Peter Bjorn and John in Wil:
Voller Körpereinsatz im Gare de Lion

In Reviews by indiespect

Peter Bjorn and John: Die Verwandlung zu Peter Bjorn and Lars

Zu behaupten das Schwedische Indie-Pop-Trio sei faul, wäre falsch. Mit Darker Days veröffentlichten sie im Oktober 2018 ihr achtes Studioalbum. In den knapp zwanzig Jahren ihres Bestehens, haben sie es geschafft, die Qualität zu halten und grosse Melodien zu schreiben. Wer die Band jedoch erst in den letzten zehn Jahren für sich entdeckt hat, der hatte zumindest in der Schweiz noch nie die Möglichkeit sie live zu sehen. Weder mit Gimme Some, noch mit Breakin‘ Point waren sie hierzulande auf Tour. Ihre grössten Erfolge feiern Peter Bjorn and John nämlich in Amerika, weswegen sie dort öfter anzutreffen sind. Gestern gaben sie sich nun endlich wieder einmal die Ehre. Sie spielten ein CH-exklusives Konzert im Gare de Lion in Wil. Schlagzeuger John Eriksson leidet an einem Tinnitus und muss bei Live-Auftritten passen. Als Ersatz springt auf der Europa-Tour ein alter Bekannter ein. Lars Skoglund ist nach dem Ausstieg von Eric Edman der feste Schlagzeuger von Shout Out Louds.

Peter Bjorn and John

Peter Bjorn and John im Gare de Lion.

Kein Support-Act von Nöten

Die ganz grossen Zeiten erlebten Peter Bjorn and John Mitte der 00er-Jahre. Mit Young Folks erschufen sie 2006 einen Indie-Hit, der sie schlagartig bekannt und finanziell unabhängig machte. Statt sich auf den Lorbeeren auszuruhen, erschufen die Schweden jedoch fleissig neue Musik. Zwar konnten sie nie ganz an den Über-Hit anknüpfen, doch auch mit Songs wie Second Chance fanden sie eine grosse Zuhörerschaft. Der Titel wurde als Titel-Track für die TV-Serie 2 Broke Girls verwendet. Peter Bjorn and John haben aber zwei Probleme. Da sie schon länger nicht mehr in der Gegend aufgetreten sind, konnten sie sich keine Live-Fanbase erspielen und zudem kennt sie kaum einer mit Namen. Die Songs sind beliebt und berühmt, aber die Fans, welche ein Konzert besuchen, kommen trotzdem aus der Indie-Nische. So ist es nicht sehr verwunderlich, dass an diesem Mittwochabend in Wil noch Platz für mehr Zuschauer gewesen wäre. Auf einen Support-Act wird wohl auch deshalb verzichtet. Dafür werden die Fans mit einer gut gelaunten Band belohnt.

Peter Morén

Peter Morén ist die unverkennbare Stimme von Peter Bjorn and John

Die Band, die Drake gross machte

In Nebel gehüllt, betreten die drei Schweden die Bühne des Gare de Lion. Gestartet wird ganz untypisch mit einem älteren Track vom Hit-Album Writer’s Block (2006). Let’s Call It Off war 2009 auch als Featuring auf einem Mixtape des damals noch relativ unbekannten Drake enthalten. Diese Version kam erst vor Kurzem wieder ins Gespräch, weil der Song nun auf sämtlichen Streaming-Portalen verfügbar ist und Peter Bjorn and John offiziell als Featuring-Act aufgeführt werden. Peter Moréns warme Stimme kommt ein erstes Mal bei A Long Goodbye richtig zur Geltung. Zu Breakin‘ Point, dem Vorgänger-Album von Darker Days hat die Band ein gespaltenes Verhältnis. Vier Jahre arbeiteten die Musiker mit sechs Produzenten daran und haben sich darin etwas verloren. Erstmals haben sie sich keine Grenzen gesetzt und jeden Song für sich alleine betrachtet. Auch wenn der Prozess etwas harzig war, den Tracks spürt man dies nicht an. Auch das folgende Do-Si-Do befindet sich auf jenem Album und ist ein harmonisches Meisterwerk. Leicht wie eine Feder springt Morén auf der Bühne herum, während Björn Yttling wie es sich für einen echten Bassisten gehört, mit kleineren Bewegungen zufrieden gibt.

Peter Bjorn and John

Voller Körpereinsatz vom Sänger.

