Interview mit Editors-Schlagzeuger Ed Lay am Openair St. Gallen 2018

In Interviews by indiespect

Vor seinem Konzert am Openair St. Gallen nahm sich Editors-Gründungsmitglied und Schlagzeuger Ed Lay Zeit, um über heisse Konzert-Locations, die Tour durch Amerika und sein Lieblingsalbum der Editors zu sprechen.

Indiespect: Willkommen zurück in St. Gallen. Es ist schon ziemlich lange her, seit ihr das letzte Mal hier wart. Kannst du dich noch an euern letzten Auftritt am Openair St. Gallen erinnern?

Ed Lay: Wir haben versucht, uns zu erinnern, in welchem Jahr das war. Haben wir 2012 hier gespielt?

Indiespect: Es war 2009.

Lay: 2009. Wow, wirklich? Also beinahe zehn Jahr.

Indiespect: Das war euer letzter Auftritt auf der Sitterbühne. Zuvor habt ihr 2006 hier gespielt

Lay: Ja, an den Auftritt von 2006 kann ich mich noch erinnern.

Indiespect: 2009 war etwas speziell. Eure Synthesizer wurden während der Performance von «Papillon», welches damals noch nicht veröffentlicht war, vom Strom getrennt. Ihr habt die Bühne ziemlich übereilt verlassen, ohne den Song zu beenden. Niemand wusste wirklich, was passiert war.

Lay: Oh, scheisse. War es schlimm?

Indiespect: Ich habe ein Video davon, falls du es sehen möchtest…

Lay: Oh, wenn es schlimm war, will ich es lieber nicht sehen. Hoffen wir, dass es heute gut wird. Das Line-Up dieses Festivals ist immer sehr spannend. Es ist grossartig Bands wie Nine Inch Nails, Depeche Mode oder The Killers zu haben. Es hat ziemlich düstere Bands im Programm. Dadurch unterscheidet es sich von vielen anderen Festivals. Hier hat es viele Dark-Wave-Bands. Für uns ist es toll, bei diesem Festival dabei zu sein.

Editors konnten ihr Set am Openair St. Gallen 2009 nicht zu Ende spielen.

Indiespect: Habt ihr die Möglichkeit andere Bands zu sehen oder müsst ihr direkt nach euerm Auftritt abreisen?

Lay: Leider nicht. Wir haben morgen Abend ein Konzert in Dänemark. Nicht in Kopenhagen, sondern in einer Stadt namens Odense. Das ist einige Fahrstunden von Kopenhagen entfernt. Deshalb müssen wir morgen früh abfliegen, um pünktlich dort zu sein. So ist es während der Festival-Saison. Du bist die ganze Zeit in Bewegung und musst schauen, dass du an möglichst vielen guten Festivals spielen kannst. Dadurch kommt man leider nie wirklich dazu, irgendwo richtig Fuss zu fassen.

Indiespect: Ich war jetzt etwas überrascht, als du sagtest, dass ihr morgen in Dänemark spielt. Auf eurer Webseite ist das nächste angekündigte Konzert das British Summer Time in London. Dort spielt ihr mit Bands wie «The Cure» oder «Interpol» im Hyde Park. Alle Bands passen ziemlich gut zu euch…

Lay: Es ist grossartig, wenn du von The Cure angefragt wirst, ob du bei einer ihrer Shows spielen möchtest. So etwas würde man natürlich niemals ablehnen. Wir hatten immer gewisse Parallelen zu Interpol – und die spielen ja auch. Als wir angefragt wurden, hatten wir kurz den Gedanken im Hinterkopf: Sieht das gut aus, wenn wir zwei Slots vor Interpol spielen? Aber der ganze Tag ist einfach fantastisch. Da sind Goldfrapp, Interpol, Slowdive, Ride oder The Twilight Sad. Alles Bands, die wir sehr respektieren. Ich denke jeder der Acts ist begeistert Teil des Line-Ups zu sein. Und ich habe noch nie The Cure gesehen, schrecklich. Bisher hatte ich nie die Gelegenheit dazu. Entweder wir waren auf Tour, wenn sie mal Konzerte spielten oder aus anderen Gründen. Es wird dieses Jahr ihr einziger Auftritt in Europa sein. Ich glaube sie feiern 40-jähriges Jubiläum ihres Debüt-Albums. Das wird also richtig gut. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht mehr wünschen.

