Interview mit Royal Blood-Schlagzeuger Ben Thatcher: Typhoons bringt mich einfach dazu, mit dem Kopf zu wippen

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Heute erscheint mit «Typhoons» das dritte Studioalbum des Brightoner Duos Royal Blood. Mit ihrer explosiven Mischung aus Bass und Schlagzeug sorgen Mike Kerr und Ben Thatcher schon seit ihrem selbstbetitelten Debüt 2014 für Furore im Rock-Zirkus. Erstmals haben die beiden Musiker nun ihre bewährte Formel aufgebrochen und neue Einflüsse zugelassen. Um zu diesem grossen Schritt fähig zu sein, musste besonders Sänger Mike Kerr in seinem Leben einiges ändern. Schlagzeuger Ben Thatcher hat über Live-Energie, seine vielfältigen Aufgaben auf der Bühne und den Entstehungsprozess der neuen Platte gesprochen. Eines scheint bereits jetzt klar: Royal Blood werden auch mit «Typhoons» ihren Platz im Rock-Olymp behaupten.

Royal Blood sind:

Mike Kerr (Gesang, Bass)
Ben Thatcher (Schlagzeug)

Indiespect: Was macht «Typhoons» zu eurem bisher besten Album? Und was war nötig, um euch an den Punkt zu bringen, an dem ihr die Platte so machen konntet, wie sie jetzt ist?

Ben Thatcher: Die Platte fühlt sich frisch an, sie macht Spass und sie hat Energie. Es sind einige grossartige Songs drauf, auf die wir wirklich stolz sind. Und sie kommt zu einer Zeit, in der die Leute diese Energie und diese frische neue Musik brauchen. Es ist unser bisher bestes Album, weil wir es zum einen lieben und wir denken, dass es brillant ist. Auch unser Songwriting und unsere Produktion ist besser als jemals zuvor.

Wir spielen nicht zu Click-Track, irgendwelchen Spuren oder so etwas.
Alles, was von der Bühne kommt, ist komplett live.

Ben Thatcher, Royal Blood

Indiespect: Wenn du auf der Bühne bist, spielst du viel mehr als nur Schlagzeug. Du hast gesagt, dass die Streicherparts von «Trouble's Coming» eigentlich alle Teil deines Schlagzeugs sind. Wie viel Computer steckt heutzutage in einem Drumkit und wie lange dauert es, bis man herausgefunden hat, wie man alles programmiert und benutzt?

Ben: Gute Frage. Computer und Schlagzeug sind Dinge, die ich die meiste Zeit versuche auseinander zu halten, weil ich den Sound eines akustischen Schlagzeugs liebe. Das fühlt sich gut an und hat eine tolle Energie. Aber ich möchte auch den Song und diese anderen Elemente respektieren. Viele von ihnen sind elektronisch. Wir spielen nicht zu Click-Tracks, irgendwelchen Spuren oder so etwas. Alles, was von der Bühne kommt, ist komplett live. Bei mir sieht es so aus, dass ich vier Pads habe, die um das Kit herum verteilt sind. Nur Roland-Bar-Dinger – und eins für meinen Fuss. Sie lösen perkussive Sounds oder Elemente des Songs aus, die wir für wichtig halten und die dabei sein müssen. Mike kann nicht alles am Bass machen und gleichzeitig singen. Ich versuche, so viel wie möglich zu tun, um diese Dinge nachzubilden. Ich mag es nicht, ein SPD [Sampling Pad; Anm. indiespect.ch] zu spielen. Das Spielen mit diesen Pads gibt mir nichts. Also habe ich dies einfach in das Kit eingebaut. Das kann das Schlagzeugspielen manchmal wirklich schwierig machen. Du konzentrierst dich nicht nur darauf, den Beat und das Tempo zu halten. Man muss auch daran denken, ob man hier und da einen Streicherpart hat. Aber es macht dich zu einem besseren Musiker. Mit der neuen Platte geht es viel mehr in diese Richtung. Live werden wir Sängerinnen dabei haben und jemanden, der Keyboards spielen und diese Parts übernehmen kann. So können wir diese Musik live produzieren.

