Blood Red Shoes im Mascotte:
Das unbändige Duo aus Brighton überrollt Zürich

In Reviews by indiespect

Blood Red Shoes: Der Phoenix aus der Asche

Als Indie-Duo sind Laura-Mary Carter und Steven Ansell bereits seit 2004 unterwegs. In diesen 15 Jahren haben sich die Musiker aus Brighton einen Namen als brachiale Live-Band erspielt. In Sachen Coolness sind die beiden kaum zu übertreffen und ihre Kombination aus satten Gitarrenklängen und wilden Schlagzeug-Eskapaden sind legendär. Doch die Intensität zollte nach ihrem selbstbetitelten Album 2014 ihren Tribut. Die beiden ungleichen Bandpartner konnten sich kaum noch in die Augen schauen, zudem gab es Krach mit dem Label. Kurz gesagt, unter Blood Red Shoes brach der Boden weg und ein schwarzes Loch tat sich auf. Es gab vieles aufzuarbeiten und aus der Welt zu schaffen.

Diese widrigen Umstände formten Get Tragic. Das Duo aus Brighton hat sich auf ihrem fünften Album geöffnet und nebst den unverkennbaren Zutaten eine gute Portion Synthesizer in den Topf geworfen. Das schwierigste Album der bisherigen Karriere ist zugleich das abwechslungsreichste geworden. Gestern standen die Engländer mit dem im Januar veröffentlichten Werk auf der Bühne des Mascotte in Zürich.

Blood Red Shoes

Grün und schwarz ist nicht nur das Artwork von «Get Tragic», auch die Bühnenbelichtung ist in diesen Farben gehalten.

Halloween hängt noch im Raum und in den Knochen

Dass nach dem Konzert noch eine Halloween-Party im Mascotte steigt, ist an der aufwändigen Dekoration schnell ersichtlich. Dieses Fest haben Blood Red Shoes am Tag zuvor in München bereits ausgiebig zelebriert. Bei ihrer ausverkauften Show im Strom haben sich die Musiker mit einer ordentlichen Portion Kunstblut und viel Schminke in Stimmung gebracht. Doch sie dachten wohl kaum, dass dieses Zeug nur ganz schlecht wieder abgeht. Dementsprechend zerstört sahen die beiden Musiker beim Interviewtermin vor dem Auftritt in Zürich aus.

Knapp zwei Stunden später ist davon nichts mehr zu merken. Frisch geschminkt und mit derselben Coolness wie eh und je, betreten Laura-Mary Carter und Steven Ansell die Bühne des Mascotte. Leicht wie ein Horrorfilm mutet das psychotische Intro für Elijah an. Ein für Ansell ungewöhnlich langsamer Schlagzeug-Rhythmus wird von einem sirenenähnlichen, wiederholenden Gitarren-Akkord untermalt. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit wird die gesamte Energie des Songs auf einen Knall freigesetzt. Blood Red Shoes wissen noch immer wie man eine Welle voller Energie in den Raum entlässt. Mit dem Einsatz von Carters glasklarer Stimme entwickelt der letzte Track von Get Tragic eine gewaltige Intensität.

Blood Red Shoes

Blood Red Shoes sorgen für ein sehr gefülltes Mascotte.

Die Erweiterung von Blood Red Shoes

Nicht nur musikalisch haben sich Blood Red Shoes auf dem aktuellen Album geöffnet, auch haben sie für die Tour zwei weitere Musiker mit auf der Bühne. Nur so können die neuen Facetten live überhaupt gestemmt werden. Das Herz sind dabei noch immer Laura-Mary und Steven, doch die Synths sowie die zusätzliche Gitarre verleihen den neuen Stücken wie God Complex oder Mexican Dress ein neues Klangspektrum.

Für ihre alten Bretter braucht das Duo aber nach wie vor keine Unterstützung, um den Club in Brand zu stecken. Ein Beispiel dafür ist der Song An Animal, der nur den Weg nach vorne kennt. Drei Minuten treibende Kraft aus Schlagzeug- und Gitarrengewitter lassen das Mascotte erbeben. Viel sprechen müssen die Protagonisten auf der Bühne nicht. Den badass-Effekt erhalten die Engländer durch ihren Sound, die Performance sowie die vampirhafte Optik im Stil von Vampire Diaries.

Steven Ansell – das Energiebündel am Schlagzeug – beherrscht auch den Job des Animators.

Die Symbiose von Laura-Mary Carter und Steven Ansell

Besonders stark werden die Tracks, wenn nicht nur die Instrumente, sondern auch die Stimmen von Laura-Mary Carter und Steven Ansell verschmelzen. So ist Cold auch nach sieben Jahren noch immer einer der besten Songs aus dem Repertoire des Duos aus Brighton. Mit This Is Not For You graben Blood Red Shoes auch ganz tief in Box of Secrets, dem Debüt von 2008. Laut und brutal wird es bei Je me perds, bei welchem Ansell und Carter sich schreiend fragen: What the fuck am I doing here?

Shoot me down like I shouldn't make a sound
Like there's nothing to it, nothing to it
Did you lose your place when I wouldn't play your games?
Tell me nothing's different, nothing's different now

Eye to Eye, Blood Red Shoes

Gegen Ende des Sets präsentieren die Engländer den Song, der gemäss eigenen Aussagen, den kreativen Neustart besiegelte. Eye To Eye ist der Opener-Track von Get Tragic und er vereint sämtliche Entwicklungen von Blood Red Shoes in sich. Vor den Zugaben darf noch einmal der Schlagzeuger zum Hauptdarsteller werden. Ansell leiht seine Stimme dem beatlastigen Bangsar. Doch auch ein grösserer stimmlicher Einsatz hindert ihn nicht daran, dabei unentwegt auf sein Instrument einzudreschen.

Laura-Mary Carter ist die sensible und mysteriöse Stimme von Blood Red Shoes.

Musik gewordene Energie

Es gibt Songs, die das Blut schneller zirkulieren lassen. So einer ist I Wish I Was Someone Better. Ihn lassen Blood Red Shoes als erste Zugabe aus den Boxen dröhnen. Das Mascotte springt und vergisst sich bei den vertrauten Klängen dieser energetischen Nummer. Weil im Club schon bald die Party auf dem Programm steht, müssen die Engländer zum Ende kommen. Mit Colours Fade gibt es gar noch einen Hauch von Nirvana zum Abschluss. Der melancholische Gesang erinnert in bestimmten Passagen immer wieder an die Harmonien von Kurt Cobain. Von Energie überrollt geht der Auftritt von Blood Red Shoes zu Ende.

Steven Ansell hat durch sein wildes Spiel schon zahlreiche Drumsticks auf dem Gewissen.

Fazit

Einmal mehr haben Blood Red Shoes unter Beweis gestellt, warum sie einen exzellenten Ruf als Live-Band geniessen. Der harte Entstehungsprozess von Get Tragic lässt sich in den düsteren Texten des neusten Albums erkennen. Er hat aber auch dafür gesorgt, dass Blood Red Shoes sich so vielseitig zeigen, wie nie zuvor. Die Band möchte sich immer mehr Einflüssen öffnen, es dürfte also spannend bleiben, wohin die musikalische Reise des Indie-Duos aus Brighton noch gehen wird.