Ein gutes Bauchgefühl

Den Lead-Gesang darf Yttling bei Gut Feeling übernehmen. Der Bass dröhnt laut aus den Boxen und lässt seine Stimme teilweise etwas weniger klar erscheinen. Das Trio liefert gleich einen zweiten neuen Track hinterher. Living a Dream ist ein klassischer Peter Bjorn and John-Titel. Mit seinem optimistischen Text ist auf der aktuellen Veröffentlichung jedoch deutlich in der Unterzahl. Amsterdam führt die Fans zurück ins Jahr 2006. Der perfekte Reisesong von Björn Yttling ist wohl einer der groovigsten Titel im Gesamtwerk der Schweden. Auf Gitarren wird hier beinahe komplett verzichtet. Peter Morén hält es nie lange auf der Bühne. Er nutzt den Platz davor, um sich mit wilden Gitarren- oder Perkussions-Einlagen unter die Fans zu mischen. Immer wieder sucht er alle Ecken des Gare de Lion auf. Das schafft Nähe, die bei den Zuschauern spürbar für Begeisterung sorgt. Dark Ages ist einer der düsteren Titel auf Darker Days. Melodisch lässt er einen zwar friedlich wippen, doch der Inhalt zeichnet ein düsteres Bild der heutigen Welt.

Now the dark ages are back
We all spread the disease
Brought us down to our knees
Now the dark ages are back
No world leader pretend
Could predict such an endDark Ages, Peter Bjorn and John
Peter Bjorn and John

«Dark Ages» im Nebel.

Die Reise geht mit Eyes weiter zum ersten Titel von Gimme Some (2011). Der Hall auf Moréns Stimme erinnert an Aufnahmen der 60er-Jahre. In This Town sei ein universales Stück und lasse sich auf jede Stadt, in der man spielt, ummünzen, meint der Sänger einleitend. An diesem Abend richtet sich der Track also an Wil SG. Mit einem eingängigen Riff wird Wrapped Around The Axle eröffnet. Da nickt der Kopf und klopft der Fuss, ob man will oder nicht. Was der eine mit dem Körper macht, das schafft der andere im Ohr. One For The Team ist der ultimative Ohrwurm auf dem neuen Album. Ein bisschen tiefer graben sich die Schweden mit Dig a Little Deeperoh oh-Chöre inklusive. Das ist nicht zu glatt geschliffener Indie-Pop in seiner reinsten Form. Nach dem ersten Ton erkennt man Second Chance. Der eingangs erwähnte TV-Titelsong ist ein waschechter Hit. Alleine dieser Track reichte damals aus, um das gesamte Album Gimme Some zu kaufen. Erst zuhause merkte man, dass auch der Rest der Platte überzeugt.

Peter Bjorn and John

Das Podest von Schlagzeuger Lars Skoglund wird gerne als Sprungbrett benutzt.

Eine Meeresbrise vor den Zugaben

Peter Bjorn and John schaffen es immer wieder, ganz spezielle Bilder vor dem inneren Auge hervorzurufen. Bei Up Against The Wall spürt man eine leichte Meeresbrise auf der Haut und kann die Möwen in der Ferne kreischen hören. Die Musiker bauen das Stück zu einem beinahe endlosen Instrumental-Epos aus. Sie haben offensichtlich auch nach all der Zeit die Spielfreude nicht verloren und rattern nicht einfach die Setlist runter. Es ist Zeit für eine kurze Verschnaufpause vor den Zugaben.

Eröffnet werden diese mit dem gleichnamigen Titeltrack von Breakin‘ Point (2016). Zum zehnjährigen Jubiläum von Young Folks haben die Schweden damals als kleine Hommage an ihren grössten Hit noch einmal zum Pfeifen angesetzt. Dieser folgt passenderweise direkt im Anschluss. Hier wird etwas geschummelt. Das Pfeifen kommt aus der Konserve und wird nur zwischendurch durch Live-Pfiffe von Peter Morén verstärkt. Doch man mag es ihm verzeihen, es gibt wohl kaum ein fragileres Instrument zu spielen. Wie aus einem Indie-Herzschmerz-Film entsprungen, klingt Objects Of My Affection. In einer mit diesem Song unterlegten Szene würde sich wohl der Protagonist wohl gerad über seine Fehler bewusst werden. I K Y D L M wird der letzte Song im Set abgekürzt. Ausgeschrieben heisst das I Know You Don’t Love Me. Ein eher ungewöhnlicher Track für einen Abschluss. Noch ein letztes Mal lassen die Musiker ihren Instrumenten freien Lauf. Mit vollem Einsatz beenden sie ihr erstes Konzert in der Schweiz seit zehn Jahren.

Peter Bjorn and John

Der Raum wird genutzt.

Fazit

Die Schweden sprühen noch immer vor Spielfreude. Das zeigt sich, wenn sie in einem kleinen Club auftreten, der nicht einmal ganz gefüllt ist. Sie sind diese Art von Band, die sich nicht zu schade ist, auch mal für ein kleinere Publikum zu spielen. Sie wirken dankbar, dass sie noch immer auf der Bühne stehen können und sich mit ihrer Leidenschaft den Lebensunterhalt finanzieren können. Peter Bjorn and John haben so viele Hits, dass sie das Potenzial hätten, viel grösser zu sein. Umso besser für die erschienenen Fans, dass das nicht alle wissen. So können sie ihre Helden in einem intimeren Umfeld erleben.