Interview mit Bosse:
Gestern habe ich glaube ich neun Liter getrunken.

In Interviews by indiespect

Bosse ist derzeit mit seinem Nummer-Eins-Album «Alles ist jetzt» auf Festivaltour. Am Samstag vor einer Woche machte er auch zum ersten Mal am Openair St. Gallen halt. Nach dem Telefoninterview im Herbst 2018 stand der sympathische Aki Bosse nun auch noch von Angesicht zu Angesicht für Fragen zur Hitze, Nervosität vor Auftritten und vielen weiteren Fragen zum Touralltag Rede und Antwort.

Indiespect: Ich habe euch vorhin mit Badehosen gesehen. Wart ihr bereits schwimmen?

Bosse: Wir waren schwimmen, ja. Endlich.

Indiespect: In der Sitter?

Bosse: Ja, aber oben, über dem Urin. Es ist im Moment wirklich ein bisschen wie Urlaub. In der Schweiz finde ich oft, dass es immer nicht so weit ist bis zum besten Badesee, den man je in seinem Leben gesehen hat. Oder es ist ein klarer Fluss da oder ein Bach. Sobald da was ist, frage ich immer ob man da schwimmen kann und dann bin ich auch der Erste, der drin ist.

Indiespect: Am Openair St. Gallen hast du noch nie gespielt, oder?

Bosse: Noch nie gespielt, aber ich war hier schon einmal als Backliner. Ich weiss nicht mehr von wem, aber ich hab hier offenbar schon mal Gitarren aufgebaut. Es könnte sogar sein, dass es Farin Urlaub war, bin aber unsicher.

Indiespect: Heute hast du ihn aber noch nicht gesehen?

Bosse: Habe ich noch nicht gesehen, ne. Ich weiss auch nicht, ob die Ärzte jetzt schon hier sind. Die kommen wahrscheinlich später mit dem Hubschrauber reingeflogen. Nein Quatsch.

Bosse

Aki Bosse spielt in Deutschland längst in der obersten Liga mit, bei den Schweizern kämpft er noch um die Gunst.

Indiespect: Auf Tour trinkst du gar keinen Alkohol, ist das richtig? Hältst du das auch durch, wenn du an einem Festival spielst und danach mehrere Tage frei hast?

Bosse: Ich halte das schon ganz gut durch. Im Sommer bin ich aber auch etwas lockerer. Seit die Karte mehr kostet als fünf Euro, habe ich irgendwann gedacht, es ist total unfair, verkatert beim vierten Konzert auf die Bühne zu gehen. Weil man dann doch nicht mehr so viel Kapazität hat, irgendwie. Ich denk dann immer, dass die Leute das merken, auch wenn das vielleicht nicht so wäre. Es geht mir einfach darum, wenn man 30 Konzerte am Stück spielt, mit ein bisschen Pause zwischendrin, dann muss ich schon einigermassen brav sein, damit ich das überhaupt noch körperlich durchhalte. Wenn ich noch saufen, Drogen nehmen oder mich ganz beschissen ernähren würde, würde ich das glaube ich nicht mehr durchhalten. Ich merk das jetzt schon immer im Körper, dass ich keine 23 mehr bin.

Indiespect: Du springst ja auch immer wie wild auf der Bühne rum. Da verlierst du einige Kilos. Damit du genügend Reserven hast, musst du zuhause sicher genügend essen.

Bosse: Das ist eine richtig sportliche Erfahrung. Es gibt eine deutsche Tennisspielerin, Andra Petkovic, mit der spreche ich manchmal. Dabei ist mir aufgefallen, dass meine Ernährung und mein Tagesrhythmus wenn ich auf Tour bin, ein bisschen ähnlich sind, wie bei so einer Profispielerin, ohne dass ich mir das habe auschecken lassen. Viel Schlaf, wenig Kohlenhydrate, viel Vitamine, viel Sport vorher um sich warmzulaufen. Das muss ich schon machen.

Mit dem Moped und Vokuhila durch die Hometown. Bosse in seinem neuen Musikvideo «Hallo Hometown».

Indiespect: Auch wenn es so heiss ist wie heute?