Editors während ihrem Auftritt am Openair St. Gallen 2018.

Indiespect: Dort hast du aber die Möglichkeit, dir das Konzert anzusehen?

Lay: Ja. Da dürfen wir bleiben. Gott sei Dank!

Indiespect: Weshalb habt ihr euch entschieden «No Sound But The Wind» auf eurer Platte «Violence» neu zu veröffentlichen? Wolltet ihr den Song nicht bloss den Twiglight-Fans überlassen?

Lay: Das war teilweise der Grund. Wie du sagst, war der Song schon seit einiger Zeit in unserem Repertoire. Aber er hatte nie wirklich den Stempel der Band. Es war immer nur Tom als Individuum. Ich weiss, auch jetzt ist nicht viel Band drin. Es hat immer noch diese lose, flüchtige Qualität. Aber es enthält ein Element von jedem von uns – und das ist wichtig. Wir tragen alle unseren Teil dazu bei, dass es ein richtiger Editors-Song wird. Das Album brauchte diesen Moment stiller Reflexion. Es enthält Songs wie Violence oder Nothingness, welche einen gewaltigen Dance-Beat enthalten. Es war gegen Ende des Prozesses, als wir uns entschieden den Song aufs Album zu nehmen. Wir haben dann ungefähr einen halben Tag daran gearbeitet. Das war grossartig. Zu diesem Zeitpunkt hat sich jeder mehr konzentriert, als bei wahrscheinlich jedem anderen Punkt der Platte.

Indiespect: Ich habe gesehen, dass Tom auf der aktuellen Tour bei fast jedem Konzert eine Akustik-Version des Songs als Zugabe spielte. Aber als ihr Ende April in Zürich aufgetreten seid, habt ihr ihn nicht gespielt. An diesem Abend war es wirklich heiss im Club. Hat das eure Entscheidung beeinflusst?

Lay: Es war wirklich unglaublich heiss. Ich weiss nicht, was an diesem Abend passiert ist.

«No Sound But The Wind» war seit Jahren im Editors-Repertoire. Dieses Jahr ist es in einer anderen Version zum ersten Mal auf einem Editors-Album veröffentlicht worden.

Indiespect: Die Ventilation der Konzert-Location war defekt.

Lay: Es war brutal heiss.

Indiespect: Wie schwierig ist es für euch, eine solche Show zu spielen?

Lay: Mir gefällt das. Ich mag keine klimatisierten Venues. Ich weiss für ein Konzertbesucher muss das ziemlich schwierig sein. Aber ich komme nicht wirklich in die Show, wenn ich nicht spüre, wie mir der Schweiss den Rücken runterläuft, während ich spiele. Ich muss danach nicht noch in eine Bar gehen oder mit meinen Freunden in die U-Bahn oder den Zug, um nachhause zu fahren. Wie ich bereits sagte, es tut mir leid für die Fans, die an ein so schweisstreibendes Konzert kommen, aber ich spüre dabei eine stärkere Verbundenheit. Ein bisschen zurück zu unseren animalischen Wurzeln. Es ist etwas ursprünglicher, an ein Konzert zu gehen, bei dem alle durchdrehen und verschwitzt sind.

Indiespect: Ich glaube, manche Leute hatten Angst, dass es euch nicht gefallen hat, weil ihr den Song dort nicht gespielt habt.

Lay: Oh nein, überhaupt nicht. Manchmal ist es einfach notwendig das Set anzupassen, je nachdem wie es sich im Raum anfühlt. Vielleicht wollten wir es an jenem Abend aber auch einfach nicht spielen. Wir variieren unser Set nur minimal. Manchmal, wenn es sich wie eine Party anfühlt, denken wir einfach, dass es die Leute stört, wenn sie plötzlich einen akustischen Song hören. Ich weiss auch nicht, wir folgen da einfach unserem Instinkt.

Das Artwork zu «Violence» stammt wie schon beim Vorgänger-Album von Künstler Rahi Rezvani.

