immer stärker werden.
Jeppe Kjellberg: Gestern hat es sich ziemlich gut angefühlt. Wir müssen einfach noch die eine oder andere Anpassung vornehmen.
Thomas Barfod: Wir hatten gestern unsern Beta-Test. Heute Abend wird es richtig gut, da bin ich sicher.
Indiespect: Euer neues Album ist elektronischer als der Vorgänger. Musstet ihr die Songs stärker für die Live-Umsetzung neu arrangieren?
Thomas Barfod: Generell sind die Live-Situation und das Studio komplett verschiedene Dinge. Natürlich möchten wir die Songs so umsetzen, wie sie auf dem Album sind, aber es macht uns auch Spass die Stücke zu nehmen und etwas komplett Neues für das Live-Erlebnis zu schaffen. So machen wir das normalerweise. Aber einige der neuen Stücke sind ziemlich schwierig zu spielen. Crystal hat zum Beispiel einen ziemlich elektronischen Gesang, den wir live nicht umsetzen können.
Indiespect: Heisst das, es bleibt elektronischer?
Thomas Barfod: Wir spielen den Song einfach nicht live.
Indiespect: Also werden einige Stücke niemals live gespielt?
Tomas Høffding: Wir haben so viele Alben. Du kannst ein Repertoire von 60 Songs haben und jeden Abend wechseln. Wir machen es eher so, dass wir eine bestimmte Anzahl Songs für eine Tour einstudieren. Wir lernen diese wirklich gut zu spielen. Dafür können wir sie auf der Bühne komplett verändern oder eine Jam-Session einbauen. Wir entdecken die Tracks neu und geben ihnen eine andere Richtung.
Jeppe Kjellberg: Auf dieser Tour spielen wir sechs neue Songs.
Tomas Barfod: Und wir spielen auch neue Versionen alter Stücke.
Indiespect: Also verändert ihr sie auch, damit euch die alten Songs nicht irgendwann langweilen?
Tomas Barfod: Das ist ein schmaler Grat. Fans sind nicht wir. Wir leben quasi mit unseren Stücken und sind fast jede Woche damit konfrontiert. Die Fans haben uns vielleicht fünf Jahre nicht gesehen. Natürlich wollen sie die Songs, die sie kennen, wieder hören. Auch wenn wir das Gefühl haben, diese seit Ewigkeiten zu spielen, kann es sein, dass sie ihn das erste Mal live hören.
Tomas Høffding: Sie haben sich in einen Track verliebt. Ich kenne das von mir selbst. Wenn ein Künstler einen Song hat, den ich wirklich liebe und es offensichtlich ist, dass er ihn mittlerweile langweilt, sodass er eine beschissene Version daraus macht, werde ich immer wütend. Ich denke was zur Hölle? Es ist eine Frage des Respekts deinem Publikum gegenüber, dass du deine Songs nicht verunstaltest, nur weil du gelangweilt davon bist. Wie Barfod sagte, es ist ein schmaler Grat. Und manchmal überschreiten wir diesen wahrscheinlich auch (lacht).
Tomas Barfod: Es ist auch unser Konzept, das zu tun.
Indiespect: Wann habt ihr euch dazu entschlossen auf der Bühne anders aufzutreten, als wenn ihr die Aufnahmen im Studio macht?
Tomas Høffding: Es war schon immer so. Wenn wir auf der Bühne stehen, sind wir Schlagzeuger, Gitarrist und Bassist. Und zwei Typen die schreien. Auf diese Weise wird unser Sound sehr stark. Wir haben bereits oft versucht unsere Live-Energie im Studio aufzunehmen, aber es klappte nicht. Es klingt einfach beschissen, wenn man es sich anhört. Am Konzert sind Leute angetrunken oder zumindest euphorisch, das ist eine komplett andere Energie. Für Konzerte wie unsere sollte die Musik energetischer und ausufernder sein.
Tomas Barfod: Ich denke, es hat bei unseren ersten Konzerten begonnen. Wir hatten nur wenige Songs, wurden aber überall in Europa gebucht. Wir mussten uns also Sachen ausdenken. Wir steckten viel Energie rein und die Leute begannen zu tanzen. Es spielte keine grosse Rolle, was wir taten, wir harmonierten einfach ausgezeichnet. Seit dann haben wir dieses Konzept beibehalten. Wenn wir einen Song auf dem Album haben, der eher sanft ist, nehmen wir ihn und spielen ihn einfach wie wir möchten.
