Interview mit The Howl & The Hum:
Einen Song live zu spielen ist wie 20 Mal proben

In Highlights, Interviews by indiespect

The Howl & The Hum möchten mit ihrem Debütalbum vor allem eins erreichen – dass die Leute ihre Musik erleben können. Deshalb erscheint «Human Contact» trotz COVID-19 Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen wie geplant am 29. Mai 2020. Sänger Sam Griffiths erklärt die Hintergründe des Albums, Inspirationen zu ihrem Werk und die Ziele der jungen Band aus York, England

Band-Portrait
Read in English

The Howl & The Hum sind:

Sam Griffiths (Gesang, Gitarre)
Bradley Blackwell (Bass)
Conor Hirons (Gitarre)
Jack Williams (Schlagzeug)

Indiespect: Herzlichen Glückwunsch zu eurem Debütalbum. Das erste, was mir auffiel, war, dass keines der früheren Lieder (wie Portrait I, Godmanchester Chinese Bridge usw.) enthalten war. Hattet ihr je daran gedacht, diese ebenfalls aufs Album zu nehmen?

Sam Griffiths: Vielen Dank! Wir dachten darüber nach, diese Songs auf das Album zu nehmen, stellten aber fest, dass wir damit bei Streaming-Diensten, Soundcloud, Youtube usw. mit diesen Songs bereits fast ein gesamtes Album veröffentlicht haben. Also wollten wir, dass das Album voll mit völlig neuem Material ist. Wir hoffen, dass es dadurch einige Überraschungen gibt...

Indiespect: Du hast erzählt, dass «Human Contact» von einer sehr modernen Art der Einsamkeit handle, die uns nicht vergessen lässt. Glaubst du, dass sich das Gefühl der Einsamkeit durch das Internet und die sozialen Medien im Vergleich zu früher verändert hat?

Sam: Ja, darum geht es auf dem Album wirklich. Der Name des Albums hat angesichts der globalen Pandemie noch ein paar weitere Assoziationen erhalten, die ebenfalls für die Einsamkeit sprechen: wie wir kommunizieren und mit wem wir nicht mehr sprechen. Ich glaube, die digitale Kommunikation ist heutzutage so weit verbreitet, dass wir manchmal vergessen, wie wichtig persönliche Erfahrungen sind.

The Howl & The Hum
© Netti Hurley

Conor Hirons, Jack Williams, Bradley Blackwell, Sam Griffiths (v.l.n.r.)

Indiespect: Mit «Love You Like A Gun» habt ihr einen unerwarteten Opener gewählt. Der Song ist elektronischer als alle anderen Tracks. War das ein Experiment oder wie ist dieser Song entstanden?

Sam: Wir wollten den Leuten einen Curveball zuwerfen, sobald sie die Platte einschalten. Dieses Lied entstand aus einer A-capella-Spur, die wir dann mit Techniken, die wir im Studio gelernt haben, unter Anleitung unseres Produzenten Jolyon Thomas aufbauten. Wir denken, dass die Leute durch diesen Opener überrascht werden. Die einzige Melodie kommt vom Gesang, der Rest ist Perkussion. Für dieses Stück haben wir uns von Fiona Apple und Tune-Yards inspirieren lassen. Ich mag es wirklich.

Indiespect: In den ersten Jahren nach der Gründung einer Band macht man die meisten Dinge im Alleingang. Wie hat es sich angefühlt, mit einem Produzenten wie Jolyon Thomas zusammenzuarbeiten? Auf welche Weise hat er euch beeinflusst oder an einen bestimmten Punkt geführt, den ihr vorher nicht kanntet?

Sam: Jolyon war grossartig - er weiss offensichtlich, wie man eine Band wirklich gut aufnimmt, durch die Zusammenarbeit mit U2, Slaves und The Magic Gang. Er kann einen Song aber auch so drehen, dass er in eine ganz andere Richtung geht, als man erwartet. Er verwandelt eine Klavierballade in etwa acht Sekunden in eine EDM-Nummer.

«27» – einer der Schlüssel-Tracks
The Howl & The Hum
Wir alle wollen Eindruck auf andere Menschen machen. Es ist eine kindische Eigenschaft, aber wir wollen, dass andere Menschen an uns denken: Es bestätigt unsere Existenz. «27» erforscht die Kleinlichkeit und Bitterkeit dieser Eigenschaft, indem es zwei Szenen heraufbeschwört: die Sekunde, in der die Person, die man liebt, weggeht, und Jahre später, wenn diese Person bereut, was sie getan hat, da sie nie in der Lage war, die Erinnerung an dich hinter sich zu lassen.

