Derzeit sind Circa Waves mit ihrem aktuellen Album «What's It Like Over There?» auf Tour. Am letzten Freitag waren sie für ihr einziges Konzert in Zürich, um im Mascotte aufzutreten. Vor dem Konzert gab Sänger Kieran Shudall Aukunft über sein Songwriting und die Wandlung seiner Band.
Circa Waves sind:
Kieran Shudall (Gesang, Gitarre)
Joe Falconer (Gitarre)
Sam Rourke (Bass)
Colin Jones (Schlagzeug)
Indiespect: Im April habt ihr euer drittes Album veröffentlicht. Haben die Reaktionen auf «What’s It Like Over There?» mit euren Erwartungen überein gestimmt?
Kieran Shudall: Ja, total. Wir schafften es mit dem Album in die Top 10, wessen wir nicht sicher waren. Es ist einfach cool wenn du so lange in einer Band bist und weisst, dass Leute deine Musik noch immer hören. Jedem schien die leichte stilistische Veränderung zu gefallen. Es war schön zu sehen, dass sie alle unsere Band noch mögen. Aber ich denke, wenn die Songs gut sind, sind die Leute auch bereit deine Musik zu hören, selbst wenn du einen Genre-Wechsel vornimmst.
Indiespect: Habt ihr auch negative Reaktionen zu den Veränderungen bekommen? Welche die sagten «Wo sind meine Indie-Rock-Gitarren?»
Kieran: Manche haben das gesagt. Wenn eine Band sich weiterentwickeln möchte, muss sie sich verändern. Und ich meine, wenn du Indie-Rock willst, kannst du dir unser erstes Album anhören. Es ist also alles in Ordnung (lacht). Wir sind noch immer eine Indie-Band und unsere Songs haben noch immer diese Essenz.
Wenn eine Band sich weiterentwickeln möchte, muss sie sich verändern.
Und ich meine, wenn du Indie-Rock willst, kannst du dir unser erstes Album anhören.
Colin Jones, Joe Falconer, Kieran Shudall und Sam Rourke (v.l.n.r.). ©Sarah Louise Bennett
Indiespect: Im November geht ihr wieder auf US-Tour. Die Distanzen können in diesem Land wirklich sehr gross sein. Habt ihr euch entschieden, nur in näher gelegenen Städten zu spielen?
Kieran: Dieses Mal spielen wir nur sechs Konzerte. Wir spielen drei an der West- und drei an der Ostküste. Das heisst, wir haben nur zwei Stunden Reisezeit zwischen den einzelnen Shows und dann fliegen wir quer durchs Land nach Los Angeles, um dort die anderen drei zu machen. Wenn du durch die Mitte fahren musst, hast du wirklich verrückte Fahrzeiten. Du kannst zwölf stunden unterwegs sein und trotzdem nirgendwo hin kommen. Das machen wir dieses Mal nicht. Und um ehrlich zu sein, in Amerika sind wir keine grosse Band. Deswegen versuchen wir einfach die Hauptgebiete abzudecken. Wir spielen in L.A., New York und hoffen einfach, dass sich das auch in andere Gebiete trägt. Falls das geschieht, können wir eventuell eine grössere Tour planen.
Indiespect: Welche Aspekte müssen erfüllt sein, damit man als Britische Band dort auf Tour gehen kann?
Kieran: Es ist schwierig. Du brauchst das Radio und alle mögliche Dinge. Du musst auf verschiedenen YouTube-Kanälen vertreten sein. Eigentlich ist es überall dasselbe. Auch wenn du in Grossbritannien grösser werden möchtest, brauchst du das Radio oder Spotify-Playlisten. Die Art, wie die Industrie funktioniert, verändert sich so schnell. Wenn wir Amerika knacken möchten, gibt es so viele verschiedene Wege. Wenn wir es in einige gute Playlisten schaffen und unsere Musik gehört wird, können wir hoffentlich auch dort grösser werden.
Kieran Shudall ist nicht bloss der Sänger, sondern auch der Haupt-Songwriter von Circa Waves.
