Circa Waves im Interview:
Die Verwandlungskünstler aus Liverpool

In Interviews by indiespect

Circa Waves sind ein Quartett aus Liverpool. Im Moment ist die Band als Support von The Wombats auf Tour quer durch Europa. Am 5. April 2019 erscheint unter dem Titel «What’s it like over there?» ihr drittes Album. Bevor sie im Kofmehl Solothurn auf die Bühne traten, nahmen sie sich Zeit, um über die stetige Veränderung ihrer Musik, ihre Ziele und vieles mehr zu sprechen.

Circa Waves sind:

Kieran Shudall (Gesang, Gitarre)
Joe Falconer (Gitarre)
Sam Rourke (Bass)
Colin Jones (Schlagzeug)

Indiespect: Am 5. April erscheint euer neues Album «What’s it like over there?» Ich habe gelesen, dass es bereits seit Juli 2018 fertig ist. Wie fühlt es sich an, es so lange für euch zu behalten?

Sam Rourke: Es fühlt sich ziemlich komisch an. Jetzt denken wir bereits daran, was danach kommt, obwohl es noch nicht mal erschienen ist. Man beginnt bereits im Voraus etwas zu weit zu denken.

Indiespect: Wollt ihr euern Sound danach wieder verändern?

Kieran Shudall: Ich würde sagen, dass es eine sanftere Entwicklung von diesem zum nächsten Album geben wird, als es vom zweiten zum dritten der Fall ist. Ich meine, die Songs sind alle wirklich gut. (lacht)

Indiespect: Es wirkt für mich speziell, dass ihr als Support von The Wombats auftretet. Mittlerweile seid ihr doch selbst eine ziemlich grosse Band. Werdet ihr neues Material testen?

Sam: Wir spielen zwei neue Songs. Die beiden, die bereits draussen sind. Das sind die einzigen, die wir auf dieser Tour spielen.

Joe Falconer: Es ist sowieso ein ziemlich kurzes Set. Deshalb wollen wir nicht auftauchen und die Leute mit Songs, die sie noch nie gehört haben, bombardieren.

Indiespect: Wird aber noch ein weiterer Track veröffentlicht, bevor das Album rauskommt?

Kieran: Ja. Den nächsten gibts ungefähr Anfang März.

Joe Falconer, Kieran Shudall, Sam Rourke und Colin Jones (v.l.n.r.). ©Sarah Louise Bennett

Indiespect: Wird der Stil wieder ähnlich sein, wie bei den drei bisher veröffentlichten Songs?

Kieran: Nein. (lacht)

Sam: Ich würde sagen es ist der am wenigsten Circa Waves-mässige Song, den wir bisher gemacht haben.

Indiespect: In welchem Sinn? Könnt ihr das erzählen?

Kieran: Es basiert komplett auf Klavier.

Indiespect: Das ist toll für Bassisten und Gitarristen.

Kieran: Sam spielt bei diesem Stück Klavier und Joe Bass. Ich spiele die Flöte. Nein, nur ein Scherz. Es sind Klavier- und Drum-Machine-Samples. Sachen wie grosse Klatscher. Es ist wirklich anders, aber wir möchten uns selbst in neue Richtungen treiben.

Indiespect: Und dabei eure Fans testen.

Kieran: Ja! Einfach um zu sehen, wie loyal sie wirklich sind.

Circa Waves während ihrem Auftritt im Kofmehl in Solothurn.

Indiespect: In einem Interview hat Sam erzählt, dass er etwas enttäuscht war, dass es keine negativen Reaktionen gab, als ihr euer zweites Album veröffentlicht habt. Alle haben es sofort gut aufgenommen.

– alle lachen –

Sam: Oh ja. Daran kann ich mich erinnern. Ich hoffte einfach, dass die Meinungen etwas geteilter wären. Wenn du als Band wachsen möchtest, kannst du nicht immer alle mitnehmen. Dann mögen dich deine Fans nur aus einem bestimmten Grund. Wenn du dann immer nur das machst, was diese Leute wollen, wirst du dich niemals entwickeln. Wenn du einen Schritt weiterkommen möchtest, musst du die Leute auch mal verärgern.

