Nothing But Thieves in der Halle 622: Die unaufhaltsame Naturgewalt in Zürich

In Reviews by indiespect

Die Erfolgsspirale dreht sich für Nothing But Thieves immer weiter. Gestern spielten die Engländer ihre bisher grösste Schweizer Headline-Show in der Halle 622 in Zürich. Mit ihrem dritten Album «Moral Panic», dessen EP-Fortsetzung «Moral Panic II» und weiteren musikalischen Höhenflügen begeisterte die Band aus Southend-on-Sea das tanzfreudige Publikum. 

Black Honey: Den Halle-622-Fluch gebrochn

Mit von der Partie waren zwei Support-Acts, namentlich Kid Kapichi und Black Honey. Letztere sind keine auf diesem Blog Unbekannten mehr. 2019 hat die Formation um Sängerin Izzy B Philips ein eigenes Konzert im Kater in Zürich gespielt. Doch bereits 2017 wäre ein Auftritt in der Halle 622 geplant gewesen – damals als Support für Royal Blood. Weil sich jedoch das Duo und beinahe die ganze Crew eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte, musste das Konzert kurzfristig am Showtag abgesagt werden. Zwei Alben später klappt es endlich mit Black Honey und der Halle 622. Im März 2021 veröffentlichte die Band ihr grossartiges Written & Directed und bringen diese Songs zum ersten Mal auf eine Zürcher Bühne. Die tollen Kompositionen wie I Like The Way You Die oder Run For Cover leiden einzig unter den Einschränkungen einer Vorband. Das Licht bleibt eindimensional und ein richtiger Soundcheck scheint auch nicht möglich gewesen zu sein. Hoffentlich haben die Fans von Nothing But Thieves die Qualität der Band aus Brighton dennoch erkannt und besuchen sie bei ihrem nächsten eigenen Konzert in Zürich. Ein grosses Spektakel ist dabei garantiert.

Black Honey

Black Honey: Eine Band mit Headliner-Qualität kämpft mit Vorband-Problemen

Nothing But Thieves: Ein Donnerschlag zum Auftakt

Es scheint fast unglaublich, wie viele eingängige Riffs Nothing But Thieves während drei Alben erschaffen haben. Doch für den Auftakt dieser Moral Panic-Show greifen sie auf die wohl stärkste Neukomposition in dieser Hinsicht zurück. Futureproof knallt wie Donnerschlag durch die Menge. Es scheinen gefühlt Jahrzehnte vergangen zu sein, seit die damals knapp 20-jährigen Teenager im verschwitzten Kinski aufgetreten sind. In England spielen die fünf Musiker mittlerweile Konzerte in der legendären O2 Arena in London, damals war das Highlight ein Support-Slot bei Muse, auf welchen noch viele weitere folgten. Die gesammelte Live-Erfahrung ist bei jeder Note spürbar. Grenzen scheint es für Nothing But Thieves keine mehr zu geben.
Nothing But Thieves

Nothing But Thieves brauchen immer grössere Backdrops.

Nächster Halt: Hallenstadion

Egal ob Gitarrenkracher oder ruhigere Songs wie Soda, Nothing But Thieves wirken souverän, spielfreudig und ansteckend. Mit ihrem grossen Sound ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie weiter ins Hallenstadion ziehen. Sie kennen mittlerweile jede Clubgrösse in Zürich. In der Vorschau zum Konzert könnt ihr euch die stetige Entwicklung noch einmal zu Gemüte führen. Nebst Klassikern wie Trip Switch nimmt die Band ebenfalls frische Tracks wie Life's Coming In Slow ins Set. Die beiden Songs verbindet eines: Videospiele. Während Trip Switch auf dem Soundtrack von Fifa 16 vertreten war und der jungen Band zu zusätzlicher Bekanntheit verholfen hat, wurde Life's Coming In Slow eigens für Gran Turismo 7 geschrieben. 

The sand in the hourglass keeps dripping away
Yeah, you can turn it over, but the feeling stays the same
So let's get carried, let's get carried away
Set my mind on fire like metal in a microwave

Life's Coming In Slow, Nothing But Thieves

Ganze drei Stunden hätten sie für diese Komposition gebraucht, meint Sänger Conor Mason im Interview vor dem Konzert. Dass die Band in dieser kurzen Zeit, in der viele von uns bloss unproduktiv eine Serie streamen, einen solchen kraftvollen Song schreiben kann, zeigt auf, wie die Kreativität bei den einzelnen Mitgliedern aus jeder Pore sprudelt. Für die Riffs verantwortlich zeigt sich dabei vor allem Gitarrist Dom Craik. Stundenlang tüftelt er an neuen Sounds und hängt sich wie ein Verbissener rein. Er küsst die Muse statt nur darauf zu warten, von ihr geküsst zu werden.

Nothing But Thieves

Früher war die Band nicht einmal einen Meter von einem entfernt, jetzt liegt eine ganze Halle dazwischen.

Nichts an Charakter eingebüsst

Trotz des immer grösser werdenden Erfolgs haben die Musiker nichts von ihrer sympathischen Art eingebüsst. Warum sollte man sich auch mit Eitelkeiten aufhalten, wenn man Songs wie Nothing But Thieves schreibt? Der Weg wird durch Kompositionen wie Forever and Ever More geebnet, nicht durch affektiertes Rockstar-Gehabe. Man spürt nur die positiven Nebeneffekte der Bühnenerfahrung. Die Band gönnt sich im Mittelteil des Sets neuerdings ein instrumentales Interlude mit einem ausgiebigen Jam im Anschluss – ganz im Sinne von Muse.

Down in the gutter and looking for trouble
Or something to that effect
And there she was, a metal cross
Ironically 'round the neck
And then she kissed me on the lips
And a fever came without a warning

Forever and Ever More, Nothing But Thieves
Nothing But Thieves

«Is Everybody Going Crazy?» – Nothing But Thieves stellen die richtigen Fragen.

Mit jedem Album ein grösserer Genuss

Anfangs bereitete die Stimme von Conor Mason etwas Sorge. Klar klang das selbstbetitelte Debütalbum grossartig und seine hohe Falsett-Stimme beeindruckte. Doch es stellte sich die Frage, ob das bei Nachfolge-Alben nicht etwas limitierend für die Band wirken könnte. Gefangen in den hohen Tonlagen und sich immer wiederholend. Doch diese Befürchtungen haben sich mit der Veröffentlichung von Broken Machine (2017), Moral Panic (2020) sowie Moral Panic II (2021) komplett verflüchtigt. Nothing But Thieves sind eine der kreativsten und spannendsten Rockbands unserer Zeit. Egal ob Kracher wie Is Everybody Going Crazy?, das psychotisch angehauchten Unperson oder das wunderschönen Impossible, die Bandbreite der Engländer ist scheinbar endlos.

Nothing But Thieves

Lösen euphorische Begeisterungsstürme aus: Nothing But Thieves in Zürich

Fazit

Ja, der Text ist vielleicht eine Lobhudelei. Aber Fakt ist, dass sich Nothing But Thieves ihren Aufstieg redlich verdient haben. Bei jedem Tourstopp in Zürch über die Jahre hat sich die Band weiterentwickelt. Man spürt das in den kraftvoll gehaltenen hohen Noten von Conor Mason, dem Gitarrenspiel und den Lyrics von Joe Langridge-Brown oder bei den verrückten Riffs von Dom Craik. Jeder trägt seinen Teil zum Meisterwerk bei, diese fünf Freunde haben die magische Mischung für sich gefunden und scheinen unaufhaltbar zu sein. Da ist Schwärmerei völlig angebracht.