White Lies feiern zehn Jahre «To Lose My Life» in der O2 Academy in Brixton

In Reviews by indiespect

White Lies kehren in London zu ihren Anfängen zurück

Jubiläumskonzerte sind mittlerweile gang und gäbe. Immer öfter zelebrieren Bands sehr zur Freude ihrer Fans ein wichtiges Album der Karriere auf der Bühne und spielen es dabei Track für Track. Wenn es sich dabei um ein so legendäres Debüt wie To Lose My Life von White Lies handelt, lohnt sich die Reise dorthin, wo alles angefangen hat, auf jeden Fall. Mit dem Release vor zehn Jahren haben die Engländer ihre letzte Headliner-Show in der legendären Brixton Academy gespielt. Damals hatte die junge Band nur Material für ein 45-minütiges Set. Eine Dekade später sieht das mit vier weiteren Alben etwas anders aus. Letztes Wochenende zog es das Trio aus Ealing wieder in ihre Londoner Heimat, um während zwei Abenden in der ausverkauften Academy aufzutreten.

White Lies

Die Heimkehr: White Lies spielen zwei ausverkaufte Shows in der Brixton Academy in London.

Zehn Jahre «To Lose My Life»: Wenn «Death» zum Live-Opener wird

Bei Shows dieser Art ist der erste Teil des Sets vorbestimmt. Man ist also vorbereitet, wenn mit Death, direkt ein Kracher an den Anfang gestellt wird. Jedoch ist man nicht darauf vorbereitet, wie sehr einen das umhaut. Die Konfetti-Kanonen werden bereits vor dem ersten Ton gezündet, als gäbe es kein Morgen mehr. Harry McVeigh, Charles Cave und Jack Lawrence Brown betreten unter tosendem Jubel die Bühne des ehrwürdigen Gebäudes. Unterstützt werden sie von ihrem Live-Keyboarder Tommy Bowen. Das Albumcover des Erstlings ist durch das Bühnenbild zum Leben erweckt worden. Mit dessen Schlichtheit wirkt es beinahe wie ein religiöses Symbol. Passend zu den düsteren Songs wird im ersten Teil beinahe komplett auf Farbeinsatz verzichtet, stattdessen wird mit eindrucksvollem weissen Licht gearbeitet.

White Lies

Die Wassertanks vom Cover zu «To Lose My Life» sind mittlerweile legendär.

White Lies

White Lies erwecken mit ihrem Bühnenlicht das Artwork von «To Lose My Life» zum Leben.

Schon bei früheren Tourneen haben White Lies den Titeltrack des Debüts ziemlich weit vorne im Set platziert, aber eine Publikumsbeteiligung wie in London hat man dabei noch nicht erlebt. Es ist ein Gänsehautmoment, wenn knapp 5000 Menschen jedes einzelne Wort lautstark mitsingen. Verschnaufpausen lassen die Engländer keine zu. Es geht Schlag auf Schlag und immer wieder wird einem bewusst, wie viele unsterbliche Songs dieses eine Album enthält. Ganz egal, ob es die erste älteste Single Unfinished Business, das ansteckende Farewell To The Fairground oder das Abschlussstück The Price of Love ist – einen schlechten Track gibt es auf diesem Debüt schlicht nicht. Dies ist auch der Grund, warum White Lies noch immer so viele ihrer frühen Stücke in heutigen Sets haben. Fifty on Our Forheads und Nothing to Give sind die einzigen beiden Songs, die seit deren Erscheinen im Jahr 2009 praktisch nie mehr live performt wurden. Es ist umso spezieller sie an diesem Abend zu erleben.

«Unfinished Business» war die erste Single von White Lies.

Ohne Verschnaufpause in die Jetztzeit

Unter frenetischem Jubel beenden White Lies den Jubiläums-Teil. Im Anschluss geht es ohne Unterbruch weiter. Im zweiten Teil des Sets demonstrieren die Engländer, dass sie auch in den auf das Debüt folgenden Jahren – und bis heute – für qualitativ hochstehendes Songwriting stehen. Eröffnet wird mit dem Opener des aktuellen Albums Five. Der über sieben Minuten lange Track hat auf der aktuellen Tour jeweils für einen eindrucksvollen Einstieg gesorgt. Auch an diesem Abend verfehlt er seine Wirkung nicht. Vor allem die immer wilder werdenden Instrumental-Parts ab der Mitte des Songs machen ihn zu einer der abwechslungsreichsten Kompositionen von White Lies. Mit seiner Länge übertrifft Time To Give herkömmliches Radio-Material um mehr als das Doppelte. Im Anschluss darauf folgt eine bunte Mischung aus Tracks der letzten drei Alben Five, Friends und Big TV.

How I miss that sting
When the phone won't ring
And I wish I'd bruise
When it's me, not you
I miss that burn
As I lose my turn
When the morning clears
I feel that you're not here

Hurt My Heart, White Lies

Wenn es an dem sonst so perfekten Konzert einen einzigen Kritikpunkt gibt, dann dass es so ziemlich diejenigen sind, welche White Lies auch sonst auf die Bühne bringen. Zu diesem speziellen Anlass hätten sie vielleicht auf die eine oder andere B-Seite sowie selten gehörte Songs vom zweiten Album Ritual zurückgreifen können. Das ist jedoch ein Klagen auf  höchstem Niveau. Das Publikum in der Brixton Academy wurde nämlich auch mit Hurt My Heart, dem neusten Track des Trios verwöhnt. Das Disco-Feeling und das viele farbige Licht bei Tokyo steht als Abschluss des regulären Sets im krassen Kontrast zu den düsteren Klängen und kargen Farben des ersten Teils des Abends.

White Lies

Mit den neuen Alben brechen farbenfrohere Zeiten an.

Die versprochene B-Seite bis zum Schluss aufgehoben

Im Interview anlässlich des ROAM Festivals in Lugano im Juli hat White-Lies-Sänger Harry McVeigh erwähnt, dass die Band auch B-Seiten ins Set nehmen möchte. So werden die Zugaben dann auch mit einer dieser ganz speziellen Nummern eröffne. Taxidermy war 2009 die B-Seite von To Lose My Life. Eine wahre Perle, welche bis zur aktuellen Veröffentlichung der Jubiläums-Edition des Debütalbums nur die eingefleischten Fans kannten. Solche eigenständigen Songs, werden immer rarer. Oft wird die Single heute stattdessen mit einem Remix oder einer Instrumental-Version ergänzt. Vor wenigen Jahren war das noch anders. Den Abschluss darf immerhin doch noch ein Ritual-Song machen. Bigger Than Us ist der mächtige und bewährte Schlusspunkt von White Lies. Jetzt wird der Innenraum wieder mit Konfetti und Licht geflutet während eine Vielzahl an weissen Ballone über den Zuschauern auf und ab hüpfen. Nach zwei spektakulären Stunden findet ein magischer Konzertabend seinen Abschluss.

White Lies

Ein Konfetti-Feuerwerk zum Abschluss.

Fazit

White Lies haben den Geburtstag ihres Erstlings gebührend gefeiert und schienen dabei auch selber sichtlich Spass zu haben. Dass die Engländer auch in den Jahren seit dessen Erscheinung stetig wunderbare Musik geschaffen hat, lässt auf viele weitere Jahre und Alben von White Lies hoffen. Der Abend in Brixton war in vielerlei Hinsicht denkwürdig. Vom heimischen Publikum angeheizt, holte das Trio alles aus sich heraus und das war in jeder Note spürbar.