Royal Blood

© Dean Martindale

Royal Blood sind: Mike Kerr (links) und Ben Thatcher (rechts)

Indiespect: Es ist schon länger nicht mehr möglich gewesen, Live-Shows zu spielen. Musstest du aktiv darauf achten, die Live-Energie des Schlagzeugspiels nicht zu verlieren?

Ben: Wir waren eine lange Zeit auf Tour und im Anschluss haben wir diese Platte gemacht. Die ist jetzt fertig. Als nächstes wollen wir einfach wieder Shows spielen. Und es sieht gut aus. Wir haben später in diesem Jahr einige Termine gebucht – im Sommer, in England. Aber wir müssen auch einfach jeden Tag nehmen, wie er kommt und sehen, wie sich die Dinge entwickeln, im Bezug auf Übersee-Tourneen und so. Ich denke, wir haben das Schlimmste jetzt überstanden und die Gigs werden wild sein, wenn sie wieder kommen.

Indiespect: Wie lang könnte ein Royal Blood Set sein, bevor du auf der Bühne zusammenbrichst? Dein Schlagzeugstil sieht aus Publikumssicht sehr anstrengend aus.

Ben: Gute Frage. Ich denke, man zieht Energie vom Publikum. Bei einer guten Show gibt es nie einen Zeitpunkt, an dem du auf die Setlist schaust und sagst: uff. Man will immer mehr und mehr spielen. Deshalb gibt es auch Bands wie die Foo Fighters, die 3,5 Stunden spielen, weil sie es einfach lieben, zu spielen. Sie sind quasi dazu geboren, auf der Bühne zu stehen und eine gute Zeit zu haben, weil die Leute feiern und Musik hören wollen. Das Energielevel dafür... man versucht, es hoch zu halten. Je mehr man auf der Bühne steht, desto besser wird man.

Die Streicherparts für «Trouble's Coming» werden von Ben Thatcher an seinem Schlagzeug gespielt.

© Stefan Tschumi

Indiespect: Ist es ein Vorteil, dass nur ihr beide am Schreiben der Platte beteiligt seid, oder macht das den kreativen Prozess schwieriger?

Ben: Es braucht nur eine brillante Idee. Man braucht also nur eine Person, die diese Idee hat. Zu viele Leute, die schreiben und kreieren... weisst du, die Leute haben unterschiedliche Köpfe und unterschiedliche Ideen. Man kann eine Menge erschaffen, aber niemanden haben, der es zusammenfügt und die richtigen Teile findet. Deshalb holt man in einer grösseren Band einen Produzenten, der alles zusammenhält. Weil man dann drei bis fünf Leute hat, die alle unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie es sein soll. Mike und ich haben so viele Songs und so viel Musik zusammen geschrieben, wir haben so viel zusammen gespielt, dass es für uns kreativ grossartig ist und wir uns gegenseitig inspirieren.

Ich schaue immer noch zu den Menschen auf, die mich inspirieren. Aber einige von ihnen sind Freunde geworden
und Leute, denen ich schreiben kann, um Ideen auszutauschen oder Kommentare zu Dingen zu bekommen.

Ben Thatcher, Royal Blood

Indiespect: Als ihr als Band angefangen habt, habt ihr sicherlich zu euren musikalischen Helden aufgeschaut. Nun habt ihr in den letzten Jahren einige von ihnen getroffen. Wie verändert sich der Blick auf sie, wenn ihr auch mit eurer eigenen Band um die Welt tourt?

Ben: Ich schaue immer noch zu den Leuten auf, die mich inspirieren. Aber einige von ihnen sind zu Freunden geworden und zu Leuten, denen ich schreiben kann, um Ideen auszutauschen oder Kommentare zu Dingen zu bekommen. Für uns wurde es mit diesen Leuten ziemlich schnell wild und nach einer Weile wurde es in gewisser Weise ganz normal. Man merkt, dass es einfach Leute sind, die Musik lieben und auch mögen, was man macht, was wirklich ermutigend ist.

Indiespect: Du hast einmal gesagt, dass es ein wirklich grosser Erfolg für euch war, mit Queens of the Stone Age auf Tour zu gehen. Ihr habt damals auf dieses Ziel hingearbeitet.

Ben: Mit deiner Lieblingsband auf Tour zu gehen ist unglaublich und diese Tour war nichts anderes als unglaublich. Wir durften ihnen jeden Abend zuschauen. Sie sind extrem talentierte Musiker und es ist einfach toll, mit ihnen zusammen zu sein.

