Die selbsternannten Halbgötter des Italo-Schlagers sorgten gestern im Zürcher Exil für ausgelassene Stimmung. Mit ihren wunderbar absurden und von Kitsch strotzenden Kompositionen begeisterten Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys das vorwiegend junge Publikum im ausverkauften Club.
Tropikel Ltd: Charmante Autotune-Lovesongs inklusive Gastauftritt von Die Abbrunzati Boys
Einen passenden Support-Act für eine Tour von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys zu finden ist keine einfache Aufgabe. Was passt zum Italo-Schlager der Augsburger? Die Antwort wird in Zürich direkt geliefert: Tropikel Ltd. Das Trio aus Berlin hat sich fragwürdigen Sonnenbrillen und von Autotune geprägten Songs verschrieben. Die Meodien, die Texte und der Auftritt der Band sind so charmant, dass das Publikum schnell aufgewärmt ist. Der anfangs noch ziemlich leere Club, füllt sich während des Sets rasant. Zeilen wie Die grösste Achterbahn der Welt fährt da, wo mein Herz ist – aber sie fährt nicht ohne dich im Song Ich lächel dich an zaubern jeder neu dazugekommenen Person ein lächeln aufs Gesicht. Spätestens mit dem Gastauftritt von Die Abbrunzati Boys (ja, das ist wirklich nur einer) beim Song Puls 1000 ist der Stimmungsteppich für den Headliner ausgerollt.
Tropikel Ltd aus Berlin gemeinsam mit Die Abbrunzati Boys, erkennbar an der Sonnenbrille.
Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys: Irrsinn, Kitsch und unglaublich viel Spass
Bevor die erfolgreichste Italo-Schlager-Formation Deutschlands die Bühne betritt, wird diese mit einem dicken schwarzen Vorhang verhüllt. Das kennt man sonst eigentlich nur von grossen Arena-Konzerten von Die Ärzte. Sobald der Vorhang gelüftet wird, wähnt man sich für einen kurzen Moment in Bella Italia. Naja fast. Eigentlich hat sich nicht sehr viel verändert, neu befindet sich ein künstlicher Orangenbaum und ein Aufsteller von 4711, Kölnisch Wasser, auf der Bühne. Die Euphorie, mit der die fünf Musiker bei ihrem Einlauf zur Eurovisions-Melodie begrüsst werden, sprüht hingegen förmlich von italienischer Lebensfreude. Die Textsicherheit der Fans ist an diesem Abend beeindruckend, auch wenn das von den Gesangsqualitäten nicht unbedingt behauptet werden kann. Hauptsache laut heisst hier eher die Devise. Dafür performen Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys ihre Hits mit hoher Qualität und schon fast unglaublicher Spielfreude.
Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys, eingebettet in Orangenbaum und Kölnisch Wasser.
Dolce Vita mit Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys
Zu sagen die Songs von Roy Bianco & Die Abbrunzati seien kitschig, wäre noch untertrieben. Die Texte triefen förmlich von einem Lebensgefühl, dass es nur im Schlager geben kann. Ein bisschen Vino Rosso, Amore oder Dolce Vita und die Welt ist in Ordnung. Doch noch bevor man sich über die Zeilen lustig machen kann, haben die Melodien einen bereits eingelullt. Spätestens beim zweiten Refrain singt sogar der grösste Schlagermuffel mit, wenn Roy Bianco singt: Und an der Ponte di Rialto singen die Gondolieri von Amore. Aber auch zwischen den einzelnen Liedern fallen die Musiker nicht aus der Schlager-Rolle. So bemerkt Bianco mit einem verschmitzten (und herrlich schmierigen) Lächeln: Ich glaube wir sind eine Gewinnerband – schliesslich sind wir Halbgötter des Italo-Schlagers. Wer würde da widersprechen?
Und ich brauch' keinen Maranello mehr,
bei den Kurven, die du fährst.
Denn deine Beine hören niemals auf,
wir machen Giro, wir machen Giro!
Auch bei ihren Musikvideos geben Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys alles.
Langjährige und starke Partner bekommen eine musikalische Hymne
Alles ein Dienst am Kunden. Nach diesem Credo leben Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys nicht nur, wenn es um zahlende Fans geht, sondern auch um ihre Partnerschaft mit dem Erfrischungsgetränk 7Up, welche seit den 80er-Jahren besteht. Der Titel einer deutschlandweiten Fersehkampagne darf im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft natürlich nicht fehlen. Die Hymne ist die Antwort auf Melanie Thornton's Wonderful Dream, der jedes Jahr aufs Neue die Christmas Trucks von Coca Cola durch verschneite Winterlandschaften fahren lässt. Im Zuge der Werbeoffensive werden die Besucher sowohl mit Kölnisch Wasser eingesprüht und mit dem Tankstellen-Verkaufsschlager Bifi eingedeckt. Das nennt man Fanbindung, selbst wenn beide Produkte nicht jeden Feinschmecker glücklich machen dürften. Nebst Produktwerbung haben die Halbgötter auch ihre ganz eigene Interpretation des Gigi D'Agostino-Klassikers L'Amour Tojours mit im Gepäck.
Roy Bianco und die Bifi-Boys im Exil, Zürich.
Baci und Sehnsucht bis zum bittersüssen Ende
Im Verlauf des fröhlichen Liederabends fehlt kaum ein Hit des im letzten Jahr veröffentlichten Album Greatest Hits. Ein ganz grosses Gefühl jagt in Zürich das nächste. So viele lauthals vergebenen Baci werden bei der Stimme des einen oder anderen Zuschauers bestimmt ihre Spuren hinterlassen. Für die erste Zugabe wird die Euphorie mit Sehnsucht ersetzt. Capri '82 fängt die Essenz von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys fast am besten ein. An Kitsch ist es kaum zu überbieten, gleichzeitig ist die Komposition und Melodie so bittersüss und theatralisch, dass man sich ihr dennoch nicht erwehren kann. Zum Abschluss gibt es weitere Geschenke. Jeder Musiker des Abends, auch Tropikel Ltd beglückt die Fans mit zahlreichen weissen Rosen, welche in die Menge geworfen werden.
Komm mit mir heut' Nacht nach Capri,
denn am Morgen werden Blumen für dich blühen.
Du und ich heut' Nacht auf Capri.
Glaub' mir, Liebe ist viel mehr als ein Gefühl.
Leidenschaft für jeden Ton – Roy Bianco.
Fazit
Nein, Indie ist es defintiv nicht, was Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys präsentieren. Aber das Spect steht schliesslich auch für Spektrum. Zudem verwischen die Grenzen verschiedener Genres immer mehr. Was Bilderbuch begannen, treiben die Augsburger noch weiter auf die Spitze. Wenn das erste grosse Augenzwinkern vorüber ist, gibt man sich dem Italo-Schlager schon fast frei von jeder Bewertung hin. Warum auch nicht? Erlaubt ist was gefällt. Und die Kompositionen sowie die Performance von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys machen einfach gute Laune. Mit diesem Erfolgsrezept können sie noch grösser werden, als sie es in den 80er-Jahren bereits waren.