Bosse: Heute hält es sich in Grenzen, ich gehe zumindest nicht Joggen. Aber ich habe gestern Abend auch schon wieder so zweieinhalb Stunden getanzt, das reicht mir dann erst Mal. Ich hab gestern glaube ich so neun Liter getrunken. Auf der Bühne allein wahrscheinlich schon vier oder fünf.

Indiespect: Und wahrscheinlich direkt wieder rausgeschwitzt.

Bosse: Ja, da sofort. Das kriegen dann die Leute aus der ersten Reihe ab.

Indiespect: Dann musst du gar nicht mehr auf die Toilette.

Bosse: Nein, nein. Ich muss nie mehr auf die Toilette. Seitdem ich Musik mache bin ich nicht mehr aufs Klo (lacht).

Ich hab gestern glaube ich so neun Liter getrunken.
Auf der Bühne allein wahrscheinlich schon vier oder fünfBosse

Indiespect: Stehst du vor einer Tour und im Anschluss auf die Waage und schaust wie viele Kilos du verloren hast?

Bosse: Nein, ich habe gar keine Waage. Aber ich merk das dann schon. Früher bin ich von der Tour gekommen und hatte den Hänger und den Blues meines Lebens, weil ich irgendwie so viel Alkohol drin hatte und so viel gefeiert habe. Da hatte ich immer das Gefühl, dass die Fitness wieder aufgebaut werden muss, damit ich ein normales Leben führen kann. Erst einmal drei Wochen schlafen danach und so. Heute ist es so, ich komme von der Tour, bin fit und nicht müde. Ich muss sagen, nach einer eigenen Tour nicht, weil da hängt auch immer ganz viel Verantwortung bei uns allen. Das sind Abende, an denen man Gastgeber und Gastgeberin ist. Aber an so Tagen wie heute gebe ich die Verantwortung eben auch gerne mal an ein Festival-Team ab und an alle die hier teilweise auch umsonst mitarbeiten. So gehe ich gerne als Gast eine Stunde auf die Bühne. So fühlt es sich natürlich noch viel mehr an wie ein wirklicher Urlaub.

Indiespect: Bei unserem letzten Gespräch haben wir über das Verhältnis deiner Konzerte in Deutschland und der Schweiz gesprochen. Du hast gesagt, dass es sich hier anfühlt wie vor sieben bis acht Jahren in Deutschland. Hast du das Gefühl, dass dich bei einem Festivalpublikum in der Schweiz viele noch nicht kennen?

Bosse: Ich kann es immer nicht so richtig einschätzen. Kannst du es einschätzen? Ich weiss es ehrlich gesagt nicht.

Indiespect: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dich heutzutage nicht kennt.

Bosse

Bosse hat keinen Grund für Selbstzweifel. Die Sternenbühne am Openair St. Gallen ist bei seiner Premiere bis hinten gefüllt.

Bosse: Es ist auf jeden Fall so wie früher das Gefühl beim Geldautomaten. Als wäre man irgendwie immer knietief im Dispo, aber er bringt noch was. Manchmal ist es heute noch so, obwohl ich weiss, ich bin auf der sicheren Seite. Dann gehe ich da hin und habe immer noch so ein komisches Zucken manchmal, als ob man um irgendwas kämpfen müsste. Das Gefühl habe ich schon immer, je südlicher man kommt. Das hatte ich sogar auf dem Southside. Dort haben wir vor 45’000 Leuten gespielt und ich habe mich trotzdem vorher gefragt, ob jemand kommt. Es ist Wahnsinn, aber es ist so.

Indiespect: Da sind die Leute aber doch sehr textsicher bei deinen Songs.

Bosse: Ganz textsicher, genau. Dann stehe ich auf der Bühne und freue mich so, als hätte ich gerade den Sechser im Lotto gewonnen. Dann sagen meine Bandkollegen immer: Das war doch aber klar, dass das hier so ist. Und ich antworte dann: Ja, aber irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl. In der Schweiz ist es auch so. Wir haben hier noch nicht so oft gespielt. Ich kann es nicht sagen, wie das heute wird.

