Der musikalische Werdegang von Patrick Droney klingt für Aussenstehende beinahe ausgedacht. Mit zwölf gewann er als Gitarrist den Robert Johnson Award und stand bereits mit Grössen wie B. B. King oder James Brown auf der Bühne. Nun lebt der Musiker seit fünf Jahren in der Country-Hauptstadt Nashville und veröffentlicht im Mai sein erstes Album beim Major Label Warner Music. Im Gespräch erzählt er von seinen Stationen im Leben, dem Stellenwert von Musik sowie von seinen Wurzeln.
Indiespect: Dein neuester Song heisst «State of the Heart». Du hast bereits im Oktober 2020 eine EP mit dem gleichen Titel veröffentlicht. Gibt es einen Grund, warum der Titeltrack nicht schon auf der EP war?
Patrick Droney: Das ist auch der Titel des Albums. State of the Heart war die erste Phase der Platte. Dieser Song ist thematisch sehr wichtig und er fasst das ganze Album zusammen. Ich dachte, das wäre ein wirklich guter Zeitpunkt, um mit ihm dieses nächste Kapitel aufzuschlagen.
Indiespect: Du hast in Nashville hunderte von Songs geschrieben und musstest fünf für deine EP auswählen. Wirst du einige davon für das Album wiederverwenden oder hast du dafür hunderte mehr geschrieben?
Patrick: Das Album kommt im Mai raus und es werden Songs aus den letzten fünf Jahren enthalten sein. Ich habe «State of the Heart» im Jahr 2017 geschrieben. Diese Songs leben mit dir und für mich ist es etwas ganz Besonderes, die Erfahrungen zu machen, wohin sie mit mir gereist sind. Aktuell kann ich Songs auswählen, die meine Geschichte auf eine einzigartige Weise erzählen. Es gibt wahrscheinlich zehn verschiedene Versionen, wie dieses Album hätte sein können. Aber das ist ein Teil davon. Man muss einfach weiter schreiben. Für all diese Stücke wird es später noch Platz geben. Aber auf diese Auswahl bin ich wirklich stolz.
Patrick Droney ist auf dem Weg zum ersten Studioalbum.
Indiespect: Die Schauspielerin Lucy Hale spielt eine Hauptrolle im Musikvideo. Gibt es eine persönliche Verbindung zwischen euch oder wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Patrick: Lucy und ich sind schon seit Jahren befreundet. Ich habe grossen Respekt vor dem, was sie als Schauspielerin leistet. Es macht sehr demütig, an ihrer Seite zu schauspielern. Ich bin wirklich gut darin, Musik zu machen, aber mit jemandem auf der Leinwand zu sein, der vor der Kamera so unglaublich gut ist und Emotionen zu teilen war wirklich inspirierend. Das hat mir geholfen, die Situation zu meistern. Ich bin dankbar, dass sie mir geholfen hat, meine Geschichte zu erzählen. Wir wollten schon immer etwas zusammen machen und es war eine grossartige Gelegenheit an, dies zu tun.
Indiespect: Ich habe gesehen, dass du deine Uhr am rechten Handgelenk trägst, genau wie ich. Bist du auch Linkshänder?
Patrick: Ich bin Linkshänder, ja. Aber ich spiele meine Gitarre rechtshändig.
Indiespect: Gab es jemals die Überlegung, eine Linkshänder-Gitarre zu spielen?
Patrick: Mein Vater ist Gitarrist und er hat mich als Kind zur Musik gebracht hat. Er hat für mich die Entscheidung getroffen, dass ich keine seiner Gitarren spielen kann, wenn ich linkshändig spiele. Ich glaube, dass es ein Teil meiner Spielweise wurde. Meine dominante Hand ist meine Zupfhand. Es hat geklappt und ich liebe den Aspekt beide Hände auf diese Art einzusetzen. Aber gutes Auge!
«Pretty Little Liars»-Star Lucy Hale ist Teil von Patrick Droneys neuem Musikvideo zu «State of the Heart».
Indiespect: Du hast das Clive Davis Institute an der NYU besucht. Hat diese Ausbildung deinen musikalischen Stil verändert? Oder was waren die Dinge, die du dort gelernt hast?
