Interview mit Balthazar:
Unsere Solo-Projekte verhalfen uns zu einem grösseren Publikum

In Interviews by indiespect

Balthazar sind seit fünfzehn Jahren eine Band. Letztes Jahr hat Gründungs-Mitglied Patricia Vanneste ihren Ausstieg bekanntgegeben. Ende Januar 2019 haben die Belgier ihr viertes Album mit dem Titel «Fever» veröffentlicht. Mit Tijs Delbeke hat die Band um die Sänger Maarten Devoldere und Jinte Deprez die perfekte Ergänzung gefunden. Nach mehreren Jahren mit Solo-Projekten wie «Warhaus», «J. Bernardt» und «Zimmerman» sind die Jungs wieder zusammen auf Tour. Vor ihrem ausverkauften Konzert im Plaza Klub in Zürich, sprachen Jinte und Simon über die Veränderungen und den Einfluss der Solo-Projekte.

Balthazar sind:

Maarten Devoldere (Gesang, Gitarre, Keyboard)
Jinte Deprez (Gesang, Gitarre)
Simon Casier (Bass)
Michiel Balcaen (Schlagzeug)
Tijs Delbeke (Gitarre, Keyboard, Violine, Posaune)

Indiespect: Gestern habt ihr in Lausanne ins Wochenende gestartet. Wie war der Freitagabend im «Les Docks»?

Simon Casier: Oh, dieses Konzert hat wirklich sehr Spass gemacht. Für mich war es sogar das beste Konzert der bisherigen Tour.

Indiespect: Lag das an den Besuchern oder an euch als Band?

Simon: Es war wegen mir, ja. (lacht) Das meine ich wirklich so. Für mich persönlich war es gestern eine richtig schöne Show. Das Publikum war auch super. Alle waren toll.

Jinte Deprez: Es war cool. Aber ich hatte keine Ahnung, dass gestern oder heute Wochenende war.

Indiespect: Ja, das liegt an eurem Rockstar-Leben.

Jinte: Jeden Tag ist Samstagabend.

Indiespect: Aber ihr spürt vielleicht Unterschiede im Publikum.

Jinte: Ich glaube es ist unser Job, dafür zu sorgen, dass jeder das Gefühl hat, es sei Samstagabend.

The Wombats

Maarten Devoldere, Tijs Delbeke, Michiel Balcaen, Simon Casier, Jinte Deprez (v.l.n.r.)

Indiespect: Seit Patricia die Band verlassen hat, habt ihr keine Frau mehr in euren Reihen. Hat das einen Einfluss auf euch?

Jinte: Ja, wir haben damit begonnen, unsere Haare wachsen zu lassen und wir produzieren mehr Östrogen. Wir wurden dadurch eine sanftere Band. (lacht)

Indiespect: Sanfter?

Jinte: Ja! Es ist tatsächlich weniger Testosteron im Raum. Wir müssen das ja irgendwie kompensieren. Aber es hat sich sowieso verändert. Wir sind älter und wir haben ein neues Album. Auch live fühlt es sich komplett anders an. Es ist so, als wären wir Balthazar 4.0. Es ist wahr, es hat einigen Einfluss auf uns, aber wir versuchen nicht daran zu denken. Auch als wir auf der Suche nach jemandem waren, der unsere Band wieder vollständig machen konnte. Wir suchten einfach nach einem netten Menschen, der verschiedene Instrumente spielen konnte. Das wars.

Indiespect: Wie habt ihr denn schliesslich Tijs Delbeke gefunden? Habt ihr ihn schon zuvor gekannt?

Jinte: Simon, du kennst ihn doch sehr gut.

Simon: Nein.

Jinte: Ah, du kennst ihn also nicht. (lacht)

Simon: Er spielte mit Maarten bei Warhaus. Er spielt Violine, Posaune, Gitarre und eigentlich alles andere. Er war also die richtige Besetzung. Er ist ein netter Typ und kann alles spielen.

Jinte: Ausserdem möchte er Non-Stop auf Tour sein.

Indiespect: So wie ihr.