Dann gehe ich da hin und habe immer noch so ein komisches Zucken manchmal, als ob man um irgendwas kämpfen müsste. Das Gefühl habe ich schon immer, je südlicher man kommtBosse

Indiespect: In Zürich hast du Connections mit den Damen von BOY. Hast du hier in der Region auch irgendwelche Bezugspunkte? Kennst du St. Gallen überhaupt?

Bosse: Ne, kenne ich wirklich gar nicht. Ich kenne sonst die Schweiz eigentlich ganz gut. Ich habe mit BOY ja auch schon hier getourt. Von meiner Kindheit bis heute war ich öfter mal in der Schweiz, hab auch sogar Verwandte hier. Aber es ist so, das ich in St. Gallen noch nie war. Ich war immer auf der anderen Seite.

Indiespect: Gespielt hast du in den letzten Jahren ja nur in Zürich – im Exil und im Dynamo.

Bosse: Genau. In Bern habe ich schon gespielt, im La Catrina auch schon. Das ist glaube ich auch in Zürich, oder?

Indiespect: Ja, das gibts aber mittlerweile nicht mehr.

Bosse: Ah ja, da im Puff irgendwo.

Bosse

«Alles ist Jetzt» ist im Oktober 2018 erschienen und schaffte es in Deutschland ganz an die Spitze der Albumcharts.

Indiespect: Das ist jetzt ein krasser Themenwechsel. Du setzt dich sozial und politisch stark ein. Derzeit sind Rammstein wieder ein grosses Thema. Und immer wenn etwas neues kommt, sind die Skandale vorprogrammiert. Wie stehst du zur Band und ihrer provokativen Veröffentlichungs-Strategie?

Bosse: Rammstein ist meiner Meinung nach wirklich eine linke Band. Das war auch schon immer so. Wenn man die Geschichte aus der früheren DDR kennt und wo die herkommen, dann ist das ganz klar. Dass sie aber, wie Hip Hopper das wahrscheinlich erfunden haben, damit spielen zu schockieren und wieder zurückzukommen, ist eigentlich ein ganz guter Trick. Durch die erste Single ging ja wieder so ein kleiner Schnipsel durch die Medien. Dann wird es eben zwei Tage später aufgelöst und es ist einfach ein total tolles Video. Aber der Schnipsel der erst mal verbreitet wird, ist natürlich so gewählt, dass man es schafft, damit wieder in die Tagesthemen zu kommen. Das ist einfach ein strategischer Trick, den ich für mich nicht brauche. Trotzdem würde ich diese Band jetzt niemals in die rechte Ecke stellen, sondern eher ins Gegenteil. Ich weiss auch, dass sich die Band sowohl finanziell als auch sonst ziemlich stark einsetzt für gute Sachen. Es ist eine sehr sehr schlaue Band, glaube ich.

Indiespect: Bei gewissen Leuten darf man nicht mal sagen, dass man sie hört. Wenn man sich nicht mit der Band beschäftigt, kann man halt schnell ein falsches Bild haben.

Bosse: Also irgendwas schwingt da halt trotzdem mit. Das ist dann glaube ich einfach der Trick.

Mit einer provokativen Teaserkampagne haben Rammstein ihr erstes Video vom neuen Album angekündigt.

Indiespect: Wenn du im Backstage eines Festivals bist, triffst du da viele andere Künstler?

Bosse: Es kommt immer so darauf an. Aber man hat ja gar nicht so viele andere Möglichkeiten. Egal ob ich die Bands schon länger kenne oder gar nicht, man hängt dann doch irgendwie miteinander ab. Heute kenne ich aber schon ganz schöne viele Leute. Aber wie gesagt, die Ärzte sind noch nicht da. Das wären so meine grössten Vertrauten hier. Ansonsten Querbeat, Bausa, die Parcels, kenne ich irgendwie alle.

Indiespect: Parcels spielen heute ja parallel zu den Ärzten.

Bosse: Ja, genau. Haben sie Glück gehabt. Haben sie toll gebucht, dankeschön (lacht).

Indiespect: Ihr habt jetzt auch noch einige Tage frei bis zum Kosmonaut Festival nächste Woche. Fahrt ihr heute noch zurück?