Patrick: Als ich aufs College ging, war ich 18 Jahre alt und ich habe seit etwa acht Jahren Musik gemacht. Ich hatte schon als Kind eine Menge wirklich cooler Sachen in der Bluesmusik erlebt. Zur Schule zu gehen war meine Art, wieder ins Leben zurückzufinden. New York war zu dieser Zeit so wichtig für mich. Das Clive Davis Institute war eine wunderbare Erfahrung, weil ich mit Leuten zusammen war, die die gleichen Interessen hatten. Zudem konnte mich mit dem Musikgeschäft beschäftigen. Man lernte darum, sein grösster Fürsprecher zu sein und zu verstehen, wie man sich selbst schützen kann, wie man versucht, eine Karriere zu haben, die von langer Dauer ist. Es war vor allem für die intellektuelle Seite der Musik sehr wichtig. Aber mehr als alles andere ging es darum, in New York zu leben und zu spüren, wie das Leben auf mich einwirkte. Es ist eine Stadt, die mich und einen grossen Teil dieses Albums inspiriert hat. New York ist der Ort, für den mein Herz schlägt, und diese Zeit war einfach sehr besonders und wichtig.
New York ist der Ort, für den mein Herz schlägt, und diese Zeit war einfach sehr besonders und wichtig.
Indiespect: Du hast im ganzen Land gelebt. Du wurdest in Lancaster, Pennsylvania, geboren, hast in New York und Los Angeles gelebt. Jetzt lebst du in Nashville. Inwiefern haben diese verschiedenen Städte dich als Künstler beeinflusst?
Patrick: Immens, ehrlich gesagt. Als ich in Jersey aufwuchs, war ich in der Nähe von Atlantic City und New York. In jungen Jahren konnte ich an zwei Orten Musik machen. Als ich nach New York zog, hatte ich noch immer diese Einstellung und ich habe gelernt, dass man eine sehr harte Schale haben muss, um in New York zu leben. Musikalisch haben sich die verschiedenen Orte auf eine bestimmte Weise ausgewirkt. In Los Angeles habe ich mir den Kopf zerbrochen und angefangen mir zu überlegen, wie ich mir alles vorstelle und wie ich meinen Traum verwirklichen kann. Nashville ist natürlich aus der Perspektive des Songwritings sehr wichtig. Das Handwerk des Songwritings wird hier noch sehr verehrt. Ich bin sehr demütig, hierher gezogen zu sein und Songwriter getroffen zu haben, die mir halfen zu verstehen, wie man mit Worten seine Geschichten erzählt. Jeder Ort ist so wichtig und macht am Ende des Tages Sinn. Sie sind alle auf unterschiedliche Weise in der Musik enthalten.
Indiespect: Deine Musik hat eindeutig ihre Wurzeln in der amerikanischen Musik, beispielsweise im Blues und Soul. Hörst du auch europäische Künstler oder bist du vollständig auf amerikanische Musik fokussiert?
Patrick: Ganz im Gegenteil. Ich hatte schon immer eine sehr breite Palette. Als ich aufgewachsen bin, war es eigentlich viel spannender, was in Übersee passiert ist. Für mich hat alles unter der Sonne eine Bedeutung. Der Britpop und die schwere Synthie-Musik haben mich inspiriert. Vieles auf dieser Platte ist tatsächlich sehr synthie-basiert, im Zusammenspiel mit Gitarre. Die Leute kennen mich als Gitarristen, aber sie wissen nicht, wie besessen ich von Synthesizern und Keyboards bin. Ich spiele das alles auf dieser Platte. Es ist ein grosses Durcheinander von verschiedenen Schmelztiegeln. So amerikanisch ich auch klingen mag, ich bin definitiv voll dabei. Ich kann es kaum erwarten, in Übersee zu spielen und dort eine Community aufzubauen. Denn ich denke, das ist der Punkt. Es ist erstaunlich, dass wir uns überhaupt unterhalten, weil die Musik so weit gereist ist, dass ich dich auf meinem Bildschirm habe. Das ist ziemlich grossartig.
Patrick Droney während des Video-Interviews.
Indiespect: Das ist eine Sache, die mir aufgefallen ist, als ich deine Musik hörte. Auch wenn du in der Lage bist, die verrücktesten Gitarrenlicks und -soli hinzukriegen, enthält deine Musik auch Beats und eine Menge Produktion. Was hat dich zu der Entscheidung geführt, dich in deiner Musik nicht ganz auf die Gitarre zu konzentrieren?
Patrick: Für mich war es als junger Gitarrist toll, zu jammen und zu spielen. Aber es wurde immer wichtiger, eine Geschichte zu erzählen. Das wollte ich durch Songs, Texte und Gesang erreichen. Und wie kann ich als Gitarrist meine Gitarre zum Singen bringen und eine Verbindung zu den Leuten herstellen, statt nur zu prahlen? Es war eine lange Reise, um dieses Gleichgewicht zu finden. Ich bin so stolz auf dieses Album, es zeigt alle Facetten von mir, so auch mein Gitarrenspiel. Es gibt Soli auf dieser Platte, wirklich wichtige Soli. Aber sie sind in eine verdauliche Form verpackt, welche die Leute hoffentlich mit den Emotionen der Songs verbinden können. Bei der Produktion ging es mir immer um die Frage, wie ich die Hörer am direktesten ansprechen kann, ohne mich selbst zu überhöhen, indem ich nur Gitarre spiele.