Kieran: Sam liebt es einfach, die Leute zu provozieren. So ticket er halt.

Indiespect: Ich finde eure Entwicklung unterscheidet sich ziemlich stark von anderen Bands. Einige scheinen sich davor zu fürchten, andere Dinge auszuprobieren. Sie wollen es sich nicht mit den Fans verscherzen, die schon vom Anfang an dabei waren. Ihr scheint einfach zu machen, was ihr wollt, egal was passiert.

Kieran: Ich glaube das liegt daran, dass wir erst relativ spät einige Erfolge feiern konnten. Wir waren zuvor alle für ungefähr zehn Jahre in erfolglosen Bands. Als wir es endlich geschafft haben, dachten wir uns: Wir machen jetzt einfach das, was wir wollen. Es ist schon verrückt, überhaupt an diesen Punkt zu gelangen. Wir machen Musik für uns selbst. Wenn es den Leuten gefällt, ist das umso grossartiger. Aber alle grosse Kunst, egal von welchem Künstler, wurde in erster Linie für sich selbst gemacht. Wenn du den Ansprüchen deiner Fans gerecht werden möchtest, kann es nur bergab gehen.

Circa Waves

Circa Waves geben auch als Support-Act alles.

Indiespect: Euer Sound wird immer grösser und grösser. Entwickelt er sich auf diese Weise, weil ihr auf immer grösseren Bühnen steht?

Sam: Ja, ich denke schon. Weil wir stetig in grösseren Räumen spielen, strebt das neue Material auch das nächste Level an. Jedes Mal, wenn wir von einer Tour zurückkommen, denken wir darüber nach, wo wir sein möchten und wie das klingen soll. Bei diesem Album haben wir definitiv versucht eine Platte zu schreiben, welche dieses grössere Ebene erreicht.

Indiespect: Als ihr 2017 in Zürich aufgetreten seid, hattet ihr INHEAVEN als Support-Act mit dabei. Dem Publikum schien die Band damals sehr zu gefallen und auch die Kritiken für ihr Debüt-Album waren allesamt sehr wohlwollend. Wisst ihr was passiert ist, als sie Ende 2018 ihre Auflösung bekannt gegeben haben?

Sam: Nein, ich habe sie für lange Zeit nicht mehr gesehen. Sie haben alle zeitweise in London gewohnt und sind dann für eine Weile nach New York gegangen. Ich weiss nicht, was passiert ist.

Joe: Ich habe sie auch nicht gesehen, seit sie sich aufgelöst haben. Aber ich denke, dass sie in irgendeiner Form zurückkehren werden. Sie waren definitiv dabei, neues Material zu schreiben.

«Young Chasers» war der erste Song, der bei Radio 1 gespielt wurde. Dies hat den Stil des ersten Albums geprägt.

Indiespect: Ihr seid genau wie The Wombats eine Band aus Liverpool. Wie würdet ihr die Musikszene dieser Stadt beschreiben?

Kieran: Es fühlt sich manchmal mehr wie eine Dorf als eine Stadt an, fast wie eine kleine Insel. Du kannst in zehn Minuten durch das Stadtzentrum von Liverpool laufen und es gibt etwas sieben oder acht Konzert-Locations. Wenn du in Liverpool an einer Uni bist, findest du immer einen Ort, an dem du spielen kannst. Ich bin in Liverpool aufgewachsen. Du startest damit, in kleinen Clubs aufzutreten und dann spielst du dich Schritt für Schritt hoch, bevor du Venues mit einer Kapazität von 300 Besuchern ausverkaufst. Jeder kümmert sich um den anderen und verhilft sich zu Gigs. Ausserdem ist es ein sehr freundlicher und günstiger Ort zum leben. Du kannst also so viel Zeit mit Musik verbringen, wie nur möglich.