Bosse: Um 0 Uhr fahren wir zurück.

Indiespect: Also nach den Ärzten?

Bosse: Ja, genau. wir fahren um 0 Uhr. Das ist immer so Busfahrer-Geschäft. Der Busfahrer muss jetzt gerade schlafen und um 0 kann er wieder fahren bis nach Deutschland irgendwo.

Egal ob ich die Bands schon länger kenne oder gar nicht, man hängt dann doch irgendwie miteinander ab.Bosse über den Backstage bei Festivals

Indiespect: Das heisst er muss jetzt schlafen, während hier die Party steigt.

Bosse: Ja, aber er findet es mega gut. Der hat schon genug Musik gehört in seinem Leben. Der liegt jetzt gerade in seiner Koje und pennt. Irgendwann steht er auf, zu meiner Show meistens. Um noch einmal kurz zu gucken. Dann geht er wieder ins Bett. Die Nacht fährt er dann durch.

Indiespect: Wo fahrt ihr denn genau hin?

Bosse: Ich habe ein Lager in Kassel. Das ist ungefähr die Mitte in Deutschland. Dort wird dann ausgeladen und von da aus geht es nachhause.

Sehr Hörenswert: Bosse im Interview-Podcast «Hotel Matze»

Indiespect: Aktuell sind Podcast ein grosses Thema. Dank deinem Besuch habe ich den Interview-Podcast «Hotel Matze» entdeckt. Hörst du dir selbst auch Podcasts an oder hast du dafür keine Zeit?

Bosse: Super Podcast. Ich höre immer sonntags Fest & Flauschig. Und ich höre im Moment ziemlich viel ZEIT Verbrechen. Das finde ich toll. Ist super recherchiert und das höre ich immer, wenn ich ein Regal zusammenschraube oder im Garten Blumen giesse. Ansonsten finde ich Hotel Matze im Moment fast am Stärksten. Den Typen kenne ich schon ewig und ich fand ihn immer schon einen tollen Journalisten. Der bringt da so eine Ruhe mit. Es findet eigentlich auch immer im selben Raum statt, ausser bei Stuckrad-Barre war es in einem Hotel – das merkt man auch gleich. Er hat eine ziemlich gute Art zu fragen und lässt sich Zeit. Irgendwie erzählen die Leute da immer mehr, als sie sonst erzählen würden.

Indiespect: Er hat ja auch ein offenes Zeitfenster. Dein Gespräch dauerte ja auch über zwei Stunden.

Bosse: Ja, Alter. Das war total lang. Ich war auch so müde, er auch eigentlich. Wir haben gesagt, komm machen wir mal so ne Stunde. Irgendwann merkten wir, Alter, das waren jetzt wieder zweieinhalb Stunden, dann wurde noch ’ne halbe weggeschnitten.

Ich höre im Moment ziemlich viel ZEIT Verbrechen. Das finde ich toll. Ist super recherchiert und das höre ich immer, wenn ich ein Regal zusammenschraube oder im Garten Blumen giesseBosse über Podcasts

Indiespect: Hast du die letzte Folge mit Charlotte Roche schon gehört?

Bosse: Die habe ich noch nicht gehört.

Indiespect: Ich fand sie immer schwierig einzuordnen, aber das Gespräch war echt beeindruckend.

Bosse: Ja, die ist toll, ne? Ihren neuen Podcast musst du dann auch mal hören. Mit ihrem Mann. Ich hab bisher nur einen Trailer gehört und weiss nicht so recht wo es hingeht, aber ich glaube, dass die beiden ziemlich cool sind.

Bosse

Bosse bei seinem Auftritt am Openair St. Gallen 2019

Indiespect: Charlotte Roche und ihr Mann haben sich bisher immer von der Öffentlichkeit abgeschirmt und jetzt können sie erzählen, was sie wollen und nehmen so der Boulevard-Presse den Wind aus den Segeln. Hast du selbst auch schon mal schlechte Erfahrungen mit der Klatschpresse gemacht?