Tomas Høffding: Auf diesem Album haben wir ein Stück namens Goodbye To All I Know. Es ist ein schöner, ruhiger Track. Wir wollten ihn zunächst wie auf dem Album spielen, aber es hat nicht funktioniert. Dann sagte Barfod: Høffe, wir haben diesen neuen Gesangs-Looper. Mach doch mal etwas wie waka-duku-waka-duku. Dann haben wir es so umgesetzt und es wurde ein komplett neuer Song. Du wirst es heute Abend sehen.
Tomas Barfod: Er entwickelte sich vom lieblichen Song zu einem unterhaltsamen, fast schon afrikanischen Rock-Track.
Indiespect: Ich habe gehört, dass du weder Rock-Musik noch Rock-Konzerte magst.
Tomas Barfod: Das ist zu 100% richtig. Ich mag eigentlich Konzerte generell nicht.
Tomas Høffding: Und er spielt nicht gern Schlagzeug. Zudem findet er es scheisse, in einer Indie-Band zu sein.
Tomas Barfod: Ich glaube wir brauchen diesen Antrieb. Wir wollen nicht einfach eine weitere Indie-Band sein.
Tomas Høffding: Ja, ich sehe das genauso. Und ich habe eine Menge Spass.
Tomas Barfod: Aber ja, es stimmt. Manchmal denke ich darüber nach, was ich von der Band halten würde, wenn ich kein Teil von WhoMadeWho wäre. Ich glaube, ich würde WhomadeWho mögen und wenn ich sowieso an einem Festival wäre, würde ich auch ein Konzert besuchen und es ziemlich cool finden. Aber ich würde keine Platten von uns kaufen… (alle lachen) Mein Geschmack ist einfach wirklich elektronisch. Aber ich liebe es in der Band zu sein und die Art wie wir auf der Bühne interagieren können. Ich liebe WhoMadeWho als Band wirklich, aber ich bin einfach ein Snob.
Tomas Høffding: Ich glaube nicht, dass du ein Snob bist. So ist die Band einfach aufgebaut. WhoMadeWho ist von niemandem von uns die Lieblingsband. Wir würden alle nicht die Alben kaufen. Wir sind wie drei verschiedene Ecken der Erde, die aufeinander treffen. Das bedeutet natürlich, dass WhoMadeWho nicht genau die Musik macht, wie ich sie gerne hätte. Ich kann meinen Drittel beisteuern und die anderen bekommen ihren. Es ist also ein Kompromiss – in einer guten Art und Weise. Wie Barfod sagte, es ist toll, wenn wir zusammen spielen. Es macht so viel Spass, auch wenn es nicht komplett unserem persönlichen Geschmack entspricht. Ich erkläre das wirklich sehr schlecht. Ich habe meinen Ursprung in der Gitarren-Musik und ich habe damals einfach traurige Lieder über die Liebe gesungen.
Manchmal denke ich darüber nach, was ich von der Band halten würde, wenn ich kein Teil von WhoMadeWho wäre. Ich glaube, ich würde WhomadeWho mögen und wenn ich sowieso an einem Festival wäre, würde ich auch ein Konzert besuchen und es ziemlich cool finden. Aber ich würde keine Platten von uns kaufenTomas Barfod, WhoMadeWho
Indiespect: Jeppe, du kommst glaube ich aus dem Jazz-Bereich…
Jeppe Kjellberg: Ja, Jazz-ish.
Indiespect: Ich denke das ist auch ein Grund, der WhoMadeWho so speziell macht. Man kann die verschiedenen Einflüsse spüren. Eure Fans scheinen auch toleranter gegenüber Experimenten zu sein, als Fans von anderen Bands.
Tomas Barfod: Wir sind extrem glücklich über die Interaktion mit unseren Fans. Sei es in den Sozialen Medien oder auf Konzerten. Es scheint fast ein spezieller Typ Mensch zu sein. Und sie sind von Land zu Land verschieden. In Deutschland, Dänemark oder Frankreich ist es eine andere Sorte Fans wie wir sie in Südamerika haben.
Indiespect: Mögen Sie auch unterschiedliche Songs?