Indiespect: Ich habe gelesen, dass du keine kapitalistischen Mainstream-Künstler wie Ed Sheeran magst.
Kieran: Ich habe nichts gegen Mainstream-Musik. Aber ich finde gewisse Pop-Musik wirklich hohl, sie hat kein Herz. Für gewöhnlich wird sie in einem Raum mit acht oder neun Personen geschrieben und jeder steuert eine Textzeile bei. Es ist generisch und hat keine Aussage. Ed Sheeran ist einer, der gerad noch so okay ist. Aber es gibt genügend Musik im Radio, die einfach nur der letzte Dreck ist. Da denkst du dir: warum ist das erfolgreich? Aber es gibt natürlich auch grossartige Pop-Musik. Ich finde einige Sachen von Taylor Swift sind brilliant. Es muss authentisch sein und von Herzen kommen. Prince war auch ein Pop-Künstler, aber er hatte viele Songs, die wirklich echt und cool waren.
Circa Waves auf der Bühne des Mascotte in Zürich.
Indiespect: Du bist der Haupt-Songwriter von Circa Waves. Wie bist du ursprünglich zum Schreiben gekommen?
Kieran: Ich habe immer gerne meine eigenen Sachen geschrieben. Als ich begann Gitarre zu lernen, haben meine Freunde oft Gitarren-Solos von Metallica einstudiert. Ich habe mir dagegen immer lieber eigene Riffs ausgedacht, als welche von anderen zu lernen. Der erste Schritt war, dass ich das lieber selber machen wollte und das ist immer so geblieben. Sobald ich einen coolen Song von Green Day oder so hörte, wollte ich etwas machen, dass so klang, aber von mir ist.
Indiespect: Du wolltest also die Stimmung einfangen und nicht einfach kopieren?
Kieran: Ja. Und ich fand den reinen Entstehungsprozess so aufregend. Du kannst an einem Tag aufwachen, ohne dass du irgendwas hast, und am Ende des Tages hast du plötzlich deinen eigenen Song. Es kommt einfach aus dem Nichts. Das fand ich immer toll.
«Stuck In My Teeth» war einer der ersten Songs, den Kieran Shudall für Circa Waves schrieb.
Indiespect: Wann hast du damit angefangen?
Kieran: Ich habe gelernt Gitarre zu spielen, als ich etwa zwölf oder dreizehn war. Etwa mit vierzehn begann ich zu versuchen Songs zu schreiben und Oasis zu kopieren.
Indiespect: Ich habe gelesen, dass du kürzlich einen Songwriter-Vertrag mit Sentric Music Group abgeschlossen hast. Kannst du mir erklären, worum es dabei genau geht?
Kieran: Ich habe immer gerne Pop-Musik geschrieben. Hier habe ich die Möglichkeit mit verschiedenen Künstlern zu schreiben und ihnen dabei zu helfen, etwas Gutes zu erschaffen. Ich habe mit einigen Indie-Bands geschrieben, um ihnen zu helfen Songs fertigzustellen.
Indiespect: Etwas, das wir kennen könnten?
Kieran: Es gibt eine englische Band namens Vistas, denen ich bei einigen Sachen half. Und mit Saint Raymond, diesem englischen Musiker habe ich zusammen Musik geschrieben. Ich habe eben erst damit angefangen und noch nicht sehr viel gemacht. Für nächstes Jahr ist jedoch einiges mehr geplant.
Es gibt so viele gut Songwriter, welche nur nicht wissen, wann eine ihrer Ideen grossartig ist.
Indiespect: Hast du eine andere Vorgehensweise, wenn du für jemand anderen schreibst?
Kieran: Ich versuche einfach, sie ihre eigenen Songs erschaffen zu lassen. Ich glaube es geht mehr darum, die Leute in die richtige Richtung zu führen. Es gibt so viele gut Songwriter, welche nur nicht wissen, wann eine ihrer Ideen grossartig ist. Manchmal singen sie mir etwas vor, ignorieren es und machen einfach weiter. Dann sage ich: nein, das ist verdammt grossartig. Behalte das. Ich glaube, dass ist alles was ein guter Songwriter tut. Er erkennt, wann etwas gut ist.