Indiespect: Aber ihr habt nicht an einer Kunst-Universität studiert wie die Jungs von The Wombats?

Kieran: Nein, ich bin aufs College gegangen. Ich habe es nicht an die Uni geschafft. (lacht)

Indiespect: Denkst du, dass sich Bands die aus einer Kunst-Schule kommen von Bands unterscheiden, die aus Spass angefangen haben?

Kieran: Nicht wirklich. Ich meine, ich habe auch Musik am College studiert. Die musikalische Ausbildung dreht sich mehr darum, andere Musiker zu treffen und zu lernen in einem Raum mit anderen Menschen zu spielen. Viele die das College besuchen, haben noch nie zuvor in einer Band gespielt. Man spielt Covers, lernte neue Freunde kennen und versteht wie man einen Song schreibt oder aufnimmt. Es geht nicht zwingend darum eine besonders eifrige Person zu sein.

Sam: Es gibt viele beschissene Bands, die aus Kunst-Schulen kommen, aber genauso viele grossartige Bands.

Die musikalische Ausbildung dreht sich mehr darum, andere Musiker zu treffen und zu lernen in einem Raum mit anderen Menschen zu spielenKieran Shudall, Circa Waves

Indiespect: Im April veröffentlicht ihr euer neues Album. Eine Europa-Tour ist derzeit aber noch nicht geplant. Werdet ihr dieses Jahr noch einmal zurückkommen?

Sam: Es sind Dinge in Planung. Da aber noch nichts bestätigt ist, können wir dazu noch nicht wirklich etwas sagen. Natürlich würden wir liebend gerne in Europa auf Tour gehen. Und das so schnell wie möglich.

Indiespect: Wisst ihr noch, welches eure grösste Headline-Show in der Schweiz war?

Joe: Ich glaube die einzige Headline-Show, die wir in der Schweiz gespielt haben, war in Zürich.

Kieran: Wir waren zweimal in Zürich.

Indiespect: Ja, die eine war im Mascotte und die Erste in einem Club namens Kinski. Diesen Club gibt es aber leider nicht mehr.

Kieran: Wir haben ihn dicht gemacht.

Joe: Haben wir hier schon an irgendwelchen Festivals gespielt?

Indiespect: Ich bin mir nicht sicher. Das erste Mal als ich euch sah, war am Southside Festival 2014, das findet ziemlich nahe an der Grenze statt. Als ich mich für dieses Interview vorbereitet habe, fand ich einen alten Artikel, den ich darüber schrieb. Da stand, dass ihr überrascht ausgesehen habt, dass so viele Leute am frühen Nachmittag zu euerm Konzert gekommen sind. Und dass ihr euch das Grinsen in den Gesichtern nicht verkneifen konntet, obwohl ihr cool wirken wolltet.

– alle lachen –

Das dritte Circa-Waves-Album «What’s it like over there?» erscheint am 5. April 2019. Es wird wiederum eine grosse stilistische Entwicklung im Vergleich zur zweiten Veröffentlichung geben.

Joe: Das war unser erstes grosses Festival ausserhalb von Grossbritannien, denn es fand ziemlich früh in der Festival-Saison statt. Damals waren wir erst ungefähr seit einem Jahr eine Band.

Kieran: Ich habe zu dieser Zeit oft versucht cool zu wirken und konnte meine Gefühle doch nicht verstecken. Fuck, es ist wie ein wahr gewordener Traum. Wenn du ganz am Anfang stehst, ist es einfach nur unglaublich.

Sam: Aber jetzt nicht mehr.

Kieran: Nein, nicht mehr. Jetzt ist es einfach ein verdammter Job. (lacht)

Joe: Gestern war unser erstes Konzert nach einem freien Tag. Ich war richtig erholt auf der Bühne und habe gedacht: Das ist wirklich cool, schöne Venue. Wir haben diese Gefühle noch immer.