Tomas Barfod: Auch Alben. Als wir in verschiedenen Gebieten bekannt wurden, haben die Leute völlig anders auf verschiedene Songs reagiert.
Tomas Høffding: Wir machen manchmal auch DJ-Sets. Das ist dann wirklich rein elektronisch. Wir können also vor einem Rock- und einem Elektro-Publikum auftreten. In den USA sind wir eine Club-Band. Wir haben nur eine Kick-Drum und viel Zeugs obendrauf. Das ist eine komplett andere Art zu spielen, als wenn wir in Europa sind. Das macht es für uns auch extrem inspirierend.
Indiespect: Ich kann nur für mich selber sprechen. Ich höre hauptsächlich Rock-Musik und weniger elektronische Musik. Wie habt ihr die Liebe zur elektronischen Musik für euch entdeckt?
Jeppe Kjellberg: Ich glaube unsere Band ist vor allem eine Frage der Chemie. Als wir uns zum ersten Mal im Studio trafen, fühlten wir diese spezielle Schwingung, die wir noch in keiner anderen Band gespürt hatten. Es war nicht etwas, dass wir aktiv gesucht haben, aber es war von der ersten Sekunde an einfach da. Wir haben diese sehr kraftvolle Energie zusammen. Wenn du in deinem Leben ein Geschenk wie dieses erhältst, musst du es pflegen und weiterentwickeln.
Tomas Høffding: Sehr gut und wunderschön gesagt.
Indiespect: Ihr habt auch eine Radio-Sendung namens ‚WhoMadeWho Worldwide‘ gemacht. Ich muss gestehen, ich habe versucht es mir anzuhören, aber es war einfach nicht meine Musikrichtung. Manchmal fällt es mir schwer, die Faszination für elektronische Musik zu verstehen. Einige Tracks bestehen ja wirklich nur aus einem einzigen Beat, der sich durch den gesamten Song zieht.
Tomas Høffding: Für mich war es sehr klar. Bevor ich diese Typen traf, dachte ich elektronische Musik ist scheisse. Wie du sagst, es ist nur eine beschissene Kick-Drum, was soll das? Und dann haben wir plötzlich damit begonnen an all diesen Orten zu touren. Du bist mitten in der Nacht in einem dunkeln, sexy Raum bist und du die Leute tanzen. Die Musik dabei ist extrem laut, aber deine Ohren schmerzen noch nicht davon. Da ist so viel Liebe und Sex in der Luft. Wenn du so eine Situation erlebst, ändert sich deine Meinung schlagartig. Das ist das eine, warum ich es plötzlich zu lieben begann. Bevor ich in dieser Band war und ich elektronische Musik hörte, wurde mir innerlich immer kalt. Für mich war das eine wirklich kalte Art von Musik. Wenn ich es mir aber jetzt House-Musik anhöre fühle ich mich sofort gut, energetisch und von innen gewärmt. Ich verbinde es mit so vielen Erinnerungen. Wenn du Rock spielst, hast du einfach deine Akkorde, eine Strophe und der Gitarrist spielt sein Riff. Ehrlich gesagt, ist elektronische Musik viel offener, weil es nur eine Kick-Drum ist. Du kannst einfach alles oben drauf setzen. Es ist viel offener, dynamischer und improvisierter. Das sind die zwei Dinge, die mich dazu brachten.
Bevor ich diese Typen traf, dachte ich elektronische Musik ist scheisse.Tomas Høffding, WhoMadeWho
Tomas Barfod: Es ist auch viel passiert, seit wir angefangen haben. Damals waren wir praktisch die erste Live-Band in einem Club. Es gab vielleicht LCD Soundsystem, The Rapture und Chk Chk Chk. Das waren die einzigen, die ebenfalls Club-Elemente verwendeten. Sonst gab es nur Indie-Rock und Elektro, der nicht so gut war wie heute. Elektronische Musik hat sich in den letzten zehn Jahren extrem gut entwickelt. Die Welt sieht jetzt anders aus, als zum Zeitpunkt als wir angefangen haben. Du kannst Elektro und Indie auch nicht wirklich gegenüber stellen. Wenn du auf Pitchfork schaust, ich die Hälfte elektronisch produziert. Oder bei einem guten Festival gibt es zwar Indie-Bands aber oft macht einfach der Laptop die Musik. Wir haben immer echte Live-Musik gemacht und ich denke das ist wirklich wichtig. Das macht es einzigartig. Dieser Punkt zwischen Elektro und Indie.
