Albani Winterthur:
Ein Haus mit Geschichte und Zukunft

In Spektrum by indiespect

Im Herzen der Winterthurer Steinberggasse, kurz «Steibi», befindet sich ein Haus, das schon seit Jahrzehnten für Kultur steht. Das Albani ist unter anderem Konzertlocation, sozialer Treffpunkt, Kaffee, Gartenbeiz und Hotel. Das Gebäude stand zum Verkauf und mithilfe eines erfolgreichen Crowdfundings konnten die Betreiber von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Olivia Staub und Roland Mages von der Geschäftsleitung des Albani haben während der Kampagne die Geschichte ihres Wirkungsortes noch intensiver kennengelernt. 

Ein neues Albani-Kapitel beginnt

Die Immobilie befindet sich bereits seit mehreren Generationen in Familienbesitz. Da die aktuellen Eigentümer keine Nachkommen haben, entschlossen sie sich während des Lockdowns im Frühjahr 2020 zum Verkauf der Immobilie. Zusätzlich zu einer Million von Privatinvestoren waren die Betreiber auf die Hilfe von aussen angewiesen. Mit einem Crowdfunding wollten sie die zusätzlich benötigten 500’000 Franken auftreiben, um bei der Bank für den Rest des Kaufpreises von 3,28 Mio. eine Hypothek aufnehmen zu können. Die Kampagne auf lokalhelden.ch wuchs in einem unglaublichen Tempo, in 21 Tagen kamen 564’079 Franken zusammen. Ich war immer relativ sicher, dass wir die halbe Million schaffen. Aber ich habe gedacht, wir müssen bis zum letzten Tag auf der Strasse Flyer verteilen und Mami, Papi, Grosi, Grosstante anschreiben, so Olivia Staub. Der Kauf der Liegenschaft ist bereits abgewickelt und aktuell gehört das Haus der Albani Music Club AG. Diese hat vom Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Bis Ende des Jahres wird eine neue Immobilien AG gegründet und die Beträge (Summe aus dem Crowdfunding, welche dem Verein Albani gehört sowie die jeweiligen Beiträge der privaten Investoren) werden in ein entsprechendes Aktienkapital umgewandelt. Der Verein Albani ist mit dem Betrag aus dem Crowdfunding Hauptaktionär der neuen Immobilien AG, welche insgesamt 12 Aktionär*innen zählt und mit der klaren Absicht gegründet wird, dass der älteste Club Winterthurs dauerhaft bestehen bleiben soll.

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Grosser Rückhalt bei den Anwohnern

Dass das Crowdfunding so erfolgreich war, ist ein grosses Zeichen, dass die Leute in Winterthur möchten, dass die Steibi so bleibt, wie sie ist, so Olivia Staub. Vor einigen Jahren waren in dieser Hinsicht noch einige Ängste vorhanden. Andere Clubs im Kanton mussten schliessen, weil die Lärmklagen zunahmen. Teure Wohnungen wurden gebaut und der Kulturbetrieb daneben war plötzlich ein Dorn im Auge. Auch in Winterthur gab es deswegen schon Bedenken. Doch in den letzten Jahren war die Beziehung zu den Nachbarn sehr gut und es gibt aktuell keine Tendenz, dass Wohnungen die renoviert werden, plötzlich überteuert auf den Markt kommen.

Dass das Crowdfunding so erfolgreich war, ist ein grosses Zeichen, dass die Leute in Winterthur möchten, dass die Steibi so bleibt, wie sie ist
Olivia Staub, Albani Winterthur

Die Erfolgsformel und ihre Tücken

Wir sind ein Club, der recht breit aufgestellt ist – auch im Bezug auf das Publikum, welches bei uns verkehrt. Durch die Lage und die Gartenbeiz verkehrt politisch bei uns alles, sagt Roland Mages. Damit spricht er einen wichtigen Punkt an. Das Albani ist mehr als bloss ein Club. In den letzten 15 Jahren hat es sich massiv verändert und entwickelt. Als ich anfing, waren nur die Partys rentabel, vielleicht mal ab und zu ein Konzert. Unter der Woche war der Barbetrieb tot, da hast du kein Geld verdient. Es sah aber auch katastrophal aus, es war nicht gemütlich, ergänzt Mages. Wo früher nach eigener Aussage hässliche Holzwürfel mit Metallfüssen standen, sorgen jetzt stilvolle Vintage-Möbel für ein Ambiente, in dem man gerne länger verweilt. So wurde auch der Barbetrieb unter der Woche immer wichtiger. Als im Sommer die Coronazahlen tief waren, brummte die Gartenwirtschaft. Während auf andere Clubs nach einem kargen Winter das Sommerloch wartet, sorgen die ersten Sonnenstrahlen in der Steibi für ein hohes Gästeaufkommen. Dazu kommen noch die neun Hotelzimmer, die unter normalen Umständen ebenfalls gut gebucht sind.