Indiespect: Gestern habt ihr in Köln gespielt, morgen in Mailand und Ende der Woche kehrt ihr wieder in die Schweiz zurück, um in Lausanne aufzutreten.

Joe: Ja, unser Booking-Agent hasst uns. Er macht die komplette Routen-Planung.

Indiespect: Es ist wirklich faszinierend, wie schnell ihr euch entwickelt. «Young Chasers», das erste Album, war eine richtige Indie-Rock-Platte. Eure zweite Veröffentlichung «Different Creatures» war schon viel mächtiger und abwechslungsreicher. Jetzt scheint ihr euch bereits wieder zu verändern. Wieso geht das bei euch in einem solchen Tempo, verglichen mit anderen Bands?

Kieran: Ich glaube, es liegt an der Art, wie ich neue Songs schreibe. Ich schreibe Lieder in sehr vielen verschiedenen Stilen, weil ich mich nicht entscheiden kann, welcher mein Favorit ist.

Joe: Ich denke auch, dass das erste Album so war, wie es ist, weil der erste Song, den du geschrieben hast, so klang.

Kieran: Ja. Ich hatte nie Tracks wie Young Chasers geschrieben. Nur dieser eine Song war so und er wurde auf Radio 1 gespielt. Da dachte ich mir: Lass uns noch mehr Songs schreiben, die so sind. Ich finde es merkwürdig, dass es Bands gibt, die sagen: lass uns für immer diese Art von Songs schreiben. Früher haben Bands alle sechs Monate ein neues Album veröffentlicht. Damals konnte man den Stil häufiger wechseln, weil man in diesem Tempo besser damit durchkam. Aber warum das heutzutage nicht mehr Bands machen, finde ich einfach komisch. Für mich ist es natürlich, dass man sich weiterentwickeln und neue Stile ausprobieren möchte.

Circa Waves

Circa Waves wollen ihre Fanbase über die Genre-Grenzen hinaus erweitern.

Indiespect: In einem Interview habt ihr erzählt, dass Spotify und die Playlisten-Kultur dafür verantwortlich ist, dass Genres immer mehr vermischt werden. Werdet ihr also in zehn Jahren komplett anders klingen? Vielleicht seid ihr dann ein Hip-Hop-Act?

Kieran: Ja, oder wir machen Gangster-Trance. Wie Spotify und die Playlisten funktionieren, spielt uns eigentlich in die Karten. Wir sind ziemlich vielfältig und deshalb in den verschiedensten Playlisten zu finden. Aber wir machen einfach das, was uns Spass macht.

Indiespect: So erspielt ihr euch ein besser gemischte Publikum und sprecht nicht nur den Indie-Rock-Fan an.

Joe: Ja, genau. Als wir anfingen, haben uns die Leute ziemlich schnell als etwas bestimmtes abgestempelt. Ich glaube das hat niemanden von uns sonderlich gefreut. Wenn du dich nicht auf etwas bestimmtes festnageln lässt, kannst du viel schneller eine Identität entwickeln und dein eigenes Ding aufbauen.

Indiespect: Ihr habt euch entschieden wieder mit Alan Moulder zu arbeiten, dem Prouzenten von «Different Creatures». Wieso ist er der beständige Teil zwischen all eurer Dynamik?

Sam: Es gibt Produzenten, die einer Band oder einem Album ihren Stil aufdrücken wollen. Alan möchte einfach das, was wir wollen, bestmöglich umsetzen. Er versucht nicht das Album so zu machen, wie er es will. Das ist wirklich gut für uns. Denn wir haben offensichtlich eine gute Idee, wo wir hin möchten und er ist grossartig darin, diese Vision perfekt klingen zu lassen. Wir fänden es frustrierend, wenn es ein Kampf zwischen uns und dem Produzenten geben würde.

Indiespect: Vielen Dank für eure Zeit und viel Erfolg mit euerm Album!