Thees Uhlmann & Band in Zürich:
Es weht ein frischer Nordwind im Dynamo

Thees Uhlmann liess sich lange Zeit für sein drittes Soloalbum und seit Veröffentlichung von #2 im Jahr 2013 war der Sänger auch nicht mehr für eine Clubshow in der Schweiz. Die Gründe für die Wartezeit könnt ihr in der ausführlichen Rezension zum Album nachlesen. Gestern war Zürich nun endlich wieder einmal Schauplatz einer Thees-Uhlmann-Show. Mit dabei hatte er nebst seiner Band auch Support aus den Reihen seines Labels Grand Hotel Van Cleef. Grillmaster Flash aus Bremen Nord sorgte im Dynamo mit seinen Alleinunterhalter-Qualitäten für viele Lacher und lockere Stimmung, bevor der Hauptact übernahm.

Dass das Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, welches Thees Uhlmann mitbegründet hat, eine persönliche Beziehung zu seinen Künstlern pflegt, ist spürbar. Zuletzt übertrafen sich die Hamburger jedoch selbst. Für das grösste Grillmaster-Flash-Konzert aller Zeiten (bis jetzt) wurde ein eigenes Crowdfunding aufgezogen. Gerade einmal 3,33 Euro kosteten die Tickets für die Show. Dafür gab es nebst Hauptact Grilli einen nicht ganz unbekannten Künstler als Opener. Thees Uhlmann tauschte mit seinem Schützling kurzerhand die Plätze, um noch mehr Leute in das Pier 2 in Bremen zu locken. Schlussendlich wurde alles noch grösser, als sich sowohl Madsen-Sänger Sebastian Madsen, wie auch Kettcar-Frontmann Marcus Wiebusch mit Manager Rainer G. Ott im Schlepptau die Ehre gaben. Nun darf Grillmaster Flash seinen Charme im Gegenzug auch bei den Clubshows von Thees Uhlmann versprühen. Mit seiner Lockerheit knackt er an diesem kalten Montagabend die Zürcher in Windeseile. Egal ob er selbstironisch davon spricht, dass er sich mittlerweile natürlich grössere Locations gewohnt ist, oder dass er in wenigen Jahren im benachbarten Stadion auftritt und ihn die nun Anwesenden bis dahin schon nicht mehr leiden könnten. Der norddeutsche Humor kommt im Dynamo an, genauso wie die Songs mit Themen wie Bier, Freunde, Fussball oder Udo Jürgens.

Sofort versprüht Thees Uhlmann eine positive Energie im Raum, als er wie ein unter Adrenalin stehender Boxer die Bühne betritt. Nach seiner langen Abwesenheit ist er spürbar heiss auf den Direktkontakt mit seinen Fans. Den Start macht der Album-Opener Fünf Jahre nicht gesungen. Anschliessend besingt Uhlmann bei Danke für die Angst seinen Lieblings-Schriftsteller Stephen King. Nicht nur in seinen Texten hat der norddeutsche Sänger aus Hemmoor ein grosses Mitteilungsbedürfnis. Nach die Toten auf dem Rücksitz und Zugvögel gibt es die erste richtig ausführliche Ansage. Er beginnt mit den Worten: Wir kommen zur einzig schlechten Nachricht de Abends. Casper wird heute nicht mit uns rappen. Damit ist schon einmal geklärt, welcher Song folgt. Es ist & Jay-Z sing uns ein Lied, welches er zusammen mit dem Rapper aufgenommen hat. Doch mit der Einleitung ist es noch nicht getan. Die Ausführung geht im Stil von Käpt’n Blaubär weiter – keiner ausser ihm weiss genau, was davon bloss Seemannsgarn ist. Er pflege mit Casper eine gute WhatsApp-Freundschaft. Doch dieser sei da nicht so lyrisch wie in seinen Texten. Auf die Anfrage, ob er Zeit hätte in der Schweiz den Song zu performen, habe Casper nur geschrieben: Im Sommer scheint die Sonne, im Winter da schneits, in der Schweiz, in der Schweiz, in der Schweiz… Lange Rede, kurzer Sinn, den Rap-Part meistert Thees Uhlmann lässig mit Gitarre auf dem Rücken, als wäre er vom Fach.