Jinte: Wie wir, genau. Deshalb wollte das auch Patricia nicht mehr tun. Es bestimmt über dein Leben.

Balthazar

Die komplett männliche Besetzung von Balthazar während ihrem ausverkauften Konzert in Zürich.

Indiespect: Euer Support-Act ist Jasper Maekelberg mit Faces on TV. Er ist jedoch nicht bloss euer Support, sondern auch der Produzent eures letzten Albums. Zudem hat er an euern Solo-Projekten mitgearbeitet. Welchen Einfluss hatte er auf eure Musik?

Simon: Er hat das Album produziert und gemixt.

Jinte: Ich würde es glaube ich nicht Einfluss nennen. Wir haben versucht, jemanden zu finden, der uns wirklich nahe steht. Nach diesem Album werden wir auch bei weiteren mit ihm arbeiten. Er wird unser Haus-Produzent, wie es Nigel Godard für Radiohead ist oder wie The Beatles immer mit George Martin gearbeitet haben. Man kennt sich so gut, dass gegenseitiges Vertrauen herrscht und es eine sehr direkte Kommunikation gibt. Wir haben in etwas denselben Geschmack und sind aus derselben belgischen Generation. Maarten, ich und die Band wussten genau, was wir wollten. Aber er ist der perfekte Typ, um das aus uns herauszuholen und es auf dem Album perfekt klingen zu lassen. Wir sind in technischer Hinsicht etwas faul und er ist ein Technik-Nerd.

Er wird unser Haus-Produzent, wie es Nigel Godard für Radiohead ist oder wie The Beatles immer mit George Martin gearbeitet habenJinte Deprez, Balthazar

Indiespect: Du meinst, ihr seid faul geworden? Eure ersten zwei Alben habt ihr ja schliesslich selbst produziert und wisst daher, wie es geht.

Jinte: Wir sind faul geworden, das stimmt vielleicht. Wir wurden verwöhnte, reiche Motherfucker.

Indiespect: Euer neues Album hat einen afrikanischen Grundton. Dieser passt zum Cover-Artwork von «Fever», auf welchem Afrikanische Wildhunde abgebildet sind. Was kam zuerst? Der Vibe oder die Hunde?

Simon: Das Cover haben wir während den Aufnahmen ausgesucht.

Jinte: Eigentlich während dem Schreiben. Der afrikanische Grundton kommt von etwas, das wir während unseren Solo-Projekten gelernt haben. Die rhythmischen Elemente, den Groove und den Funk. Es hat Soul, R&B, aber auch afrikanische Stammes-Trommeln. Es ist eine Evolution, die wir mit Balthazar und unseren Solo-Projekten durchgemacht haben. Auf Fever kommt das alles zusammen. Es war bereits zu Beginn klar, dass wir diesen Einfluss nutzen wollten. Als wir uns wieder trafen, hatten wir eine kollektive Energie und waren extrovertierter. Also war erst der Vibe, dann das Foto. Aber so konnten wir das Foto auch erklären.

Balthazar

Maarten Devoldere nimmt ein Bad in der Menge.

Indiespect: Die Afrikanischen Wildhunde auf dem Cover sind natürlich sehr niedlich…

Simon: Die sind gefährlich. Sie würden dich bei lebendigem Leib verspeisen.

Indiespect: Habt ihr sie denn studiert, bevor ihr sie fürs Cover-Bild bestimmt habt?

Jinte: Natürlich. Wir haben gelernt, wie sie im Rudel zusammenarbeiten. Dann dachten wir: Oh, das ist perfekt. Genau wie wir das als Band machen. Es macht also durchaus Sinn.

Simon: Ausserdem sieht es wie ein Bandfoto aus. Es scheint, als würden die Hunde posieren.

Jinte: Wir haben sehr viele befreundete Fotografen, die alle sehr künstlerische Fotos machen. Die sind toll. Aber als wir sie uns ansahen, sagten wir: nein, lass uns einfach ein Bild von National Geographic verwenden. Die haben das auch lustig gefunden. (lacht) Wir haben da nicht extrem viel studiert. Es hat einfach gepasst, genau wie der Album-Titel. Wir haben nicht Non-Stop für fünf Wochen am Titel gearbeitet. Es erschien uns einfach richtig, diesen Titel zu verwenden, genauso wie das Cover. Und es sieht toll aus.