Sam Griffiths über die Lyrics von «27»

Eine alternative Version des Albumtracks «27»

Indiespect: Ich finde es faszinierend, wie erwachsen ihr auf eurem Debüt klingt. Haben die Live-Erfahrungen der letzten Jahre dazu beigetragen, eure Band zu formen?

Sam: Danke. Bitte erzähl das unseren Müttern. Live zu spielen ist so wichtig, auch wenn es darum geht, mit neuem Material zu experimentieren. Wir sagen immer, einen Song live zu spielen ist wie 20 Mal proben: Man lernt seine eigenen Impulse in der Musik kennen und es kann etwas Neues und Schönes dabei herauskommen.

Indiespect: Gab es jemals den Gedanken, den Release von «Human Contact» zu verschieben? Oder fühlte es sich einfach richtig an, es in diesen seltsamen Zeiten zu veröffentlichen?

Sam: Natürlich gab es Gespräche über eine mögliche Verschiebung. Ich denke, für viele Künstler ist das sehr vernünftig: Wenn man ein bekannter Künstler ist und ein zweites Album oder ein Nachfolgealbum veröffentlicht, oder wenn um einen herum ein grosser Hype entstanden ist, dann ist es wahrscheinlich vernünftiger, es später zu veröffentlichen, damit man eine ganze Marketingkampagne durchführen kann. Aber wir sind eine neue Band, und wir streben keinen durchschlagenden Sofort-Erfolg an. Wir wollen nur, dass die Leute diese Platte erleben – vielleicht hilft sie einigen Leuten in diesen seltsamen Zeiten, und hoffentlich bleiben einige der Songs in den Köpfen der Leute hängen, bevor wir nächstes Jahr auf Tournee gehen.

Wir sind eine neue Band, und wir streben keinen durchschlagenden Sofort-Erfolg an.
Wir wollen nur, dass die Leute diese Platte erleben

Sam Griffiths, The Howl & The Hum

Indiespect: Spürt ihr eine neue Art der Einsamkeit in der derzeit verlangsamten Welt oder zieht ihr mehr positive Dinge daraus?

Sam: Ich mache mir Sorgen um Menschen, die heutzutage aussen vor bleiben. Vor allem um ältere Menschen, die keinen Zugang zum Internet haben oder nicht wissen, wie man es benutzt, und die sowieso ziemlich einsam sind. In jedem von uns steckt ein angeborenes Gefühl der menschlichen Verbundenheit, das sich danach sehnt, das Gesicht von jemandem im wirklichen Leben zu sehen. Aber wir sehen echte Beispiele an menschlicher Güte und Solidarität, was mir Hoffnung gibt angesichts des Umgangs unserer Regierung mit der Krise. Und diese menschliche Güte scheint global zu sein.

The Howl & The hum

The Howl & The Hum werden ihr Debütalbum «Human Contact» on am 29. Mai 2020 veröffentlichen.

Tracklist
  1. Love You Like A Gun
  2. Human Contact
  3. Hall Of Fame
  4. Hostages
  5. Murmur
  6. The Only Boy Racer Left On The Island
  7. Got You On My Side
  8. Until I Found A Rose
  9. A Hotel Song
  10. Smoke
  11. Sweet Fading Silver
  12. 27
  13. [Pigs]

Indiespect: Welches Ziel strebt ihr mit dem Debüt an? Welches sind eure kühnsten Träume, was passieren könnte?

Sam: Ich meine, meine wildesten Träume sind nur für die Ohren meines Therapeuten bestimmt – aber wir würden mit dieser Platte gerne um die Welt reisen. Vielleicht die Band ausbauen und Gastmusiker zu uns holen, um ein paar verrückte Sounds zu machen – und schliesslich unseren Müttern Häuser in Südfrankreich kaufen (etwas, was ich meiner Mutter versprechen musste, als sie mir meine erste Gitarre kaufte). Aber das ist vielleicht noch ein paar Jahre entfernt.

Meine wildesten Träume sind nur für die Ohren meines Therapeuten bestimmt
Sam Griffiths, The Howl & The Hum

Indiespect: Wenn du Song auswählen müsstest, den du einem potenziellen neuen «The Howl & The Hum»-Fan zeigen könntest, der eure DNA am besten transportiert, welcher wäre es?

Sam: Für die natürlich klingende Band und das Songwriting, wahrscheinlich Sweet Fading Silver, von unserem neuen Album. Für das, was man von einer Live-Show erwarten kann, wahrscheinlich so etwas wie Portrait I oder Murder, was ältere Stücke sind. Aber diese lassen die Leute live noch immer grooven, was wir lieben. Tritt unserem Kult bei!

Title image: © Tess Janssen