Indiespect: Hattest du dieses Gefühl bei dir schon früh?
Kieran: Es hat viel Zeit gebraucht, um sich zu entwickeln. Ich glaube, dass das neue Material, dass ich gerade schreibe, das beste ist, was ich je geschrieben habe. Es braucht jahrelange Übung und das Schreiben von immer mehr Songs.
Indiespect: Ich habe gehört, dass ihr schon an eurem nächsten Album arbeitet, obwohl das jetzige erst im April erschienen ist. Habt ihr Pläne, es bereits im nächsten Jahr rauszubringen?
Kieran: Vielleicht. Ich mag es einfach Songs zu schreiben und wir wollten direkt weitermachen. Leute konsumieren heutzutage Musik viel schneller. Es war uns wichtig mit der Nachfrage Schritt zu halten und deswegen haben wir uns selber angetrieben. Ich glaube, dass die Leute überrascht sein werden, wie schnell es rauskommt.
Das dritte Circa-Waves-Album «What's it like over there?» wurde am 5. April 2019 veröffentlicht. Das nächste ist bereits in Arbeit und könnte schneller draussen sein, als jeder denkt.
Indiespect: Wird es denselben Vibe wie «What’s It Like Over There?» haben?
Kieran: Es enthält Elemente davon. Ich würde sagen es ist fröhlicher und hat grössere sowie mehr elektronische Drum-Sounds. Grundsätzlich klingt es aber noch immer nach Circa Waves.
Indiespect: Wann hast du Zeit zum Schreiben? Ihr scheint ganz schön viel auf Tour zu sein.
Kieran: Während der Festival-Saison spielen wir nur an den Wochenenden Konzert. Du hast also fünf Tage in der Woche zum Schreiben. Während dieser Zeit schreibe ich ständig, manchmal zwei Songs am Tag. Du hast also genügen Zeit dafür.
Kieran Shudall nimmt seine Rock-Pose ein.
Indiespect: Machst du Demo-Versionen, die bereits alle Instrumente erhalten?
Kieran: Ich erstelle das Demo bis zu dem Punkt, an dem es am Radio gespielt werden könnte, oder zumindest so weit, wie ich denke, dass es am Radio gespielt werden könnte. Dann nehmen wir es ins Studio und machen es noch etwas besser – und alle spielen ihre Instrumente ein.
Indiespect: Hast du gelernt andere Instrumente zu spielen oder erarbeitest du alles mit dem Computer?
Kieran: Ich kann alles auf einem sehr durchschnittlichen Niveau spielen. Ich bin also nirgends wirklich gut. (lacht)
Ich kann alles auf einem sehr durchschnittlichen Niveau spielen. Ich bin also nirgends wirklich gut.
Indiespect: Startest du den Schreibprozess mit der Gitarre?
Kieran: Ja, mit einer Gitarre oder einem Drum-Loop. Oder ich erstelle den ganzen Song musikalisch und lege dann den Text und die Melodie darüber. Aber normalerweise probiere ich alles am Computer aus und schaue, was funktioniert. So hast du die Möglichkeit schnell durch viele Ideen zu gehen. Alle guten Ideen kommen meist ziemlich schnell. Wenn ich zu lange an etwas arbeite, tendiere ich dazu, es wegzuwerfen und nicht zu benutzen.
Sam Rourke wechselt bei «Times Won't Change Me» vom Bass zum Piano.
Indiespect: Was denkst du, ist der schwierigste Teil beim Schreiben eines Songs? Ist es der Text oder die Melodie?
