Rezension: Royal Blood – Typhoons

In Album-Tipps, Spektrum by indiespect

Royal Blood
  1. Trouble's Coming
  2. Oblivion
  3. Typhoons
  4. Who Needs Friends
  5. Million and One
  6. Limbo
  7. Either You Got It
  8. Boilermaker
  9. Mad Visions
  10. Hold On
  11. All We Have Is Now

Künstler: Royal Blood

Album-Titel: Typhoons

VÖ: 30.04.2021

9.5/10

Royal Blood haben ihre Erfolgsformel längst gefunden und hätten weitere Hits nach diesem Schema produzieren können. Stattdessen haben Mike Kerr und Ben Thatcher auf ihrem dritten Album alles neu gemacht. Das Aufbrechen von Genre-Grenzen wirkt wie eine Befreiung aus musikalischen Ketten. Ohne Furcht haben die beiden Musiker aus Brighton auf «Typhoons» alle Einflüsse zugelassen, die sich richtig anfühlten. Die Freiheit, die dadurch entstand, ist bei jedem Track spürbar und sorgt dafür, dass Album Nummer drei nur so von potenziellen Hits strotzt.

Royal Blood: Der Neustart

Ein wichtiger Faktor für den musikalischen Neustart ist sicherlich auch, dass Sänger und Bassist Mike Kerr seit Februar 2019 dem Alkohol abgeschworen hat. Dieser wichtige Schritt habe ihm nach eigenen Worten geholfen, Teile seines Gehirns zu erreichen, auf die er vorher keinen Zugriff hatte. Zum ersten Mal haben sich die beiden Musiker die Zeit genommen, ihre Karriere zu reflektieren, tief durchzuatmen und sich neu zu sortieren. Nach den Erfolgen des selbstbetitelten Debüts von 2014 und seinem Nachfolger How Did We Get So Dark? (2017) war dieser Schritt wichtig. Seit Beginn gab es immer nur ein Tempo: Vollgas. Sei es auf Tour mit den Helden von Queens of the Stone Age oder wenn es darum ging zu beweisen, dass man nicht bloss eine weitere Hype-Band ist. Während diesem Abenteuer ist die Partystimmung, vor allem bei Mike Kerr, zwischenzeitlich in ungesunde Bahnen abgedriftet. Mehr Hintergründe zum Wandel und zum neuen Release gibt es im Interview mit Schlagzeuger Ben Thatcher.

Zum Interview

Track by Track

Mittlerweile klingt Trouble’s Coming bereits nach wenigen Takten ganz vertraut nach Royal Blood. Als die Single am 24. September 2020 veröffentlicht wurde, war das noch etwas anders. Bereits damals wurde klar, dass das Duo ihre bisherige Erfolgsformel aufbrechen und auch andere Einflüsse zulassen möchte. Der Disco-Touch sorgt schon beim Opener für eine neue Frische.

Der erste bis zum Album-Release ungehörte Track ist Oblivion. Auch dieser ist melodischer als vieles, was die beiden Musiker aus Brighton bisher veröffentlicht haben. Unverändert einnehmend ist der unverkennbare Groove von Royal Blood, der die  Hörer*innen sofort in die neue Klangwelt der Band einsaugt. Die harten Riffs bleiben auch trotz mehr Melodiösität bestehen.

Typhoons ist der Titeltrack, der musikalisch hält, was der Titel verspricht. Er löst einen Taifun im Gehörgang hervor. In Perfektion mischen Mike Kerr und Ben Thatcher ihre Talente zusammen, um einen neuen Publikumsliebling zu erschaffen. Ohne Zweifel wird der Song auch live alles kurz und klein schlagen und die Fans vor der Bühne ordentlich durchwirbeln.

 

My thoughts becoming parasites That live to keep me terrified I tell myself I'll be alright Typhoons keep on raging And I don't know whyTyphoons, Royal Blood

Etwas klassischer und weniger opulent wird es bei Who Needs Friends. Hier wird wieder vorwiegend auf Bass und Schlagzeug gesetzt. Der Off-Beat und ein schleppender Rhythmus geben dem Song seine Würze. Dennoch wirkt er teils etwas repetitiv, was vor allem durch die Dynamik der übrigen Kompositionen auffällt.