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Der gemütliche Vintage-Look im Albani lädt erst seit wenigen Jahren zum Verweilen ein.

Was sich wie die perfekte Zauberformel liest, hat natürlich auch Schattenseiten. Für die Betreiber ist es nicht immer leicht, den Spagat zwischen den verschiedenen Segmenten zu machen. Die Schichten des Personals müssen so eingeteilt werden, dass der Übergang von der Gartenwirtschaft zur Party funktioniert. Hätte der Eigentümer gewechselt, so wären statt des Hotels Studentenwohnungen in den oberen Etagen geplant gewesen. Der Zwischenstock, welcher als Lärmpuffer, Backstage und Büro benutzt wird, wäre wohl ebenfalls ausgebaut worden, um die Rentabilität zu sichern. Schon jetzt hört man im Hotel, wenn ein Konzert oder eine Party im Gang ist, das wäre mit den Umbauplänen noch intensiviert worden. Staub fügt an: Ich glaube nicht, dass da längerfristig sehr glückliche Studierende drin gewesen wären. Obwohl es arbeitstechnisch für die Betreiber vielleicht einfacher gewesen wäre, sich nur noch auf den Club zu fokussieren, hätte es ihnen zum einen gefehlt und langfristig wären Probleme wegen des Lärms vorprogrammiert gewesen. Man ist dementsprechend froh, dass es anders gekommen ist.

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Das neue Fumoir im «Alice im Wunderland»-Look ist einer der Lieblingsorte von Olivia Staub.

Von der Bar in die Geschäftsleitung

Olivia Staub ist seit diesem Sommer Mitglied in der Geschäftsleitung. Ihr Werdegang steht exemplarisch für viele Mitarbeiter*innen im Albani. Bereits während der Zeit an der Kanti kam Olivia oft als Gast in den Club. Dort hat sie sich mit dem Personal angefreundet. Als sie eine Arbeit für das Zwischenjahr nach der Matura suchte, wurde sie von Roland Mages eingestellt. Auch während des Studiums arbeitete sie lange Zeit an der Bar und hat vor drei Jahren ins Büro gewechselt. Auch Geschäftsführer Roland hat 2007 an der Bar angefangen. Nachdem es einen Wechsel in der Geschäftsleitung gab, wurde er bereits nach einem halben Jahr ein Teil von ihr.

Die Leute fangen an der Garderobe oder an der Kasse an. Die engagierten nimmst du dann an die Bar.
Wenn sie an der Bar arbeiten, kennen sie schon den ganzen Betrieb und können man mal einen Abend die Produktion leiten.

Roland Mages, Albani Winterthur

Wir fördern das auch. Die Leute fangen vielleicht mal an der Garderobe oder an der Kasse an. Die engagierten nimmst du dann an die Bar. Wenn sie an der Bar arbeiten, kennen sie schon den ganzen Betrieb und können man mal einen Abend die Produktion leiten, so Mages. Meist sind es Studenten. Wenn sich die Arbeit gar mit dem Studium deckt, ist das der Optimalfall, um die Leute im Betrieb weiter aufzubauen. Das Albani hat sehr viele Mitarbeiter*innen, die bereits seit zehn Jahren ihrem Arbeitgeber treu sind. Es ist eine Win-Win-Situation für alle Seiten, da es einfacher wird, je mehr Leute man hat, die wissen wie es läuft.

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Wenn keine Konzerte stattfinden, können sich die Gäste auf der Albani-Bühne wie Stars fühlen.