Indiespect: Wenn ich so neben dir sitze, wirkst du wie ein ruhiger und netter Typ. Sobald du jedoch die Bühne betrittst, wirst du hinter deinem Schlagzeug zum Tier. Wie läuft diese Transformation ab? 

Lay: Ich habe immer in einer bestimmten Art und Weise Schlagzeug gespielt – immer voll drauf los. Es ist definitiv ein zweiter Charakter, den ich spiele. Das mache ich aber nicht absichtlich. Ich bin sehr reserviert im alltäglichen Leben. Zuhause habe ich ein ruhiges Leben mit meinen Kindern, in einem verschlafenen Teil des Landes. Mein Leben abseits davon, fühlt sich an wie zwei separate Identitäten. Und das gefällt mir.

Indiespect: In mehreren Interviews nannte Tom euer drittes Album als seinen Favorit. Auf «In This Light And On This Evening» hat sich euer Stil ziemlich verändert. Damit habt ihr einige Fans verloren, aber auch neue gewonnen. Ist es auch dein Lieblingsalbum?

Lay: Tatsächlich glaube ich nicht, dass es das ist. Ich mochte die Arbeit daran. Im Speziellen die Zusammenarbeit mit Flooder ist ein grossartiger Produzent. Aber ich habe während den Arbeiten an diesem Album ein wenig meinen Verstand verloren. Es war der Anfang vom Ende für die damalige Besetzung der Band – mit Chris (Urbanowicz) darin. Es gab Dinge die mich gestört haben, aber es hat auch seine Vorzüge. Tatsächlich spielen wir heute Bricks and Mortar wieder einmal. Das haben wir seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt. Es ist schön, das Stück wieder auf die Bühne zu bringen. Du gibst dem Song ein paar Jahre Pause, damit er mit neuem Elan zurückkehren kann. Ich denke, das ist ein wichtiger Teil, wenn man in einer Band ist. Zu wissen, wann man einen Song aus dem Set wirft und wann man ihn wieder zurückbringt. Ich weiss nicht welches mein Lieblingsalbum ist. Ernsthaft, ich liebe das Neue. Die Art, wie wir zusammen daran gearbeitet haben und die Leute, die uns geholfen haben es zu produzieren. Das waren Blanck Mass und Leo Abrahams. Vor allem mit Leo habe ich diese Art von Seelenverwandtschaft gespürt. Ich habe eine Menge durch ihn gelernt. Die Weise wie wir diesen Teil des Albums produziert haben, fühlt sich extrem wichtig für mich an. Auch meine persönliche Entwicklung, die damit verbunden ist. Ausserdem trifft es genau meinen Musikgeschmack. Es ist das, was ich mir gerne anhöre.

Indiespect: Es ist eine Kombination beider Welten, wenn man das Album mit euern früheren Werken vergleicht.

Lay: Ja, definitiv. Die schweren elektronischen Teile mischen sich direkt mit den Dingen die ich mag. Es hat auch etwas mehr Seele, weil es mehr richtige Instrumente als In This Light enthält. Ich finde die Balance einfach besser.

«Bricks and Mortar» war seit 2015 nicht mehr Bestandteil der Editors-Setlist.

Indiespect: In einem Interview von 2009 hast du etwas lustiges gesagt. Du wurdest Teil der Band, bevor ihr euern Namen zu Editors gewechselt habt. Doch Tom und Russel liessen dich ständig wissen, wie glücklich du sein kannst, dass du dabei bist. 2012 habt ihr zwei neue Mitglieder bekommen. Wie hat sich die Chemie seither verändert?

Lay: (lacht). Es wurde etwas einfacher für mich. Ein kleines bisschen. Ich bin nicht mehr unbedingt Russel’s kleines Haustier. Sie versuchen natürlich noch immer, mich damit aufzuziehen. Aber das ist in Ordnung. Jeder drückt der Band seinen persönlichen Stempel auf.

Indiespect: Gibt es einen Song, der in einem bestimmten Land oder einer Stadt, andere Reaktionen auslöst, als anderswo? Wo man eine spezielle Energie spüren kann?

