Wilco im Volkshaus Zürich: Melodien zwischen Harmonie und Chaos

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Wilco: Eine Ode an die Freude

Am 4. Oktober bringen die mehrfachen Grammy-Gewinner aus Chicago ihr elftes Studioalbum Ode To Joy auf den Markt. Es ist trotz des Titels keine Neuauflage der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven und dessen Ode an die Freude. Dafür enthält es elf neue Songs, die das abwechslungsreiche Klangspektrum der Band erweitern. Mit zwei sehr gelungenen Vorab-Veröffentlichungen schüren die Amerikaner die Vorfreude. Love Is Everywhere (Beware) gab es bereits im Juli zu hören, zusammen mit der Ankündigung des neuen Albums. Everyone Hides wurde diese Woche überraschend inklusive Videoclip veröffentlicht. Gestern trat die Band um Sänger und Songschreiber Jeff Tweedy bei ihrer einzigen Schweizer Show der aktuellen Tour im Zürcher Volkshaus auf und begeisterte mit einem über zweistündigen Konzert.

Wilco

Jeff Tweedy in seinem Element.

Verwandlungskünstler der Extraklasse

Mit Bright Leaves startet der Konzertabend von Wilco ganz gemächlich mit dem Opener des kommenden Albums. Mit Hut, Brille und Bart steht Jeff Tweedy am Mikrofon und spielt sich mit seinen Bandkollegen langsam warm. Hier stehen ausschliesslich Vollblutmusiker auf der Bühne, die sich ganz ihren Instrumenten hingeben, ohne eine Show abzuziehen. Während andere Bands mit noch unveröffentlichten Kompositionen eher zurückhaltend sind, bringen die Amerikaner gleich sieben davon mit nach Zürich. Zu sagen, dass sie die übrigen Alben deswegen vernachlässigen, wäre falsch. Wilco spielen sich durch sämtliche Werke ihrer 1994 gestarteten Karriere. Was ruhig beginnt, wird mit abrupten Stil-, Genre- und Tempowechseln immer dynamischer.

Wilco

Der Kleber auf dem Piano erinnert noch an «Schmilco», das letzte Wilco-Album von 2016.

Instrumentierungen wie ein plötzlicher Gewittersturm

Ein besonders schönes Beispiel für die musikalischen Überraschungen, sogar innerhalb eines Songs, ist das Stück Via Chicago. Mit einer wunderbaren Harmonie und Gesang im Stil von Bob Dylan startet die Performance. Plötzlich zuckt das Licht wie Blitze durchs Volkshaus und Disharmonien sowie ein wildes Schlagzeugspiel überlagern den Gesang, der sich weiterhin mit einer Seelenruhe und völlig unbekümmert fortsetzt. Ein solch schräges und zugleich meisterhaftes Zusammenspiel sieht man selten. Kein Wunder wird dieser Stilbruch mit besonders lautem Jubeln quittiert. Richtig Tempo nimmt Jeff Tweedy’s Formation bei Random Name Generator auf. Ein eingängiges Riff trifft auf Gesang à la Eels. Es ist kaum zu glauben, dass hier eine einzige Band auf der Bühne steht, so sehr erfindet sie sich von Minute zu Minute neu.

Wilco

Pure Leidenschaft am Schlagzeug: Glenn Kotche

Wilco gehen erst in die Verlängerung, wenn andere bereits am Ende sind.

Auch den Publikumsliebling Impossible Germany behalten Wilco dem Zürcher Publikum nicht vor. Der älteste Song im Set ist mit Box Full Of Letters ein Stück vom Debüt A.M. von 1995. Dass im Anschluss mit Everybody Hides direkt der neuste folgt, ist eine schöne musikalische Zeitreise. Das eingangs erwähnte Stück ist ein Instant Classic und mausert sich dementsprechend sofort zu einem Publikumsliebling. Bei Wilco bekommt man für sein Geld etwas geboten. Erst nach 23 Songs verlässt die Band zum ersten Mal die Bühne. Zu dieser Zeit wären andere Konzerte längst beendet, die Formation aus Chicago hingegen hat noch einmal vier Zugaben auf Lager. Eröffnet werden diese mit dem kraftvollen Misunderstood. Bevor mit dem The Late Gates der über zweistündiger Auftritt zu Ende geht, präsentieren Wilco noch California Stars, welches zusammen mit dem englischen Sänger Billy Bragg aufgenommen wurde.

Diesen Mann erkennt man auch an seiner Silhouette: Jeff Tweedy

Fazit

Wilco ist eine Band der alten Schule. Sie verzichtet bewusst auf jegliche Visuals oder andere Showelemente, dafür überrascht sie immer wieder mit eigenwilligen Instrumentierungen und schrägen Harmonien. Damit erzielen sie in ihrem langen Set eine Spannung und Abwechslung, die einen viel grösseren Effekt haben, als grosse Gesten oder Ansprachen. Völlig zurecht geniesst die Band aus Chicago einen ausgezeichneten Ruf und hat bei den Grammys schon mehrfach abgeräumt.