Bei der Produktion ging es mir immer um die Frage, wie ich die Hörer am direktesten ansprechen kann,
ohne mich selbst zu überhöhen, indem ich nur Gitarre spiele.
Indiespect: Vor ziemlich genau 30 Jahren ist Leo Fender gestorben. Du arbeitest nun schon eine ganze Weile mit Fender zusammen. Was macht diese Marke für dich besonders?
Patrick: Fender ist meine bevorzugte Marke, seit ich etwa sechs Jahre alt bin. Die erste Gitarre meines Vaters war eine Strat, diese hat er mir geschenkt. Sie wurde mein bester Freund. Die Fender Stratocaster ist einfach mein ganzes Leben lang mein bester Freund gewesen. In den letzten fünf Jahren konnte ich viel Zeit damit verbringen, mit Fender als Marke zu arbeiten. Sie sind wirklich auf Künstler fokussiert und unsere Meinung ist ihnen wichtig. Einfach ein Teil ihrer Sphäre zu sein, war etwas ganz Besonderes. Ich repräsentiere sie immer in meiner Musik, weil die Stratocaster ein so grosser Teil von mir ist.
Patrick Droney mit seinem besten Freund: der Fender Stratocaster.
Indiespect: Du hast als Nachwuchsgitarrist den Robert Johnson Award gewonnen, als du 12 Jahre alt warst. In Interviews hast du erzählt, dass du mit Legenden wie B.B. King und James Brown gespielt hast. Das klingt von aussen betrachtet fast unglaublich. Warst du irgendwann mal starstruck, oder fühlt es sich für dich so natürlich an, Musik zu machen, dass du diese Leute einfach als Musiker interessant findest?
Patrick: Interessant ist das richtige Wort. Wenn man es so betrachtet, sind es einfach interessante Moment im Leben. Das nimmt dem Ganzen den Druck. Ich bin in der Nähe meiner Helden aufgewachsen. Übrigens bin ich nur eines von vielen Kindern, denen B.B. King eine Bühne gab. Diese Jungs wollten die Fackel weitergeben. Sie haben an die nächste Generation geglaubt, und ich hatte einfach das Glück, ein Teil davon zu sein. In dieser prägenden Zeit in der Lage zu sein, mit solchen Cracks zusammen zu sein, hat die Perspektive verändert, soweit es um die Verehrung von Stars geht. Wir sind alle nur Menschen. Ich respektiere Leute, die grossartige Musik gemacht haben, aber es ist nie gut zu denken, dass jemand über jemandem steht oder auf einem ganz anderen Level ist.
Wir sind alle nur Menschen. Ich respektiere Leute, die grossartige Musik gemacht haben, aber es ist nie gut zu denken,
dass jemand über jemandem steht oder auf einem ganz anderen Level ist.
Indiespect: War es das gleiche Gefühl, als du während deiner Zeit an der NYU eine Session für Universal Music spielen konntest?
Patrick: Ja! Es geht darum, darauf vorbereitet zu sein, dass das Leben dir passiert und dann den Moment zu ergreifen. Wir haben alle damit zu kämpfen, dass wir Angst haben oder ängstlich sind. Aber wenn man darauf vertraut, dass man dazu bestimmt ist an einem bestimmten Ort zu sein, dann passieren die Dinge wirklich. Ich denke, es geht nur darum, präsent zu sein. Ich bin froh, dass diese Momente für mich aufgetaucht sind und wir heute hier sind. Es macht Spass, darüber zu reden und nachzudenken.
Patrick Droney lebt seit fünf Jahren in Nashville.
Indiespect: Für Indie-Künstler in der Schweiz oder generell in Europa ist es wirklich schwer, mit einem Major-Label in Kontakt zu kommen oder einen Deal mit ihnen zu bekommen. Wie hast du diese Verbindungen bekommen?