Ben Tatcher

Screenshot aus dem Video-Interview mit Ben Thatcher.

Ben Thatcher spricht über den Wandel, der für Album Nummer drei nötig war.

Indiespect: Gibt es ein Ziel, das ihr seitdem verfolgt habt?

Ben: Ich würde nicht sagen, dass das jemals ein Ziel war. Es war ein Traum, der wahr geworden ist. Wir haben uns nie zum Ziel gesetzt, dies oder jenes zu tun oder mit dieser oder eine andere Band auf der Bühne zu stehen. Das Ziel für uns ist es, die Besten zu sein, die wir sein können und die beste Musik zu machen, die wir können und die besten Alben und Live-Shows zu produzieren, die wir machen können. Wenn man sich darauf konzentriert, dann kommen diese Dinge. Wenn man gut genug ist.

Ein menschlicher Körper kann nur bis zu einer Grenze Dinge aushalten.
Wenn du merkst, dass etwas anfängt, dich zu behindern oder zu zerstören, musst du einen Blick auf dich selbst werfen, das herausarbeiten und die Veränderung beobachten.

Ben Thatcher, Royal Blood

Indiespect: Mike sagte, dass er für dieses Album alles ändern musste. Er trinkt seit Februar 2019 keinen Alkohol mehr und das hat ihm geholfen, an Teile seines Gehirns zu gelangen, die er vorher nicht erreicht hat. Ich kann mir vorstellen, mit Queens of the Stone Age auf Tour zu gehen, eher das Gegenteil davon war, nüchtern zu sein.

Ben: Ja. Wir hatten eine tolle Zeit auf dieser Tour und es hat wirklich Spass gemacht. Ich bereue nichts davon, und ich denke, Mike würde das auch nicht. Aber ein menschlicher Körper kann nur bis zu einer Grenze Dinge aushalten. Wenn du merkst, dass etwas anfängt, dich zu behindern oder zu zerstören, musst du einen Blick auf dich selbst werfen, das herausarbeiten und die Veränderung beobachten. Bei Mike war es so, dass er manchmal ein bisschen in einem destruktiven Modus war. Wenn er ausgegangen ist und nicht wusste, wann er aufhören sollte. Es hat ihn nicht glücklich gemacht. Er musste mit dem Trinken aufhören und an sich arbeiten. Seitdem hat er einfach nicht mehr angefangen zu trinken.

Das neue Album
«Typhoons»
VÖ: 30.04.2021

Typhoons
Tracklist
  1. Trouble's Coming
  2. Oblivion
  3. Typhoons
  4. Who Needs Friends
  5. Million and One
  6. Limbo
  7. Either You Got It
  8. Boilermaker
  9. Mad Visions
  10. Hold On
  11. All We Have Is Now
Zur Rezension

Indiespect: Hat sich das auch auf dich ausgewirkt?

Ben: Ich bin ein anderer Mensch. Ich habe diese Abenteuer mit ihm gemeinsam erlebt und für mich Grenzen gefunden. Ich wusste, wann ich aufhören musste. Wenn Dinge zu etwas werden, das man braucht, dann wird es gefährlich. Für mich sind diese Sachen immer noch Dinge, die ich geniesse. Das soll nicht heissen, dass Mike sie nicht geniessen würde, denn das würde er. Aber, es nimmt manchmal eine Wendung. Man kann diese Dinge missbrauchen.

Alex Woodward

© Facebook, Royal Blood

2017 mussten Royal Blood ihre geplante Show in Zürich wegen einer Lebensmittelvergiftung absagen.

Ich rannte zum Ende des Tourbusses und Mike war schon vor allen Leuten am Kotzen.

Ben Thatcher, Royal Blood

Indiespect: Das letzte Mal, als ich ein Interview mit euch machen sollte, musstet ihr euer Konzert in Zürich absagen, weil ihr und grosse Teile eurer Crew eine Lebensmittelvergiftung hatten. Am Abend zuvor habt ihr in Mailand Austern gegessen, was euch nicht so gut bekommen ist. Kannst du dich an diesen speziellen Abend erinnern?