Kieran: Ehrlich gesagt glaube ich, dass es fifty-fifty ist. Ein guter Text ist nichts ohne eine gute Melodie und eine gute Melodie ist nichts ohne einen guten Text. Die Beatles haben zwar ziemlich viele belanglose Texte gehabt, wie zum Beispiel: I love you, love me do, I wanna hold your hand… Aber die Melodien waren fantastisch. In diesem Sinne würde ich trotzdem sagen, dass die Melodie für mich ein bisschen wichtiger ist. Dennoch braucht man einen Text, mit dem man sich identifizieren kann und an den man sich erinnert. Gute Texte enthalten ein einzigartiges Element. Nothing compares to you ist eine coole Art Ich liebe dich zu sagen.
Indiespect: Also hast du meist ein Thema für einen Song und dann denkst du dir spezielle Worte aus, um dieses zu umschreiben?
Kieran: Ich glaube, dass es so funktionieren kann. Ich persönlich singe einfach etwas vor mich hin und plötzlich kommt ein spezielles Wort dabei raus. Bei T-Shirt Weather war es so. Ich habe die Worte: I remember T-Shirt Weather gesungen und dann gedacht: oh, das ist cool. Ich mache einen Song darüber. Ich habe da also rückwärts gearbeitet. Ich habe dann gedacht, ich könnte Songs darüber schreiben, als ich jünger war und sich jeder Sommer wie ein Hitzesommer anfühlte. Mir fallen meistens Songtexte ein, wenn ich etwas singe. Das machen glaube ich viele Songwriter so.
Kieran Shudall hilft anderen Musikern, gute Songs zu schreiben.
Indiespect: Was hat sich deiner Meinung nach durch das älter werden und die gesammelte Erfahrung in deinem Songwriting verändert?
Kieran: Das Erkennen wenn etwas gut ist. Es gibt nur zwölft Noten in der westlichen Musik und alles was du machst, ist diese in einer bestimmten Art und Weise zu arrangieren. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Variationen. Je mehr du Musik schreibst, desto mehr hörst du ein Muster. Du kannst plötzlich sagen: das ist sehr eingängig, ich glaube das ist grossartig. Wenn du anfängst, bist du unsicher und denkst eher: hmm, ich glaube das ist ganz gut. Es ist einfach die Erfahrung. Je mehr du machst, desto mehr erkennst du. Mittlerweile bin ich an einem guten Punkt, an dem ich erkenne, sobald etwas gut ist.
Indiespect: Im Februar wart ihr mit The Wombats auf Tour. Ihr Sänger Matthew «Murph» Murphy hat vor kurzer Zeit sein Solo-Projekt «Love Fame Tragedy» gestartet. Hast du dir auch schon einmal überlegt, etwas für dich alleine zu machen?
Kieran: Ich weiss nicht wirklich. Ich glaube nicht, dass ich das im Moment möchte. Ich bin kein grosser Fan vom Touren. Und das würde bedeuten, mehr auf Tour zu gehen. Ich liebe es im Studio oder zuhause zu sein und zu schreiben. Ich habe eben erst ein Kind bekommen und ich möchte ihn nicht zu oft alleine lassen. Ich würde es nicht ausschliessen, aber wenn ich es täte, dann nicht unter meinem Namen. Es wäre ein geheimes Ding, das ich einfach rausbringe. Ich suche nicht die Bühne und habe nie das Gefühl auf einer Bühne stehen zu müssen. Ich möchte Songs schreiben. So hat die Band angefangen. Am Anfang war einfach ich, der Songs schrieb und dann musste ich mir eine Band zusammenstellen.
Ich bin kein grosser Fan vom Touren.
Indiespect: ...und dann musstest du auf Tour gehen.
Kieran: Jetzt muss ich auf Tour gehen – und ich liebe es. Ich liebe Elemente davon. Aber ich bin einfach der Typ, der es lieber mag zuhause oder im Studio zu sein.
Indiespect: Dir gefällt also der kreative Aspekt mehr.
Kieran: Das ist der schräge Teil, in einer Band zu sein. Du bist ständig auf Tour, was dich davon abhält kreativ zu sein. Es ist schwierig unterwegs zu schreiben. Du bist immer mit allen in einem kleinen Raum und kannst es da nicht wirklich tun.