Bosse: Ne, gar nicht. Ich glaube das ist in Deutschland so, dass man, wenn man das möchte, mit ihnen machen kann. Und es sich mit ihnen auch irgendwie versauen. Ich bin da aber so der am wenigsten relevante Typ, den die jetzt noch gebrauchen können. Ich brauch das nicht. Das ist aber eigentlich auch schon immer mein Trick. Ich bin keine Fernsehfresse, bin auch nicht so ein erfolgreicher Monster-Mega-Popstar. Ich bin immer etwas unter dem Radar und habe dadurch schön meine Ruhe.

Indiespect: Wo du «Fest & Flauschig» erwähnst. Du warst ja auch als Gast bei der «Prism is a Dancer»-Show von Jan Böhmermann. Da wurde dein Fan Luisa in einer Fake-Hochzeitszeremonie mit Model Nico Schwanz verheiratet und du hast gesungen. Sie und ihre Schwester sind ja beinahe an jedem Konzert. Wie ist das Verhältnis zwischen Fan und Künstler in diesem Falle?

Bosse: Es gibt glaube ich echt einen Unterschied zwischen Fans und Fans. Ich kenne Künstler aus Deutschland, die haben so Leute, die eher stalkermässig sind. Bei den beiden ist das anders. Das sind zwei ganz nette Studentinnen aus Leipzig, die einfach die Musik lieben und irgendwie immer da sind. Ich freu mich auch jedes Mal, weil das irgendwie Glück bringt. Ansonsten ist es schon so, wenn es Winter ist und sie vor der Halle stehen in der Früh, dann holen wir sie rein und geben denen Essen und Trinken.

Luisa und ihre Schwester sind bei fast jedem Bosse-Konzert dabei. In Jan Böhmermanns «Prism is a Dancer»-Show wurde sie von Bosse überrascht. Quelle: Facebook

Indiespect: Ich frage mich einfach immer, wie kann man sich das Leisten und sich die Zeit nehmen, um als Fan eine komplette Tour zu besuchen.

Bosse: Ich glaube das ist so ähnlich, wie in meinen ersten 20 Jahren, als ich Musik gemacht habe. Sie gehen dafür jobben, damit sie das machen können. Dann schreiben sie im Regionalexpress ihre Hausarbeiten, wenn sie zu uns hinfahren.

Indiespect: Magst du dich erinnern, wann du zum letzten Mal auf einem Campingplatz warst?

Bosse: Ich hab so einen Wohnwagen an der Elbe in Hamburg, in dem ich super oft penne. Das noble Zelten ist ja das Wohnmobil. Meins ist zwar sehr abgefuckt, aber ich penne da doch ziemlich oft. Sonst zelte ich immer gerne auf Amrum. Das letzte Mal als ich gezeltet habe war in Le Pin Sec in Frankreich.

Indiespect: Also eher schöne Campingplätze und weniger an Festivals?

Bosse: Ach so. Ja, auf Festivals habe ich glaube ich in meinem ganzen Leben zwei- bis dreimal gezeltet. Sonst immer hinter der Bühne gearbeitet oder war mit irgendwelchen Bands unterwegs. Ich glaube Roskilde habe ich mal gemacht und Rock am Ring. Was war das noch? Irgendwas Kleines, irgend so ein Hippie-Festival. Ich find zelten aber immer noch ganz korrekt. Mag das.

Auf Festivals habe ich glaube ich in meinem ganzen Leben zwei- bis dreimal gezeltet.
Sonst immer hinter der Bühne gearbeitet.Bosse über das Campen an Festivals

Indiespect: Jetzt bei dieser Hitze würdest du wohl fast sterben.

Bosse: Ja, jetzt stirbst du. Dann gibts hier natürlich auch noch die Hanglage. Wenn du falsch liegst, wenn du besoffen bist, ist der Kopf ganz gross und der Körper ganz blutleer.

Bosse

Das Zelten überlässt er anderen. Bosse campt lieber mit seinem Wohnmobil.

Indiespect: Dein Album ist im letzten Herbst erschienen. Seither warst du fleissig auf Tour in Clubs, Hallen und Festivals. Wie haben sich die neuen Songs seither für dich verändert?

