J. Bernardt: Die kühlere Alternative zu Warhaus
Vor nicht mal zwei Wochen war der erste Balthazar-Sänger mit seiner Band Warhaus in Winterthur. Maarten Devoldere spielte in einem sehr gut gefüllten Salzhaus. Jinte Deprez, der zweite Sänger, folgte gestern mit seinem Soloprojekt J. Bernardt. Mit schwarzen Vorhängen war der Raum halbiert worden und auch die Garderobe, das Mischpult sowie der Merch-Tisch wurden in diese Hälfte versetzt. Der Vorverkauf schien also bei Warhaus deutlich besser gelaufen zu sein.
Dies konnte verschiedene Gründe gehabt haben. Deprez veröffentlichte mit J. Bernardt erst ein Album und ist daher noch nicht bei vielen Musikfans auf dem Radar. Zudem ist der Stil insgesamt minimalistischer und weicht weiter von Balthazar ab, als Warhaus es tut. Zum Glück bietet das Salzhaus die Möglichkeiten, den Raum zu unterteilen. So füllte er sich bis zum Konzertbeginn doch ansehlich.
Der schwarze Mantel gehört für Balthazar-Sänger scheinbar dazu: J. Bernardt auf der Salzhaus-Bühne
Dejà-Vu’s und Unterschiede: J. Bernardt vs. Warhaus
Man kommt nicht umhin, Vergleiche zwischen den beiden Solo-Projekten der Balthazar-Frontmänner anzustellen. Jinte Deprez betritt die Bühne, wie Devoldere zwei Wochen zuvor, in einem schwarzen Mantel. Schlagzeuger und Keyboarder hat er ebenfalls dabei. Jedoch sind keine Posaunen oder Trompeten sichtbar, obwohl diese auf dem Album Running Days zu hören sind. Bei vielen Instrumental-Parts muss auf die Konserve zurückgegriffen werden. Einzelne Rhythmus-Gruppen werden mit einem Loop-Gerät eingespielt.
I asked for a towel but I got a coat.Jinte Deprez, J. Bernardt
Wie sein Bandkollege huscht Deprez wie ein Wilder über die Bühne. Kaum steht er je eine Minute am selben Ort. Für die Zuschauer in der ersten Reihe wird es zeitweise gefährlich, wenn er den Hals seiner Gitarre in einem unbändigen Moment auf Augenhöhe schwingt. Nebst Songs des Debüt-Albums spielen J. Bernardt auch bisher unveröffentlichtes Material. Der Titel The Remedy würde ausgezeichnet auf einen The Fast And The Furious-Soundtrack passen. Seinen Mantel trägt Deprez nicht sehr lange. Dafür bedeckt er sein Haupt anschliessend des Öfteren mit einem Handtuch. Scherzend meint er dazu: I asked for a towel but I got a coat.
Singend unter dem Handtuch-Mantel: Jinte Deprez in Winterthur
Spielfreude und Publikumsnähe mit J. Bernardt
Nach 10 Tracks ist das offizielle Set bereits beendet. Dies ist nicht wirklich verwunderlich, da erst ein Album auf dem Markt ist. Mit acht von zehn Songs wird dieses beinahe komplett gespielt. Eine Zugabe schüttelt Deprez dann aber doch noch aus dem Ärmel. Auch My Own Game wird um ein Solo erweitert. Extra zu diesem Zweck platziert der Tour-Manager ein Piano am vorderen Bühnenrand. Deprez tauscht seinen Platz mit dem Keyboarder. Dieser zeigt über mehrere Minuten, was er auf dem Kasten hat. Mit verzerrten Tasten-Klängen und flinken Fingern untermalt er das Stück gekonnt. Davon angetrieben, schnappt sich Deprez noch einmal die Gitarre und startet zum Abschluss eine kurze Jam-Session.
Nach den Dankes-Bekundungen ans Publikum und einem kurzen Kostümwechsel taucht der Sänger bald darauf am Merch-Tisch auf. Ausser CDs und Vinyl habe er nichts dabei, meinte er bereits während des Auftritts – man müsse also Musik kaufen. Und genau darum geht es zum Glück bei Konzerten in dieser Grössenordnung noch. Echte Musik und wahre Leidenschaft.
Ein Solo zum Abschluss. Jedem Musiker wird sein Moment im Scheinwerferlicht ermöglicht.
Fazit
Jinte Deprez setzt mit J. Bernardt auf Reduktion. Weniger Gitarren, mehr Beats. Im Zusammenspiel mit seiner samtenen Stimme überzeut das jedoch auch die Indie-Fans von Balthazar. Jetzt ist für die beiden Sänger erst einmal Schluss mit Soloprojekten. Die Arbeit an Balthazar-Album Nummer 4 steht an. Man darf gespannt sein, welche Einflüsse sie von ihren Solopfaden mitbringen. Auf jeden Fall haben beide bewiesen, dass sie vor Kreativität nur so sprudeln.