Beautiful People Will Ruin Your Life

«Fever» ist das vierte und aktuelle Album von Balthazar. Die Band hat die Afrikanischen Wildhunde in einer Ausgabe von National Geographic entdeckt.

Indiespect: In eurer Band schreiben du und Maarten die Texte. Gibt es einen Song von Warhaus, von dem du dir gewünscht hättest, er wäre von Balthazar, sodass ihr ihn zusammen spielen könnt?

Jinte: Ich glaube, es gäbe einige Songs, die man für Balthazar verwenden könnte. Aber es gibt einen Grund, warum wir die Solo-Projekte gemacht haben und es gibt auch einen Grund warum diese Songs auf diesen Alben sind. Für mich persönlich ist der grösste Unterschied zwischen einem Balthazar-Song und einem für die Solo-Projekte, dass ich alles alleine zuhause mache. Niemand kommt rein oder teilt mir seine Ideen mit. Ich weiss, was ich will, ich komme zum Ziel und das ist das Resultat. Wenn du bei Balthazar eine Idee hast, wirfst du diese in einen Pool aus ganz verschiedenen Ansichten und es kommt etwas ganz anderes dabei raus. Ich finde es spannend die Unterschiede dieser beiden Prozesse zu erleben. Natürlich gibt es eine Verbindung zwischen dem Sound unseres Solo-Materials und Balthazar. Das liegt einfach daran, weil es dieselben Songwriter, mit demselben Geschmack sind. Wir könnten wahrscheinlich jeden Solo-Song in einen Balthazar-Song übersetzen und jeden Balthazar-Song in einen Solo-Song. Aber wir machten Solo-Alben und jetzt machen wir Balthazar. So einfach ist es.

Wir könnten wahrscheinlich jeden Solo-Song in einen Balthazar-Song übersetzen und jeden Balthazar-Song in einen Solo-Song.
Aber wir machten Solo-Alben und jetzt machen wir Balthazar. So einfach ist es.Jinte Deprez, Balthazar

Indiespect: Singst du die Songs, die du schreibst immer selbst? Oder gibt es Momente in denen du merkst, dass ein Text besser zu Maarten passen würde?

Jinte: Wenn du etwas singst, fühlt es sich am ehrlichsten an, wenn es deine eigenen Worte sind. Andernfalls bist du eine Art Schauspieler. Wir haben das auch schon probiert, aber schnell wieder verworfen. Aber es ist wahr, musikalisch wissen wir nicht mehr, wer was gemacht hat. Jemand beginnt mit etwas und daraus entsteht ein gemeinschaftliches Werk. Aber ich denke, das ist etwas anderes.

Slow Motion im neuen Musik-Video zum Song «Wrong Vibration»

Indiespect: Ich habe danach gefragt, weil Maarten einmal sagte, dass ihr bei der Arbeit am neuen Album plötzlich die Rollen getauscht habt. Sein Input klang mehr nach J. Bernardt und deiner wie sein Solo-Projekt Warhaus.

Jinte: Die Solo-Projekte waren nicht die ganze Wahrheit über uns. Ich schreibe nicht nur Songs im Stil von J. Bernardt. Wrong Faces auf diesem Album klingt zum Beispiel sehr nach Warhaus, obwohl ich ihn geschrieben habe. Und er kam mit Grapefruit, einem sehr elektronischen Track. Ich dachte: was willst du tun, Mann? Wir waren müde, nur diese Musik zu schreiben. Ich sehnte mich nach Bass-Gitarre und einem richtigen Schlagzeug. Er suchte nach etwas anderem, als dem, was er mit Warhaus tat. Auf eine Weise waren die Solo-Projekte Balthazar in extremer.

Indiespect: Habt ihr lange gebraucht, um nach der Pause als Band wieder zusammenzufinden?