Million and One ist einer der Tracks, der sofort hängen bleibt. Irgendetwas ist hier spürbar anders. Egal ob es das synthetische Intro ist oder die Theatralik die sich immer stärker aufbaut, hier schwingt ein Vibe von der Experimentierfreude von Muse mit. Der Song transportiert weniger Härte und ist trotz seinem Pop-Appeal dennoch kraftvoll. Ab Minute drei verändert er sich musikalisch nach einigen Daft-Punk-Anleihen noch einmal komplett.

Ein Hauch von Daft Punk schwingt auch beim Intro von Limbo noch mit, bevor die Drums erneut den vertrauten Royal-Blood-Modus einleiten. Dass das Schaffen der französischen Dance-Pioniere einen gewissen Einfluss auf das neue Album hatten, lässt sich beim Refrain und dem dazugehörigen Musikvideo unschwer erkennen. Das Aufbrechen von Genre-Grenzen gelingt harmonisch und unverkrampft.

Eine ganz andere Farbe hat Either You Got It. Eine dominante Bass-Line, abgelöst von Tasten-Akkorden, übernimmt hier das Ruder. Was das genau ist, ist schwierig zu beschreiben. Auf jeden Fall sticht der Song in seiner Einzigartigkeit hervor und lässt sich mit keinem anderen bisherigen Track des Duos vergleichen.

Head like a cocktail shaker Living in a house like an old bodega Got the odds looking in my favour Staring at the bottom of a boilermakerBoilermaker, Royal Blood

Boilermaker hat sich bereits lange vor Veröffentlichung des Albums einen Platz in den Herzen der Fans gesichert. Bevor überhaupt eine Studioversion in Sichtweit war, haben die Musiker aus Brighton den Brecher-Track anlässlich der Sommerfestivals 2019 live gespielt. Die Zusammenarbeit mit Josh Homme von Queens of the Stone Age ist bei der Produktion und den harten Riffs deutlich spürbar. Sehr empfehlenswert ist auch das kreative Musikvideo, welches einen neuen Tanzstil etablieren könnte. Der Clip hat bereits eine Woche nach Veröffentlichung die Marke einer Million Views geknackt. Ein waschechter Hit.

Es ist beinahe unverschämt, wie Royal Blood Riffs und Drum Patterns aus dem Ärmel schütteln. Auch Mad Visions ist nur so gespickt von solchen Kunststücken. Die tragenden Elemente werden zwischendurch von Piano-Klängen und Background-Gesang untermalt. Im Mittelteil mutet der Track gar ein wenig nach Thriller von Michael Jackson an.

Fast nahtlos geht Mad Visions in Hold On über. Frei nach dem Motto alles kann, nichts muss, werden auch hier sämtliche Ideen in einen Mixer gesteckt. Dass dabei beim Duo aus Brighton kein ungeniessbarer Brei, sondern etwas sehr Bekömmliches herauskommt, ist bemerkenswert. Furchtlos brechen die beiden Musiker mit ihrem dritten Album aus allen Rastern aus, ohne dabei ihre Magie zu verlieren. Im Gegenteil fügen sie dieser nur Facette um Facette hinzu.

Mit sanften Klavierklängen beendet All We Have Is Now den wilden Ritt namens Typhoons. Der ruhige Abschluss ist der perfekte i-Punkt für die gesamte Platte. Mike Kerr und Ben Thatcher haben sich neu erfunden und ab jetzt scheint alles möglich zu sein. Diese Veränderung haben sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit transportiert, dass das neue Album ein Erfolg werden muss. Es wird sowohl bisherige Fans durch seine Vielfältigkeit überzeugen, wie auch Musikfans, welche die Engländer bisher noch gar nicht auf dem Schirm hatten.

Royal Blood

© Mads Perch

Royal Blood: Mike Kerr (links) und Ben Thatcher (rechts).

Fazit

Royal Blood gehören mittlerweile zu den ganz Grossen und das mit Recht. Sie haben nur mit Bass, Schlagzeug und Gesang einen unverkennbaren Sound erschaffen, der das kraftvolle Duo bekannt gemacht hat. Nun gehen Mike Kerr und Ben Thatcher einen weiteren wichtigen Schritt auf ihrem Weg. Sie brechen mit Typhoons die Erfolgsformel, welche ihnen Hit um Hit beschert hat. Das ist mutig und wichtig, damit sich die Band weiterentwickeln kann. Neue Elemente sind dazugekommen, der Vibe ist geblieben. Jetzt kann das Duo aus Brighton niemand mehr aufhalten.

Titelbild: © Dean Martindale