Travis am Unique Moments:
Die Schotten trotzen beim Landesmuseum Zürich erneut den Wetterprognosen

In Reviews by indiespect

Travis: Die Regenmacher aus Schottland

Seit Veröffentlichung ihres zweiten Albums The Man Who gilt die schottische Band Travis als Regenmacher. Mit ihrem Hit Why Does It Always Rain On Me? fordern sie seit damals die Wettergötter bei jedem Konzert heraus. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Prognosen für ihren Auftritt am diesjährigen Unique Moments alles andere als rosig aussahen. Beim Festival direkt beim Landesmuseum Zürich wurde gestern die zweite Veröffentlichung der Britpop-Band in den Fokus gestellt. Entgegen den dunkeln Gewitterwolken mit Regen in den Wetter-Apps konnte der Auftritt ohne einen Regentropfen und bei angenehm warmen Temperaturen über die Bühne gehen.

Das Festivalland Schweiz: Kreative Ideen sind gefragt

Hierzulande spriessen die Stadt-Festivals wie Pilze aus dem Boden. Es gibt sie in allen Grössen und Formen. Das Unique Moments hat dabei einen Trend erkannt, der sowohl für die Fans als auch für die Künstler einen besonderen Reiz hat. Der Fokus wird dabei auf ein wichtiges Album aus der Karriere gelegt, welches komplett auf die Bühne gebracht wird. Im Anschluss folgen weitere Hits aus dem Repertoire-Katalog. In beeindruckender Kulisse, zwischen den Gemäuern des Landesmuseums Zürich, finden an vier Abenden Konzerte in vergleichsweise intimen Rahmen statt. Natürlich hat das auch seinen Preis. Für ein reguläres Stehplatz-Ticket bezahlt man 98 Franken, für überdachte Sitzplätze gar 200. Wohl auch deshalb und aufgrund der schlechten Wetterprognosen war das Konzert von Travis gestern Abend nicht ausverkauft.

Nebst zahlreichen Food- und Drink-Ständen bietet das Unique Moments eine Bühne in einmaliger Kulisse.

Travis performen «The Man Who»:
Du spielst immer nur Szenen, nie den ganzen Film

Travis wurde 1990 gegründet und hat dementsprechend viel Bühnenerfahrung. Doch auch für sie ist der Auftritt speziell. Denn derzeit spielen sie zum ersten Mal ihr Hit-Album The Man Who (1999) in voller Länge und in richtiger Abfolge. Sänger Fran Healy umschreibt diese Erfahrung sehr bildhaft. Es sei wie ein Film, aus dem man seit dessen Entstehung nur einzelne Szenen, nie aber den gesamten Film gespielt hätte. Eigentlich schade, denn es lohnt sich, dieses wichtige Stück Musikgeschichte von Anfang bis Ende anzuhören. Darauf sind immerhin bekannte Stücke wie Writing To Reach You, Driftwood, Turn oder das eingangs erwähnte Why Does It Always Rain On Me? enthalten. Damit haben Travis in den 90er-Jahren den Britpop massgeblich geprägt und Bands wie Keane oder Coldplay inspiriert.

Travis

Machen seit über zwei Jahrzehnten zusammen Musik: Neil Primrose (Schlagzeug), Dougie Payne (Bass), Fran Healy (Gesang, Gitarre) und Andy Dunlop (Gitarre).

Zugegeben, eigentlich bräuchte The Man Who nicht zwingend eine spezielle Würdigung. Dessen Songs dominieren auch bei einem regulären Auftritt die Setlist. Nur einige Titel wie The Last Laugh of the Laughter, Luv oder She’s So Strange sind dabei nicht regelmässig vertreten. Das zeigt die Bedeutung, die dieses Album für die Schotten noch heute hat.

Fran Healy: Der graue Bart ist dem Schottenrock gewichen

Getreu dem Video zu Why Does It Always Rain On Me steht Sänger Fran Healy mit zum Musikclip identischem Shirt und Kilt auf der Bühne. Einzig den kleinen Irokesen hat er nicht aufleben lassen. Auch der Kilt sei nicht mehr exakt derselbe. Dieser sei über die Jahre von Motten zerfressen worden. Zwischen den Songs erzählt Healy gerne kurze Geschichten. So auch über ein Treffen mit Liam Gallagher von Oasis.  Diesen hatte er bei einem gemeinsamen Auftritt im Backstage sitzen gesehen. Gallagher habe mit Sonnenbrille in der Garderobe gesessen und Healy aufgefordert ihm etwas vorzuspielen. Also schnappte sich dieser die Gitarre und begann Luv zu singen. Als dieser zu Ende war, habe Gallagher aufgeschaut und seine Brille abgenommen. Er weinte sich die Augen aus und sagte trocken: You are weird.