Ben: Das ist wahr. Aber wir sind auch in Mailand nicht aufgetreten. Wir haben in Paris Austern gegessen und sind dann nach Mailand gefahren. Es war das erste Mal, dass wir in Italien gespielt hätten. Ich weiss noch, dass unser Tourbus ankam und ich ich mich nicht besonders gut fühlte. Es hatte sich bereits eine riesige Schlange von Fans vor dem Veranstaltungsort versammelt. Ich dachte nur: Ich muss gleich kotzen. Sorry, das ist ekelhaft. Ich rannte zum Ende des Tourbusses und Mike war schon vor allen Leuten am Kotzen. Ich weiss nicht, was es war. Viele von uns wurden krank und ich glaube nicht, dass alle Austern gegessen haben. Aber es war so etwas in der Art. Unsere Backgroundsängerinnen waren krank und unser Merch-Typ. Da war irgendwas los. Wir waren in dieser Venue und lagen alle einfach auf dem Boden und auf Sofas. Es war furchtbar. Dann mussten wir natürlich die Show absagen. Und das wäre dann die danach gewesen. Ich glaube, Mike musste sogar ins Krankenhaus.

© Eva Pentel

Indiespect: Für die abgesagte Show in Zürich hättet ihr eure Freunde von Black Honey als Vorband dabei gehabt. Sie haben kürzlich ihr zweites Album «Written & Directed» veröffentlicht. Auf diesem gibt es den Song «Run For Cover», der ursprünglich für Royal Blood geschrieben wurde. Kannst du mir etwas darüber erzählen und warum ihr euch entschieden habt, ihn nicht auf euer Album aufzunehmen?

Ben: Das war ein Song, den Mike schon vor Ewigkeiten gemacht hatte. Er hiess damals noch etwas anders. Der Text wurde leicht verändert. Es war ein Song, den wir zusammen gejammt haben, aber er war nicht ganz das, wo wir hinwollten. Es ist ein toller Song, oder?

Royal Blood

© Mads Perch

It's a kind of magic: Die Chemie zwischen Mike Kerr und Ben Thatcher.

Indiespect: Die Chemie zwischen dir und Mike Kerr ist magisch, sei es auf der Bühne oder bei Interviews. Habt ihr beide von Anfang an so gut zusammengepasst oder hat sich das im Laufe der Jahre entwickelt?

Ben: Wir waren von Anfang an gute Freunde. Aber natürlich hat sich das entwickelt, weil man die ganze Zeit zusammen ist und das Gleiche erlebt. Du gibst Interviews, spielst Shows und triffst die gleichen Leute. Der Humor und der Spass an allem, was wir gemeinsam erleben, verbindet uns.

Wir waren von Anfang an gute Freunde. Aber natürlich hat sich das entwickelt, weil man die ganze Zeit zusammen ist
und das Gleiche erlebt. Du gibst Interviews, spielst Shows und triffst die gleichen Leute.

Ben Thatcher on Mike Kerr

Indiespect: Du hast früher bei einer legendären Club-Party in Brighton namens «Bar and Pop» an der Tür die Stempel verteilt. Kannst du mir etwas über diese Zeit erzählen?

Ben: (lacht) Bar and Pop, ja. Oh je. Wir waren sehr jung. Das war einfach eine Indie-Nacht, zu der wir von einem unserer Freunde eingeladen wurden. Es war ziemlich wild. Wir haben damals eine Menge angestellt.

Indiespect: Ich liebe alle Songs, aber neben den Songs, die schon vorab veröffentlicht wurden, ist «Million And One» sofort bei mir hängen geblieben. Hast du einen Lieblingssong auf der Platte? Und wenn ja, warum?

Ben: Abgefahren! Ich glaube, meiner ist Typhoons. Sobald ich ihn gehört habe, habe ich ihn einfach geliebt. Ich finde, es ist ein grossartiger Song und er hat einen guten Groove. Da möchte ich einfach mit dem Kopf wippen. Selbst jetzt, wo ich darüber nachdenke, wippe ich mit dem Kopf. Gutes Tempo, der Refrain ist geil und die Riffs darin sind cool.

Indiespect: Das wars. Vielen Dank für deine Zeit! Ich hoffe, euch bald mal auf der Bühne zu sehen.

Ben: Fantastisch. Auf jeden Fall, hab einen schönen Tag!

Titelbild: © Dean Martindale