Simon: Wir waren nie wirklich getrennt.

Indiespect: Aber du hast nicht bei den J. Bernardt-Konzerten gespielt?

Jinte: Er hatte sein eigenes Solo-Projekt namens Zimmerman.

Simon: Und ich habe einige Male bei Warhaus mitgespielt, wenn der andere Bassist nicht konnte. Aber wir haben auch schon im Dezember 2017 mit der Arbeit am Album begonnen. Im Prozess waren alle Projekte verschwommen. Es war nicht so, dass wir uns getrennt und wieder zusammen getan haben.

Jinte: Es gab keine Zeit, in der wir einander nicht sahen. Wir war zwar eine Weile nicht in derselben Band, aber hatte noch immer unsere sozialen Verbindungen. AufTour haben wir uns sogar ziemlich oft getroffen. Wir spielten auf denselben Festival und in den gleichen Clubs. Da haben sich unsere Wege gekreuzt. Wir dachten einfach: lass uns etwas anderes tun. Wir machten es und waren stolz auf den anderen. Danach dachten wir: lass uns wieder ein Album zusammen machen. Es war also keine grosse Mühe. Wir fragten einfach: Hast du etwas Zeit? Okay, nächste Woche? Wann? 10 Uhr? Ich komme um 11.

Balthazar

Balthazar wurde vor fünfzehn Jahren gegründet.

Indiespect: Maarten hat erzählt, dass er sehr glücklich darüber war, dass ihr euer Solo-Material gegenseitig gemocht habt. Andernfalls hättet ihr vielleicht kein Album mehr zusammen machen wollen.

Jinte: Klar! Wenn ich Warhaus nicht gemocht hätte, hätten wir bestimmt kein album mit ihm gemacht – Loser! (lacht) Wir sind schon sehr lange in einer Band, ich denke dafür gibt es einen offensichtlichen Grund. Aber vielleicht haben wir uns gedacht, es wäre zu offensichtlich. Während unseren Solo-Projekten haben wir wieder gemerkt, dass wir grosse Fans vom Talent des anderen sind. Das ist der Grund, warum wir zusammen in einer Band spielen. Oh, so kitschig.

Indiespect: Wie fühlt es sich für euch an, wieder grössere Shows als auf euren Solo-Touren zu spielen?

Jinte: Sie sind grösser als auf der letzten Balthazar-Tour, das ist wirklich witzig. Es sieht so aus, als wären unsere Solo-Projekte eine zweijährige Werbe-Kampagne für diese Tour gewesen. Das Publikum ist etwas jünger geworden. Die Solo-Projekte haben vielleicht ein etwas jüngeres Publikum angesprochen und jetzt kommt alles zusammen. Es fühlt sich richtig gut an. Ein Teil der Leute, die Balthazar nicht gekannt haben, haben uns durch unsere Solo-Projekte entdeckt. Du weisst nie wie es rauskommt. Wir dachten erst, dass wir damit vielleicht unsere Karrieren ruinieren. Am Ende scheint es eine gute Entscheidung gewesen zu sein.

Während unseren Solo-Projekten haben wir wieder gemerkt, dass wir grosse Fans vom Talent des anderen sindJinte Deprez, Balthazar

Indiespect: Morgen habt ihr einen Tag frei. Was sind eure Pläne?

Simon: Wir fahren nach Bratislava.

Indiespect: Bevor ihr geht, habt ihr heute noch einen Party-Abend?

Jinte: Ja! Denn ich habe gehört, dass es Wochenende ist!

Simon: Genau wie gestern und die Tage zuvor. (lacht)

Jinte: Ein Teil von uns ist etwas krank, wie du hören kannst. Vielleicht suchen wir uns morgen also auch einen Doktor. (lacht)

Simon: Am Sonntag. In Bratislava. Viel Glück!

Jinte: Schauen wir zunächst einmal wie Medikamente und Alkohol heute Abend auf uns wirken.

Indiespect: Vielen Dank für eure Zeit!

Jinte and Simon: Danke dir, kein Problem!