Travis

Kaugummi kauen und die Haare zurück streichen gehören neben dem Bass spielen zu den Hauptaufgaben von Dougie Payne.

Nach elf Songs beginnt ein neues Konzert

Wenn ein Album zelebriert wird, gibt es wenige Überraschungen. Die Trackliste ist vorgegeben, einzig die Anekdoten von Fran Healy können dabei noch überraschen. Nach den elf Songs von The Man Who verlassen die Musiker deshalb kurz die Bühne, um zu signalisieren, dass jetzt ein neuer Teil des Abends folgt. Nur das Album zu spielen, wäre etwas knausrig. Deshalb folgen jetzt weitere Hits und seltener gespielte Stücke.

Der zweite Akt beginnt mit den vertrauten Klängen von Love Will Come Through, ab dem vierten Album 12 Memories (2003). Jetzt wird es schon etwas ausgefallener. Mit Last Train und Good Feeling folgen zwei Titel, die eher selten live zu hören sind. Last Train befindet sich auf dem dritten Album The Invisible Band (2001), welches in Sachen Hit-Dichte durchaus mit The Man Who mithalten kann. Diese werden in Form von Flowers in the Window, Side und dem neben Why Does It Always Rain On Me? bekanntesten Travis-Song Sing auch in Zürich präsentiert.

Travis

Voller Mikrofon-Einsatz bei Travis.

Kein Platz für neue Songs

Bei der Reise in die Vergangenheit kommt gezwungenermassen die Gegenwart etwas zu kurz. So werden sämtliche Alben ab 2008 mit keinem einzigen Song bedacht. Fans von Ode to J. Smith (2008), Where You Stand (2013) sowie der neusten Platte Everything at Once (2016) müssen also in den sauren Apfel beissen. Natürlich haben Travis mit Tracks wie Closer, My Eyes oder All I Want to Do is Rock, dem ältesten Song der Bandgeschichte, mehr als genug zu bieten. Doch die neueren Alben zeigen auf, dass die Schotten nicht von der Nostalgie früherer Hits leben. Sie haben auch in den letzten zehn Jahren unglaublich tolle Musik erschaffen.

Travis

Multitasking bei Andy Dunlop mit Banjo und Gitarre.

Tied to the 90’s in anderem Sinne: Travis covern Britney Spears

Als Zugabe haben sich Travis etwas ganz besonderes einfallen lassen. Statt einem Song aus dem eigenen Repertoire covern die Schotten einen Hit von Britney Spears. Deren Hit …Baby One More Time hatten sie am Vorabend einer Aufzeichnung für den Radiosender BBC in einer Bar gespielt. Am Ende haben alle Besucher mitgesungen und der anwesende Radio-Produzent nötigte die Band, den Titel auch in der Sendung am nächsten Tag zu spielen. Erste Widerrede-Versuche seitens der Band wurden ignoriert. Damals war es noch nicht üblich, dass Bands bei diesen Sessions andere Künstler coverten. Somit waren Travis die Mitbegründer der Bekannten BBC Live Lounge, bei welcher berühmte Musiker genau das tun. Das Cover findet auch beim Zürcher Publikum Anklang – der 90er-Hype lässt grüssen. Endgültig verabschieden sich Travis jedoch mit einem eigenen Track. Die Worte I’m so happy ‚cause you’re so happy hallen noch nach, als wenige Minuten nach dem Konzert der Regen einsetzt. Wie schon beim Auftritt in Arlesheim  2016 haben Travis wieder perfektes Timing bewiesen.

Travis

Fazit

Anlässlich des Unique Moments beim Landesmuseum Zürich boten Travis einen Blick in die Vergangenheit. Das einflussreichste Album der Schotten wurde gebührend gefeiert. Nebst The Man Who haben die Musiker jedoch auch in den vergangenen Jahren tolle Musik gemacht. Diese ist jedoch etwas unter dem Radar verschwunden. So kommt es, dass Travis die grossen Massen noch immer mit Songs wie Why Does It Always Rain On Me? oder Sing anlocken müssen, obwohl sie viel mehr zu bieten hätten.