Gestern besuchten mit The War On Drugs Hochkaräter des US-Amerikanischen Indie-Rocks Zürich. Die Grammy-Gewinner lockten mit ihrem neuen Album «I Don't Live Here Anymore» in einer Zeit von stockenden Vorverkäufen ihre Fans in die Halle 622. Die dicht gedrängten Besucher lauschten den ausufernden Gitarren-Exzessen und liessen sich vom schlichten aber effektvollen Lichtdesign hypnotisieren.
The War On Drugs: Die grossen, internationalen Konzerte sind endlich zurück
Auch wenn mittlerweile sämtliche Einschränkungen in der Schweiz gefallen sind, rechnet man im Stillen doch bis zum Konzerttag mit einer Absage. Was früher eine Ausnahme war, ist heute leider schon zur Regel geworden. Nun scheinen sich aber auch diese Zeiten zu ändern und wir können unsere gewohnte Konzert-Vorfreude wieder aufnehmen. Frühere Reiseziele schienen durch Corona immer weiter in die Ferne zu rücken. So auch die Weiten von Amerika, die The War On Drugs musikalisch transportieren. Umso sehnsüchtiger lauschen die Besucher in Zürich deswegen auch ihrem Musik gewordenen Roadtrip durch scheinbar unendliche Landschaften.
I was born in a pyramid
By an old interstate
Been down at the yard
Working my whole life
Adam Granduciel von The War in Drugs in Zürich.
Indie – ein Begriff der mit der Band wächst
Ist eine Band, die einen Grammy gewonnen und sich vom Kaufleuten, über das X-Tra bis in die Halle 622 hochgespielt hat überhaupt noch Indie? Auf jeden Fall! Auch wenn The War On Drugs wie zahlreiche andere Acts nicht mehr im klassischen Sinne «indie» sind, so sind sie es im Herzen und vor allem in ihrer Musik noch immer. Sänger und Gitarrist Adam Granduciel mitgezählt stehen an diesem Abend sechs Musiker und mindestens doppelt so viele Instrumente auf der Bühne. Statt riesiger LED-Screens hängt ein Rahmen aus Licht über ihren Köpfen und der Nebel ist ihr einziger Special Effect. Lieber lässt die Band ihre Kompositionen und ihr Talent für sich sprechen. Eröffnet wird das Konzert mit Old Skin vom neuen Album. Die naturgegerbte Stimme von Granduciel zieht einen sofort in seinen Bann.
Der Himmel über The War On Drugs ist ein Rahmen aus Licht.
Effektpedale statt Saxophon
Vor dem vierten Song I Don't Wanna Wait erklärt Granduciel im stilechten Holzfäller-Hemd, dass Saxophonist Jon Natchez leider krank in einem Hotel in Berlin liegt. Obwohl es Natchez unangenehm wäre, wünscht er ihm mit Nachdruck und wiederholt: Get Well Soon. Aus dem Bett kann er leider seinen Saxophon-Part im besagten Song nicht beisteuern. Stattdessen wird auf Effektpedale zurückgegriffen. The War On Drugs nehmen es mit Humor, auch wenn das bestimmt nicht ihrem Qualitätsanspruch als Liveband entspricht. Doch nach einer Zeit voll von Live-Entbehrung werden sogar Vollblutmusiker darüber hinwegsehen.
Come and ride away
It's easier to stick to the old
Surrounded by the night
Surrounded by the night and you don't give in
But you abuse my faith
Die goldene Mitte des Sets
Ihre ganze Stärke spielt die Band aus Philadelphia im Mittelteil des Sets aus. Mit Strangest Things, Harmonia's Dream, Red Eyes und Living Proof decken sie so ziemlich jede Gefühlslage ab. Mal kriecht eine Komposition wie Strangest Things direkt unter die Haut, mal drücken die Amerikaner wie bei Red Eyes aufs Tempo. Passend zur treibenden Musik vollführen ebenfalls die Scheinwerfer einen wilden Tanz. Mit ihren beeindruckenden und scheinbar völlig selbstverständlichen Fähigkeiten an ihren Instrumenten beweisen The War On Drugs, dass Live-Musik in Zeiten von immer mehr Elektronik noch immer gefragt ist. Egal ob akustisch oder verstärkt, ein Beat kann kaum den Klang einer Gitarre im Zusammenspiel mit einer starken Stimme ersetzen – zum Glück!
The War On Drugs zelebrieren Livemusik in der Halle 622 in Zürich
Banging on a drum
You turn me lose
Maybe I'm the living proof
What have I been runnin' from?
Fazit
Wie eine Band auftritt, sagt viel über sie aus. So passt auch das reduzierte Setting von The War On Drugs perfekt zu den Musikern und dem Gefühl, das sie transportieren. Kein riesiger Backdrop und keine Screens zieren die Bühne. Nur ein schlichter Rahmen aus Licht sowie so viele Instrumente, wie irgendwie Platz fanden. Hier steht die Musik im Zentrum und das spürt man bei jedem Ton. Noten fliessen durch die Adern von Granduciel und scheinen für ihn ebenso wichtig wie das Blut in seinem Körper zu sein. Jedes Livekonzert wie dieses, das die Fans mit einem wohligen Gefühl der Wärme zurücklässt, wird dafür sorgen, dass die Ticketverkäufe sich erholen und wir endlich wieder ungetrübt Shows von talentierten Künstlern aus aller Welt geniessen können.