Rezension: Balthazar – Sand

In Album-Tipps, Highlights by indiespect

Balthazar
  1. Moment
  2. Losers
  3. On A Roll
  4. I Want You
  5. You Won't Come Around
  6. Linger On
  7. Hourglass
  8. Passing Through
  9. Leaving Antwerp
  10. Halfway
  11. Powerless

Künstler: Balthazar

Album-Titel: Sand

VÖ: 26.02.2021

7.5/10

Balthazar liefern mit «Sand» ihr fünftes Studioalbum und den Nachfolger zu «Fever» von 2019. Die Abstände zwischen den Alben werden kürzer, die Musik reduzierter. Was bleibt, ist der unverkennbare Klang der Belgier und die unnachahmliche Coolness, die ihre Kompositionen ausstrahlen. Beinahe scheint es, als wollen Balthazar ihre Essenz finden. Auf dieser Suche gibt es zwischen Perlen dieses Experiments auch einige leichte Durchhänger. Doch nach einer Veröffentlichung wie «Fever» fällt es auch nicht leicht, die Qualität noch weiter hochzuschrauben.

«Sand»: Balthazar ziehen weiterhin aus ihren Soloprojekten Inspiration

Kaum eine Band scheint so durch die Soloprojekte der Sänger geprägt worden zu sein, wie Balthazar seit den Alben von Warhaus und J. Bernardt. Dass diese Ausflüge und das Aufbrechen von Grenzen den Belgiern gut getan haben, zeigte sich bereits vor zwei Jahren bei Fever. Damals fanden die Pfade, welche Maarten Devoldere und Jinte Deprez eingeschlagen hatten, wieder auf symbiotische Art und Weise zusammen. Bei Sand driftet die Band eher in die beatorientierte Richtung von J. Bernardt und verliert dadurch teilweise an Melodiösität. Aber mit Tracks wie On A Roll oder Losers müssen sich die Belgier weiterhin nicht verstecken.

Holländische Kunst als Albumcover

Das Cover haben die Belgier wieder alles andere als gewöhnlich gestaltet. Es zeigt eine Skulptur der niederländischen Künstlerin Margriet Van Breevoort mit dem Namen Homunculus loxodontus. Das Kunstwerk erhielt durch ein russisches Internetportal grössere Aufmerksamkeit. Die Moskauer Deutsche Zeitung beschreibt es in einem Artikel vom 16. Februar 2017 ganz treffend: Die Künstlerin kreuzte einen See-Elefanten und eine Raupe, legte diesem Wesen einige menschliche Züge mit in die Wiege und wollte so Patienten des Medizinischen Zentrums der Universität Leiden aufmuntern. Als dann jedoch Ende Januar nach rund einem Jahr ein Foto des drolligen Geschöpfs auf dem russischen Internetportal Pikabu.ru auftauchte, vervielfachte sich die Zahl derer, die Homunculus loxodontus aufmunterte, praktisch im Stundentakt.

Track by Track

Moment setzt als Opener dort an, wo Fever vor zwei Jahren aufgehört hat. Durfte beim Vorgänger Maarten Devoldere den Leadgesang übernehmen, ist bei diesem Eröffnungs-Track Jinte Deprez an der Reihe. Wiederum kommen Bläser zum Zug, doch auf den Einsatz von Violine wird verzichtet. Es scheint fast so, als hätte die Band nach dem Ausstieg von Gründungsmitglied Patricia Vanneste auch ihr Instrument peu à peu verabschiedet.

Die warme Stimme Maarten Devoldere trägt die Strophen von Losers, während Deprez im Refrain seine klaren Akzente setzt. In dieser Kombination sind Balthazar unschlagbar. Das Tempo ist gedrosselt, doch mit dem Einsatz eines wunderbar platzierten Gitarrensolos erhält der Track den perfekten Feinschliff.

Ohne Pause setzt der Gesang bei On A Roll ein. Sofort ist man gefangen in der Welt des Songs. Kombiniert mit einem groovigen Rhythmus und cleveren Gitarren-Licks wird der Song sofort zum Highlight-Track. Der melodische Wechsel im Refrain und der Einsatz von Posaune und Trompete tragen ihren Teil dazu bei. Auch das Musikvideo ist sehr zu empfehlen. Es untermalt mit tollen Bildern die Coolness der beiden Sänger in Klang und Optik.