Lay: Oh, weisst du was? A Ton of Love scheint in Italien wirklich gut zu funktionieren. Ich weiss nicht warum. Das scheint dort die grösste Single zu sein. Es ist ein Song, den wir heute Abend nicht spielen werden. Er ist nicht im Set gesetzt, wenn wir einen kürzeren Slot haben, als bei unseren eigenen Shows. Aber in Italien spielen wir ihn immer.

Indiespect: Ihr scheint ziemlich viele Akustik-Sets für Radiosender zu spielen. Habt ihr Pläne irgendwann ein «MTV Unplugged»-Album einzuspielen?

Lay: Es ist schräg. MTV Unplugged ist irgendwie etwas verschwunden. Ich weiss, dass einige Bands erst kürzlich ein Album aufgenommen haben, aber es ist nicht mehr, was es mal war. Das ist wirklich schade. In Grossbritannien gibt es die Radio 1 Live Lounge, die wirklich enorm wichtig wurde. Es sind sich also alle gewöhnt, Akustik-Versionen von Songs zu hören. Einer der einzigen Gründe, weshalb wir das tun, ist weil es günstiger ist (lacht).  Ich bin ja darin gar nicht involviert. Es ist entweder Tom und Justin am Piano oder Tom, Justin und Elliot an der Gitarre. Das wars dann. Du brauchst keine Ausrüstung mitzunehmen und kannst alles von Hand tragen. In der modernen Musik ist alles ziemlich komprimiert. Das ist eine Möglichkeit, wie du weiterhin Radio- oder TV-Sessions machen kannst. Für ein Konzert mit der gesamten Band und der kompletten Ausrüstung wäre einfach kein Geld vorhanden. Deshalb ist es für uns notwendig, das so zu lösen. Ich wäre aber nicht überrascht, wenn wir irgendwann etwas in diese Richtung machen würden, sei es ein MTV-Ding oder eine spezielles Akustik-Konzert ist.

Indiespect: Aber dann müsstest du natürlich involviert werden.

Lay: Ja, das hoffe ich. Ansonsten fühle ich mich etwas unwichtig (lacht). Wir haben mal ein Konzert in Hamburg gespielt, als Justin krank war. Er konnte die Show nicht spielen. Deshalb haben wir unser Set akustisch neu aufgebaut. Wir haben uns einen Nachmittag und einen Morgen Zeit genommen, um ein verkürztes Set zusammenzustellen, welches wir spielen konnten. Es hat sehr gut funktioniert. Es war nicht gerade der lustigste Moment für mich, weil es ein ziemlich grosser Druck war, aber es hat geklappt.

Editors

Indiespect: Ihr seid diesen Frühling durch Amerika getourt. Ihr wart davor eine lange Zeit nicht mehr dort. Wie hat sich die Rückkehr angefühlt?

Lay: Es war eine grossartige und interessante Tour. Gute Locations, gutes Publikum. Es ist wirklich eine Schande, dass wir nicht so oft in die USA zurückgekehrt sind. Wir haben zwei komplette Alben verpasst. Es ist danach nicht leicht an einen solchen Ort zurückzukommen. Die Medien heissen dich nicht mit offenen Armen zurück. Es gibt einige Leute, die sich wirklich gefreut haben, weil sie uns zehn Jahre nicht gesehen haben, aber du beginnst im Grunde wieder von vorne. Hoffentlich konnten wir dieses Mal eine kleinen Saat setzen.

Indiespect: Also habt ihr wirklich in kleineren Läden gespielt? Wie war es denn für euch in ein intimeres Umfeld als gewohnt zu gehen?

Lay: Oh ja, die waren ziemlich klein. Es war natürlich nicht das Einfachste. Ich habe kein Problem mit kleineren Konzerten, aber es ist schwierig, wenn du mit einer komplett neuen Ausrüstung spielen musst. Solche langweiligen Sachen halt. Es war in mehreren Ebenen eine harte Tour, aber ich habe es geliebt. Ich hatte eine gute Zeit und alles war sehr locker. Locker vor allem, weil es keine Sprachbarriere gab. Aber in Europa zu touren, ist noch immer das Beste. Du überquerst eine Grenze und betrittst einen Ort mit einem komplett neuen Lifestyle. Hier fühlen wir uns am glücklichsten.