Dass Thees Uhlmann mit der Schweiz bestens vertraut ist, ist kein Geheimnis. Immerhin schrieb er das Vorwort zum Abart-Buch, welches nach der Schliessung des legendären Zürcher Clubs Ende 2012 veröffentlicht wurde. Weitere Anekdoten mit Schweiz-Bezug lässt er nach Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt vom Stapel. Das Lied mit dem unglaublich langen Songtitel kündigt Uhlmann ganz im Stil von Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch mit den Worten: und das geht so… an. Loredana hätte ihn angerufen, er solle alle grüssen. Die Skandal-Rapperin werde 2021 mit ihm ein Unplugged-Album aufnehmen – Käpt’n Blaubär lässt ein weiteres Mal grüssen. Zum besseren Verständnis für das Zürcher Publikum meint Thees Uhlmann im Anschluss zu Was wird aus Hannover, dass das im Dynamo quasi ein Song über Basel sei.

Es sei das erste Mal, dass er auf der Bühne sein Telefon in die Hand nehme, aber er habe in Zürich etwas Schönes erlebt – so beginnt Uhlmann mit einem Strahlen im Gesicht seine Ausführungen. Vor dem Konzert habe er in der Stadt an einer Wand mit Graffiti eine Info gelesen. Diese startete mit den Worten: Ich bin ein Salamander und lebe hier. In blumiger Sprache stand da, dass dies einer der wenigen Lebensräume von Salamander in der Stadt sei und dass zum Schutz dieser Tiere auf das Sprayen verzichtet werden solle. Absender der Nachricht war die Stadt Zürich, genauer gesagt die Fachstelle Graffiti. Uhlmann beschrieb den Fakt, dass diese Info nicht nach kürzester Zeit abgerissen wurde, als ein Indiz dafür, dass in der Schweiz die Welt noch in Ordnung ist. Zwischen diesen wunderbar geschilderten Erlebnissen gibt es natürlich auch wieder Musik. Ich sang die ganze Zeit von dir ist im heutigen Set der erste Song aus der Tomte-Ära.

Die Band von Thees Uhlmann ist international. Sie enthält Mitglieder aus Schottland, Österreich und seit neustem aus den Niederlanden.

Mit dem Hannover-Basel-Vergleich früher am Abend war die Stadt am Rhein noch nicht abgehandelt. Jetzt erzählt Uhlmann von einem Mädchen aus Basel, in das er vor langer Zeit sehr verliebt gewesen ist. Ein Besuch bei den Schwiegereltern in spe sei damals eher holprig über die Bühne gegangen. Als er am Morgen an den Frühstückstisch kam, sass da bereits der Vater mit einem Tomte-Textbuch und fragte den Musiker aus, wie die einzelnen Textzeilen zu verstehen seien. Besser wurde es nur noch, als er das Thema Politik anschnitt. Da sprudelte es förmlich aus dem verliebten Uhlmann raus. Mit schönstem imitiertem Schweizer-Dialekt rezitiert er nun den Satz des Vaters: Thees, du musst langsamer sprechen, du bist ja wie ein deutsches Maschinengewehr. Wo er herkomme, da würden nunmal alle wie ein deutsches Maschinengewehr sprechen. Genau von diesem Ort handelt das folgende Lied Lat: 53.7 Lon: 9.11667

Erst im Oktober 2019 erschien das Buch Thees Uhlmann über Die Toten Hosen. Wie es dazu gekommen ist, erzählt der Sänger in Zürich. Die Idee sei nicht entstanden, weil er unbedingt zeigen wollte, wie gut er Campino und seine Band kennt. Vielmehr ist er angefragt worden, ob er, im Rahmen einer Buchreihe über Bands, ein Portrait über die Düsseldorfer schreiben würde. Natürlich wollte er nicht einfach ohne das Wissen der besagten irgendwelchen Geschichten und persönliche Erinnerungen der Öffentlichkeit preisgeben. Also schrieb er der Band eine ausführliche E-Mail und schilderte darin seine Absichten. Die Antwort kam prompt. 20 Minuten nach Versenden der Nachricht rief Campino auf seinem Handy an und meinte: Thees, wenn das Buch nur ein wenig so wird, wie die E-Mails die du uns nach 23 Uhr besoffen schreibst, freuen wir uns sehr darauf. Zu Ehren seiner Helden stimmt Uhlmann nach dieser Erzählung ganz alleine auf der Bühne ein Cover des Toten-Hosen-Songs Liebeslied an.