Die berühmt-berüchtigte Bühne

Es ist Improvisation gefragt, wenn Bands mit vielen Mitgliedern im Albani auftreten. Der Platz auf der kleinen Bühne neben der Bar ist so begrenzt, dass Instrumente oder Mikrofonständer teils neben oder hinter der Bühne platziert werden müssen. Pearl Jam haben bei ihrem Auftritt im Albani gar etwas unfreiwillig ihr erstes Unplugged-Konzert gespielt, weil die ganzen Gerätschaften einfach zu viel Platz beansprucht hätten. Die bescheidene Grösse der Bühne ist auch im technischen Rider des Clubs deutlich vermerkt: PLEASE NOTE: IT’S A REALLY SMALL STAGE (3.5 x 3.5 meters with extension Clearance: back: 2.5m front: 5m). Früher war es gar noch enger, weil sich die Bar in U-Form mitten auf der Tanzfläche befand. Trotz oder gerade wegen der kleinen Grösse, steht das Albani für magische Konzerterlebnisse. Zusammen mit der Galerie sorgt der kleine Raum für eine einmalige Intimität zwischen Publikum und Künstler, wie es sie wohl an kaum einem anderen Ort gibt.

PLEASE NOTE: IT’S A REALLY SMALL STAGE
Der technische Rider des Albani weist in grossen Lettern auf die kleine Bühne hin.

Die Entdeckung der eigenen Identität

Im Zuge des Crowdfundings haben Olivia und Roland ihr Albani noch einmal ganz neu kennengelernt. Sie tauchten ein in die Geschichte des Hauses und entdeckten unter anderem auf der Website des ehemaligen Geschäftsführers zahlreiche Bilder und Anekdoten. Peter Meierhofer führte das Albani von 1982 bis 1988. Mittlerweile ist er Betreiber des Restaurant Waage in Eschlikon. Seine Homepage ist etwas vom ältesten, das es in Sachen Homepage gibt. Aber er hat eine eigene Rubrik namens «Albani Jazz Club». Dort hat es alles mögliche. Zum Beispiel auch die Fotos vom Drachen in der Steinberggasse. Mages spricht über eine Aktion, welche der Steibi 1987 einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde einbrachte. Ein riesiger gemalter Drache wurde zum grössten Strassenbild der Welt erkürt.

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Hinter dem spektakulären Layout verbirgt die Website des Restaurant Waage viele Schätze aus der Geschichte des Albani Jazz Clubs.

Albani Winterthur: Club der Liebe

Auch von Besucherseite kommen immer wieder faszinierende Geschichten. So betrat im Sommer eine ältere Dame das Albani und begann Fotos zu machen. Man kam ins Gespräch und so erzählte sie, dass vor Kurzem der Vater ihres Sohnes verstorben sei. Sie habe ihn hier kennengelernt, als er mit seiner Band im Albani spielte. Es stellte sich heraus, dass es sich um Gerry Williams, den Keyboarder der Band Eruption handelte. Aus der Formation mit dem Hit One Way Ticket entstand später Boney. M. Die Dame präsentierte auch ein Foto von ihrem Sohn, das alles andere als gewöhnlich war. Er ist nämlich mit der kompletten Besetzung von ABBA zu sehen, die ihn auf Händen trägt.

Mythen und Legenden

Seit 1988 ist in der History alles ziemlich gut dokumentiert. Es ist bekannt, welche Bands vor ihrem grossen Durchbruch auf der Albani-Bühne standen. Doch auch davor waren bereits grosse Acts zu Gast im ältesten Club der Stadt. Immer wieder erzählen Besucher von legendären Konzerten, die sie in den 70er-Jahren dort gesehen hätten. Unter anderem fiel bereits der Name Black Sabbath. Da jedoch das Archiv aus früheren Jahren eher lückenhaft ist, taucht der Name der Formation um Sänger Ozzy Osbourne in der History nirgends auf. Es wäre also sicherlich spannend im Winterthurer Stadtarchiv zu forschen, um auch die weniger gut dokumentierten Jahrzehnte zu durchleuchten. Bestimmt würden noch einige wunderbare und überraschende Geschichten in Verbindung mit dem ehrwürdigen Haus zum Vorschein kommen.

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To be continued... Eine Wand voll mit Geschichten eines einmaligen Clubs.

Zahlen und Fakten
Website Albani

Einige Impressionen