Bosse: Es fängt dann an wieder Sinn zu machen. Es macht immer Sinn, wenn man schreibt. Dort gibt es einen Moment, bei dem ich denke: Der kommt irgendwie mit. Dann gibts auch oft Momente, bei denen ich denke: Ah, der kommt leider nicht mit. Die 11 bis 12 Songs auf dem Album sind dann schon die, bei denen ich körperlich etwas fühle. Dieses Gefühl geht aber immer ganz schnell wieder weg. Man muss sich das im Moment merken, als man es hatte. Danach gehts dann um total unwichtige Sachen wie: Ich glaube die Bassdrum müssen wir hier noch einmal etwas grösser machen, damit die noch etwas so und so klingt. Dann verliert man ganz oft das Gefühl, warum man den Song eigentlich gemacht hat, weil man sich auf anderen Wegen befindet, die etwas mit Produktion zu tun haben. Da gehe ich auch oft einen Espresso trinken und sag: Fuck off. Ich will das nicht verlieren und kann das jetzt nicht 800 Mal hören bevor die Platte rauskommt, mache es aber doch. Dann fangen die Songs an wieder Sinn zu machen. Das erste Mal wenn die Platte draussen ist und die Leute mir dazu schreiben. Das ist dann oft dasselbe Gefühl, das ich hatte, als ich das Ding geschrieben habe. Daran erinnere ich mich, weil ich es in dem Moment aufgeschrieben hab. Wenn sie es mitsingen und ich sie angucken kann. Da merke ich: Oh krass. Das berührt die gerade.

Indiespect: Das heisst du hast ein Songtagebuch, in welches du deine Gefühle schreibst? Du weisst also bei jedem Song, in welcher Stimmung du ihn geschrieben hast?

Bosse: Ja, schon. Manchmal ist es auch nur ein Moment. Wenn der Ton das Wort trifft, wenn ich vom dritten Refrain in irgend einen C-Teil gehe. Wenn ich merk, dass da was war und das so bleiben muss. Das darf sich auch in der Bassdrum-Zeit nicht verändern.

Die 11 bis 12 Songs auf dem Album sind dann schon die, bei denen ich körperlich etwas fühleBosse über die Entstehung eines Albums

Indiespect: Bei Festivals musst du deine Show immer auf ein Best-of-Set reduzieren. Wie entscheidest du, welche der neuen Songs du im Set behältst? Nimmst du einfach die neuen Singles?

Bosse: Ne, die neue Single spielen wir zum Beispiel gar nicht. Weil die live einfach auch gar nicht so geil ist, wie ich finde. Ich weiss eben schon, wo sich die Leute mehr bewegen, wo man aber auch mal etwas Zeit braucht, damit es nicht zu heiss wird oder so. So kann ich das Ding dann fahren. Heute spielen wir glaube ich dasselbe, was wir auch beim Hurricane und Southside gespielt haben, weil es einigermassen unschlagbar war.

Roskilde Festival

Das Roskilde Festival in Dänemark ist Bosses Lieblingsfestival. Quelle: Roskilde Festival

Indiespect: Ich habe nur noch eine Abschlussfrage. Hast du ein persönliches Lieblingsfestival?

Bosse: Ich glaube schon. Da war ich nur einmal, aber das fand ich von allen am krassesten – das Roskilde.

Indiespect: Hast du da gearbeitet?

Bosse: Ne, da habe ich geguckt. Und sogar gezeltet, fällt mir gerade ein. Das ist aber schon tausend Jahre her. Ich liebe dieses Festival, weil es ganz bunt ist, so wie hier eigentlich auch. Verschiedene Musikrichtungen und Genres. Aber damals hat Robbie Williams in seiner Hochzeit alles lang gemacht. Das war echt ein Wahnsinn. Da lagen sich Metaller und Hip Hopper in den Armen und haben diesen Typen gefeiert. Irgendwie fand ich Roskilde bis jetzt am krassesten. Ich glaube ganz viele deutschsprachige Festivals haben sich daran auch ein Beispiel genommen, weil sie es sehr früh gut und nett gemacht haben. Auch kinderfreundlich aber trotzdem auch sauffreundlich. Da waren glaube ich schon 200’000 Leute da. Also wirklich riesig, aber einfach gut.