Ah I know you've seen it coming Telling me I should stop running From it all But how I keep on running Running right to you Ah I know you've seen it coming Telling me I should stop running From it all But how I keep on runningOn A Roll, Balthazar

Mit einer sphärischen Melodie eröffnet I Want You, bevor ein treibender Rhythmus Einzug hält. Wenn Devoldere die Zeilen «that motherfucker should leave» haucht, tut er das mit spürbar viel Genuss. Das gleichbleibende Klanggewand gibt dem Track das Gefühl als würde ein stetiger Tropfen in einem kalten, dunkeln Kellergewölbe zu Boden fallen. Wieder und wieder und wieder. Mit dem sanften Einsatz von Saxofon wirkt er beinahe meditativ.

You Won't Come Around war eine der Vorabveröffentlichungen zum Album, die eine ruhigere Seite von Balthazar zeigt. Die Bassläufe, welche den Sound der Band seit dem Debüt geprägt haben, sind hier neben der Stimme das tragende Element. Mit seiner Gemütlichkeit passt der Track bestens zu einem Tag am See oder einem kühlen Sommer-Drink im Schatten. Bei dieser Gelegenheit stört auch die Länge von über fünf Minuten nicht wirklich. Ansonsten hätte es dem Song aber nicht geschadet, auf einige Schlaufen oder Instrumentalparts zu verzichten.

Eine aktivere Rolle nimmt Linger On ein. Hier muss man den Drink aus der Hand legen und sich im schnelleren Schritttempo fortbewegen. Die Instrumentierung ist trotz schnellerem Takt reduziert und enthält elektronische Elemente, die an Popcorn von Hot Butter erinnern.

Einen eigentlichen Titeltrack gibt es beim aktuellen Album nicht. In Hourglass fällt im Refrain jedoch das Wort Sand, was den Song auf einer Art zu diesem macht. Ein Zwischenteil mit Falsett-Gesang à la Bee Gees ist anfangs ganz spannend, doch auch dieser wird etwas zu oft innerhalb des Stücks platziert. 

If it's the fifth time that I say the same Then forgive me for it, yeah, let me take all the blame, but If there's a chance to touch your heart again I'll repeat myself till I Iose count of this thing, hear me sayHalfway, Balthazar

Passing Through mäandriert  durch den Gehörgang. Beschwingt, aber doch unaufdringlich begleitet er einen, bevor im hinteren Drittel des Songs die verloren geglaubte Violine wie aus dem Nichts auftaucht. Die Wirkung wird durch die Ruhe der Komposition noch verstärkt.

Der neunte Track trägt den Titel Leaving Antwerp. Eine erste Referenz auf eine Stadt im Heimatland von Balthazar. Wieder darf das Saxofon aufspielen. Der Song erinnert an die Anfänge der Band, zum Beispiel an Blood Like Wine. Dort gibt es eine abschliessende Textpassage, die bis zum Exzess wiederholt wird. Hier ist es zwar nur ein Gesangspart, aber das repetitive dieses krächzenden Einwurfs hat etwas nervtötendes, das einer sonst guten Komposition einen faden Nachgeschmack gibt.

Bereits während der Fever-Tour veröffentlichten Balthazar Halfway. Seine Live-Premiere feierte der Song am Tag der Erscheinung im ausverkauften Kaufleuten in Zürich. Beim kürzesten Stück des Albums werden wieder alle Zutaten richtig gemischt. Das macht Halfway zu einer tollen Nummer, die auch live richtig gut funktioniert.

Der Closer heisst Powerless – ein Gefühl, dass man bei den Belgiern eigentlich nie spürt. Auch wenn sie ruhige Songs schreiben, besitzen diese immer eine ganz eigene Kraft. So wird im Text dann auch eher das Wort Power betont. Irgendwann gleitet Sand ganz sanft dem Ende entgegen, bevor nach einem verirrten Klavierton und einer kleinen Gitarrenmelodie die Stille Einzug hält.

Balthazar

Die beiden Stimmen von Balthazar: Maarten Devoldere (links) und Jinte Deprez (rechts).

Fazit

Auch auf ihrem fünften Album bleiben sich Balthazar treu. Die Violine weicht immer mehr dem Saxofon und die Beats werden verstärkt eingesetzt. Auf Sand gibt es zahlreiche Highlights, zwischendurch wirken jedoch wiederholende Elemente beim Durchhören des Albums etwas störend. Vielleicht werden auch diese Tracks mit der Zeit wachsen, das wird sich vor allem zeigen, nachdem die Belgier die neuen Stücke auf die Bühne bringen konnten. So zum Beispiel am 26. Oktober 2021, wenn Balthazar wieder in Zürich auftreten – dieses Mal im Volkshaus.