Tomas Høffding: Wir hatten uns gerade im Bus darüber unterhalten. Wir haben dieses neue Album aufgenommen, das wirklich sehr elektronisch ist. Ich habe einen neuen Synthesizer gebaut und viele Teile der Musik einprogrammiert. Gestern war der Auftritt etwas zu sehr von der Maschine dominiert. Unser Kern sind immer noch ein Schlagzeug, eine Bassline und Jeppe, der abgespacte Gitarren-Riffs macht.
Tomas Barfod: Das beschreibt auch einen guten elektronischen Track. Ein bass-getriebener Rhythmus und viel künstlerische Akzente oben drauf.
Indiespect: Wie ihr erwähnt habt, ist euer neues Album viel elektronischer als das letzte. Zu Beginn mochte ich es deswegen nicht so sehr, weil ich eher Rock höre. Aber man kann förmlich spüren, dass es genau die Musik ist, die ihr machen wolltet. Deshalb begann ich offener zu werden und das Album zu mögen, obwohl es nicht ganz meinem Geschmack entspricht…
Tomas Barfod: Ich glaube das ist ein sehr wichtiger Punkt. Das Schlimmste ist, wenn eine Band etwas nur halbherzig macht. Wir hatten das auch schon bei einigen Songs und sogar bei Konzerten. Du machst etwas, dass du nicht wirklich tun willst, nur weil du denkst dass die Fans, das Label oder die Bandkollegen das möchten. Dieses Mal waren wir uns bei 99% der Songs einig, die aufs Album kommen. Ich glaube es ist, wie du sagst. Egal, was du über ein Genre denkst, kannst du es respektieren. Eine gute Band oder ein guter Künstler leitet die Fans, nicht umgekehrt.
Jeppe Kjellberg: Wir haben im Verlauf der Jahre festgestellt, dass dies der einzige Weg für uns ist, damit es funktioniert. Wenn wir die Bedürfnisse anderer zufriedenstellen möchten, klappt es nie.
Indiespect: Hattet ihr denn schon Personen, die euch in eine Richtung lenken wollten?
Jeppe Kjellberg: Du hast immer ein Plattenlabel im Rücken, dass mehr Singles von dir haben möchte. Wir haben das früher versucht, aber dieses Mal haben wir uns gar nicht darum gekümmert.
Tomas Barfod: Auch wenn wir immer selbst die Kontrolle hatten, kannst du manchmal etwas unbedacht handeln, wenn du etwas jahrelang machst und du ein Management hast, dass dir hilft. Du denkst weniger über deine Entscheidungen nach. Bei diese Album haben wir uns alles gründlich überlegt. Sei es das Artwork oder Posts in den Sozialen Medien. Wir denken wieder mehr darüber nach und ich denke das ist sehr wichtig.
Wenn wir die Bedürfnisse anderer zufriedenstellen möchten, klappt es nie.Jeppe Kjellberg, WhoMadeWho
Indiespect: Wie kam das neue Artwork überhaupt zustande?
Tomas Barfod: Es war eine Zusammenarbeit zwischen dem Kerl, der unser erstes Cover gemacht hat, sein Name ist Mirko Borsche. Er ist ein bekannter Art Director aus Deutschland. Eigentlich einer der Besten. Sehr bekannt und renommiert. Er arbeitete mit einem Syrischen Künstler namens…
Jeppe Kjellberg: Ayhan Jabr. Er hat sich verschiedenste Künstler angesehen und dann diesen Typ gefunden. Er machte Collagen, die uns sehr gefielen. Ich glaube er ist aus Syrien. Manchmal können wir ihn nicht erreichen. Ich mag mich erinnern wie er sich einmal entschuldigte und sagte: Es tut mir leid, meine Stadt wurde gerade bombardiert... Eine wirklich verrückte Geschichte.
Tomas Barfod: Aber es ist schön, dass er, obwohl er sich an einem schrecklichen Ort lebt, Kunst machen kann.
Jeppe Kjellberg: Grossartige Kunst, die er in die Welt raustragen kann.