Patrick: Das geht darauf zurück, dass es für mich diese Idee «es zu schaffen» nicht gibt. Man macht einfach sein Ding. Man macht seine Musik, man arbeitet hart und hat Geduld. Es geht nicht darum, den Gipfel zu erklimmen und bei einem Major-Label zu unterschreiben. Darum geht es wirklich nicht. Du hast deine Musik so weit entwickelt, dass die Leute an dich glauben und du mit ihnen zusammenarbeiten willst, um deine Geschichte besser zu erzählen. Mein erster Major-Label-Deal ist mit Warner. Universal war ein Verlagsvertrag. Für mich als Songwriter war es toll, eine Bestätigung zu bekommen. Die Zusammenarbeit mit Warner Records war ein Traum, weil wir alle auf das gleiche Ziel fokussiert sind, nämlich diese Musik so gut wie möglich zu machen. Aber es hat achtzehn Jahre gedauert, bis ich an diesen Punkt gekommen bin. Dorthin, wo es sich so einfach anfühlt oder so, als ob es einfach passiert. Es liegt eine Welt hinter mir, um an den Anfang zu kommen.
Indiespect: Ich hoffe du verstehst mich nicht falsch. Es war nicht so gemeint, dass es für dich zu einfach war.
Patrick: Nein, ich weiss. Mein Rat an solche Bands wäre: Konzentriert euch auf eure Musik. Konzentriert euch auf das, was ihr habt und auf eure Fans. Lasst das der Katalysator sein und lasst die anderen Sachen passieren.
Konzentriert euch auf eure Musik. Konzentriert euch auf das, was ihr habt und auf eure Fans.
Lasst das der Katalysator sein und lasst die anderen Sachen passieren.
Indiespect: Hast du jemals an eine andere Art zu leben gedacht, als Musik zu machen?
Patrick: Gute Frage! Und – nein. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, mich für die Musik entschieden zu haben. Ich habe einfach nie aufgehört zu spielen. Und plötzlich sind wir hier. Das ist ein gewisser Druck. Gleichzeitig entspannt es mich auch, denn das ist das Einzige, was ich machen will. Wenn ich das nicht machen würde, würde ich irgendwie sonst ein Teil davon sein, weil ich an die Kraft der Musik glaube. Geschichten zu erzählen und Menschen miteinander zu verbinden. Ich bin einfach froh, auf der Seite der Bühne zu stehen. Aber wenn ich nicht auf dieser Seite wäre, dann wäre ich auf einer anderen Seite davon.
Indiespect: Du hattest eine Kollaboration mit dem norwegischen Künstler Kygo. Seine Musik ist ganz anders als deine. Welche Genres würdest du in Zukunft gerne noch entdecken?
Patrick: Ich bin da wirklich sehr offen. Die Zusammenarbeit mit Kygo war ein tolles Beispiel dafür, wie sich ein grossartiger Song in jedes Genre übersetzen lässt. Für mich geht es eher darum, inspirierende Kollaborationspartner zu entdecken, egal in welchem Genre sie sich befinden. Ich bin bereit für diese Aufgabe. Ich freue mich darauf, dieses Feld nach diesem Album noch ein bisschen mehr zu erforschen. Der Himmel ist die Grenze.
Patrick Droney hat bereits mit Künstlern wie Kygo zusammengearbeitet.
Indiespect: Gibt es für dich schon Pläne, nach Übersee zu kommen, wenn COVID endlich vorbei ist?
Patrick: Es ist schwer, das konkret zu planen, aber hundertprozentig werden wir kommen, wenn wir können. Dieses Jahr hat mir die Möglichkeit gegeben, ein Fundament zu legen und eine Basis zu schaffen. Wir sprechen heute miteinander und ich weiss das wirklich zu schätzen. Denn es hilft, diese Musik ausserhalb von Amerika bekannt zu machen. In die Schweiz zu kommen ist ein Traum von mir. Mein Vater war dort, als er in seinen Zwanzigern war und wir haben darüber gesprochen, zusammen dorthin zu gehen. Ich kann es kaum erwarten, dort Shows zu spielen und euch zu sehen.
Indiespect: Eine letzte Frage. Du lebst in Nashville und das ist die Hauptstadt der Country-Musik. Deine Musik basiert nicht direkt auf dieser Art von Sound. Aber was ist deine Verbindung zu diesem Genre, jetzt, wo du in dieser Stadt lebst?
Patrick: Die Verbindung ist ziemlich tief. Die Songwriter-Community hier ist so verbunden und ich fühle mich gesegnet, ein Teil davon zu sein. Ich schreibe Musik für andere Leute und ich arbeite mit verschiedenen Genres . Country ist eines davon. Für mich hilft es beim Handwerk des Songwritings und beim Erzählen von Geschichten. Das ist der Country-Aspekt in dem, was ich mache: das Geschichtenerzählen. Es gibt kein besseres Storytelling im lyrischen Sinne als das, was Country-Musik im besten Sinne sein kann. Nashville ist ein wichtiger Teil meiner Geschichte.