Neil Hannon hat mit The Divine Comedy in den letzten dreissig Jahren einen Ohrwurm nach dem anderen produziert – zuletzt die Single «The Best Mistakes». Unter dem Titel «Charmed Life – The Best of The Divine Comedy» ist jüngst eine karriereumspannende Sammlung veröffentlicht worden. Gestern trat der stilvolle Gentleman im Volkshaus in Zürich auf. Wer ihn nicht kennt, stellt sich am besten Frank Sinatra in einem Indie-Gewand vor. Mit viel Charme und einer Performance in Perfektion lockte er das Publikum bei diesem Sitzkonzert mehrfach vor die Bühne.
The Divine Comedy: Humor und Können symbiotisch vereint
Die Texte von Neil Hannon sind gespickt mit witzigen und manchmal absurden Zeilen. Doch dahinter steht höchste musikalische Qualität. Sei es in den eingängigen Melodien oder in der Live-Performance. Zusammen mit seiner Band schafft es der Sänger jede Dynamik, jeden Rhythmuswechsel und jede Pause auf den Punkt zu treffen. Ein solches blindes Verständnis für die Bandkollegen erhält man nur durch Leidenschaft, Disziplin und Vertrauen. Sämtliche Kompositionen sind dabei eher pompöses Show-Theater als schlicht vorgetragene Songs einer «gewöhnlichen» Band.
Give us some Pixies and some Roses and some Valentines
Give us some Blur and some Cure and some Wannadies
And now we're moving to the beat
And staring at each others feet
I wonder if she fancies me
At the indie disco, the indie disco
At the indie disco, yeah
Neil Hannon von The Divine Comedy: Ein Mann mit Stil und Stimme.
Von wegen langweilig. Ein Best of hält was es verspricht
Eine fünfköpfige Band, die wie ein ganzes Orchester klingt.
Hammond-Orgel, Akkordeon und eine Beleuchtung wie bei einem Unplugged-Konzert
Mit einer vielseitigen Instrumentierung sorgen die fünf Musiker auf der Bühne für den Klang eines ganzen Orchesters. The Best Mistakes klingt wie eine Nummer aus einer grossen Broadway-Produktion – eine Mischung zwischen Downton Abbey-Soundtrack, Feststimmung und Pop-Perle. Die opulente Orchestrierung steht in direktem Kontrast zur schlichten aber stilvollen Bühnenbeleuchtung, welche an ein Unplugged-Konzert erinnert.
Generation sex respects the rights of girls
Who want to take their clothes off
As long as we can all watch that’s okay
And generation sex elects the type of guys
You wouldn’t leave your kids with
And shouts “off with their heads” if they get laid
Was den eingangs erwähnten Charakter einer Theater-Vorstellung unterstreicht, ist die in der Mitte angesetzte Pause. Davor bittet Hannon die Zuschauer zu Generation Sex direkt vor die Bühne. Das Publikum lässt sich nicht zweimal bitten und tanzt schon Momente später vor der ersten Sitzreihe. Durch diese «Anarchie» bei einem Sitzkonzert verändert der Sänger den Vibe grundlegend. Herrschte zuvor gesitteter Sender-Empfänger-Modus verschmelzen Fans und Künstler nun zur Einheit. Bevor er den fröhlichen Tänzerinnen und Tänzer empfiehlt die nächsten fünfzehn Minuten dafür zu nutzen, ein neues Getränk an der Bar zu holen, sagt Hannon wie ein gutmütiger Lehrer mit einem Augenzwinkern, dass sich im Anschluss wieder brav auf die Plätze gesetzt wird.
The Divine Comedy auf der Bühne im Zürcher Volkshaus
Das Alphabet von The Divine Comedy
Sobald man die Setlist etwas genauer betrachtet, machen die Ansagen zwischen den Songs durchaus Sinn, in denen Hannon vom Alphabet spricht. Mit wenigen Ausnahmen setzt sich die Reihenfolge der Tracks alphabetisch zusammen. So folgt nach Generation Sex und I Like zum Auftakt des zweiten Sets A Lady of a Certain Age. Die Betonung liegt dabei natürlich auf Lady. Immer wieder finden sich Briefe von Fans am Bühnenrand ein, die der Sänger murmelnd vorliest und einzelne Passagen hervorhebt. So hat sehr zu seiner Freude beispielsweise eine Dame ihre beiden Enten passend zum gleichnamigen Song Norman and Norma genannt. Etwas später im Alphabet ist es nicht der Protagonist auf der Bühne, der das Publikum erneut auffordert, sich von ihren Sitzen zu erheben. Die Fans entscheiden sich in der zweiten Konzerthälfte ganz autonom, wieder in seiner direkten Nähe zu tanzen, statt bloss sitzend zu geniessen. Hannon quittiert das mit einem nonchalanten ah, alright. War zwar nicht so geplant, aber was soll's? Die Stimmung wird von Minute zu Minute ausgelassener.
And if a nice young man would buy you a drink
You'd say with a conspiratorial wink
"You wouldn't think that I was seventy"
And he'd say, "no, you couldn't be!"
Ein rasselnder Blumenstrauss – mehr als nur eine Bühnendekoration
Something for The Weekend: Bereits am Mittwoch wird das Wochenende eingeläutet
Passend zur Stimmung folgen mit Something for the Weekend und National Express zwei Tracks, die sich in Bewegung deutlich besser spüren lassen. Den Abschluss des regulären Sets bildet Tonight We Fly. Nach dem ehrlich gemeinten, ausgelassenen und andauernden Applaus kehrt Hannon erneut auf die Bühne zurück und merkt schmunzelnd an, dass er nur zurückgekommen sei, weil alle so brav geklatscht hätten – ganz ehrlich. So gibt es mit To The Rescue und Songs of Love als Dank zwei ruhigere Kompositionen, die sich perfekt als Abschied eignen. Als die Lichter angehen, blickt man ausschliesslich in fröhliche Gesichter. Ein im wahrsten Sinn des Wortes göttlicher Konzertabend geht mit viel Freude zu Ende.
But she said There's something in the woodshed
I know because I saw it
I can't simply ignore it, darling
So he said Now baby don't be stupid
Get this into your sweet head
Vom Blumenstrauss zum Schellenkranz – Neil Hannon
Fazit
Endlich sind sie wieder möglich, die internationalen Konzerte in unseren schönen Konzertsälen. Die Menschen sind teils noch etwas vorsichtig, wenn es darum geht, Tickets zu kaufen. Aber alle, die an diesem Abend im Volkshaus waren, sind wieder von der Magie der Musik berührt worden. Bleibt zu hoffen, dass sich immer mehr Musikfans erneut nach draussen wagen und so nach und nach im Konzertbetrieb Normalität einkehren kann. Denn ein Live-Konzert ist und bleibt Balsam für die Seele.