Verschiebung um Verschiebung gab es für die Tour der Leoniden, so auch für ihr Konzert im Salzhaus Winterthur. Da die Kieler ihre Energie nicht auf der Bühne entfesseln konnten, steckten sie diese 2021 in ein neues Album mit dem kurz und knackigen Titel «Complex Happenings Reduced To A Simple Design». Ihrer Formel von eingängigem Indie-Pop-Rock ist die Band um Jakob Amr treu geblieben. Dass die Fans genau das an den Leoniden lieben, zeigte sich am Samstag in Winterthur.
Leoniden: Da wird der Duracell-Hase eifersüchtig
Die Publikumsbeteiligung an einem Leoniden-Konzert ist für Schweizer Verhältnisse schon beinahe unheimlich. Es wird gesprungen, jede Zeile euphorisch mitgesungen und getanzt. Die Jungs auf der Bühne setzen die Messlatte in dieser Hinsicht aber auch ganz schön hoch an. Keiner der Musiker scheint länger als eine Sekunde ruhig stehen oder sitzen bleiben zu können. Gitarren werden 360° geschwungen, auf der Bühne hin und her getigert oder längere Strecken hüpfend zurückgelegt. Die Brille von Amr scheint sofort anfangen zu dampfen, denn lange trägt er sie nicht.
So sieht Euphorie aus. Klatschende Hände in der Luft im Salzhaus Winterthur.
Tourauftakt in Bern – Abriss in Winterthur
Es ist ein beliebtes Stilmittel um die Fans anzustacheln: Die Leoniden haben tags zuvor ihren Tourauftakt im Dachstock in Bern gefeiert. Nach einem fulminanten Einstieg im Salzhaus geben sie aber freimütig zu Protokoll, dass die Berner mit DIESER Stimmung nun wirklich nicht mithalten könnten. Das ist natürlich Kalkül, aber es funktioniert wunderbar. Die schon ausgelassene Stimmung wird durch das Bauchpinseln noch einmal angeheizt. Zwischen den eingängigen Indie-Krachern streuen die Leoniden immer wieder Instrumental-Intermezzos ein, die aus dem Salzhaus einen Rave-Tempel machen. Diese Akzente sind stimmig platziert und fangen die Energie im Raum zum richtigen Zeitpunkt auf.
Richtigstellung aus dem Leoniden-Lager zur Falscheinschätzung der Ansage bezüglich Bern und Winterthur.
Volkssport Nummer 1: Crowdsurfing beim Leoniden-Konzert.
90er- und 00er-Romantik auf der B-Stage
Zu einem Medley der besonderen Art zieht es Jakob Amr ans Piano auf der kleinen B-Stage in der Mitte des Clubs. Auch wenn viele Leoniden-Fans zum Erscheinungszeitpunkt wohl noch sehr jung waren, so treffen Songs wie Narcotic von Liquido, Angels von Robbie Williams oder Complicated von Avril Lavigne immer einen Nerv. Sofort fühlt sich das verhältnismässig kleine Salzhaus wie ein riesiges Festivalgelände an, wenn alle gemeinsam I'm loving angels instead skandieren. Dazu passend gibt es eine Pyroshow in Form von zwei Vulkanen auf der Seite des Pianos.
Pyroshow à la Leoniden
Gute Laune, Crowdsurfing und springende Menschen
Ein Leoniden-Konzert sollte von den Krankenkassen als gesundheitsförderndes Fitness-Angebot honoriert werden. Hier sind die Momente, in denen das Publikum mit den Füssen fest auf dem Boden steht deutlich rarer, als diejenigen, in denen sich diese in der Luft befinden. Mehrfach werden zudem Gassen gebildet um gemeinsam mit dem Sänger in der Mitte einen Moshpit zu starten. Crowdsurfing rundet das sportliche Angebot ab. Es gibt fast keinen Song, bei dem niemand auf den Händen getragen wird. Das gilt sowohl für die Klassiker wie 1990 oder Kids, wie auch für die neuen Kompositionen Dice oder L.O.V.E. Die Leoniden haben ihre Freude verströmende Formel mit dem dritten Album endgültig gefestigt. Mit ihren Kompositionen werden sie im Festivalsommer einen wichtigen Teil zu sich verausgabenden Massen vor der Bühne beitragen.
I wish you'd know
I L to the O to the V to the E
To the Y to the O to the U
But I cannot speak
When you're around
Immer in Bewegung: Jakob Amr von den Leoniden.
Fazit
In der Musikpresse kommen die Leoniden nicht immer gut weg. Die Kopfstimme von Jakob Amr und die ständig gute Laune scheinen dort einigen langsam aber sicher auf die Nerven zu gehen. Kann sein, dass man nicht immer in der Stimmung für solche Musik ist, aber dass ein Leoniden-Konzert gute Laune macht, ist unbestritten. Da es im Endeffekt doch genau darum geht, sich vom Alltag zu befreiden, ist die immer grösser werdende Popularität der Kieler absolut gerechtfertigt.