White Lies in Mailand: «As I Try Not To Fall Apart» im Magazzini Generali

In Reviews by indiespect

Bei der Tour zu ihrem sechsten Album «As I Try Not to Fall Apart» lassen White Lies die Schweiz aussen vor. Bisher waren die Engländer mit jedem ihrer Alben für ein Tourkonzert nach Zürich gekommen, nicht so mit der aktuellen Veröffentlichung. Zum Glück sind die Zugverbindungen nach Mailand sehr regelmässig. So hiess es gestern für einmal nicht Kaufleuten oder Dynamo, sondern Magazzini Generali.

White Lies: Dunkelheit und Discokugel gehen Hand in Hand

War das Debütalbum To Lose My Life (2009) noch von Dunkelheit und Tod geprägt, so haben White Lies zuletzt immer mehr Groove und positives Disco-Feeling in ihre Musik einfliessen lassen. Auf ihrem sechsten Studioalbum As I Try Not to Fall Apart vereint das Trio beide Seiten. Das widerspiegelt sich auch auf der Bühne. Gar nicht düster, sondern mit einem breiten Grinsen betritt Sänger Harry McVeigh die Bühne – kurz nach 21:30 Uhr. Dies ist bereits der erste Unterschied zu einem Konzert in der Schweiz. Hier ist unter der Woche der Spielbeginn deutlich früher angesetzt. Dafür wird auch nicht lange gefackelt. Farewell to the Fairground eröffnet den Konzertabend. Das Debütalbum ist hinter der aktuellen Veröffentlichung noch immer das Album mit den meisten Songs im Set.

White Lies

Die drei Streifen sind seit jeher ein Symbol für White Lies.

Jeder Song ein Volltreffer

White Lies können ihr Set beliebig umstellen und jeder Song wird gefeiert. Das Trio schafft es scheinbar mühelos, immer neue Publikumslieblinge zu schreiben. Für diese Tour haben sie mit der Auswahl aber ein besonders glückliches Händchen gezeigt. Auf There Goes Our Love Again von Big TV (2013) folgt ein Herzstück des neuen Studioalbums. Am I Really Going To Die fängt die Essenz von White Lies perfekt ein und ist schon jetzt ein Klassiker. Keine andere Band kann Melancholie, düstere Stimmung und Funk verbinden ohne völlig albern zu klingen.

This isn't my time to die
You're never really gonna die
I never really wanna die
I'm never really gonna die

Am I Really Going To Die, White Lies
White Lies

White Lies in Mailand: Zum ersten Mal seit 2013 im Magazzini Generali.

Keine Abnutzungserscheinungen

Auch dreizehn Jahre nach Veröffentlichung funktioniert To Lose My Life noch immer jedes Mal. Die Komposition weist noch keinerlei Gebrauchsspuren auf, obwohl die Band sie wohl schon blind spielen könnte. Die Energie der Fans, die bei diesem Song auf die Musiker zurückschlägt, trägt zweifellos zu dieser Tatsache bei. Hurt My Heart erschien als Nachzügler auf Five V2 und wurde als 7"-Single ausgekoppelt. Dessen Stil spannt eine Brücke über die verschiedenen White-Lies-Alben. Die Disco-Elemente rücken in den Hintergrund, das treibende Schlagzeug übernimmt gemeinsam mit dem Gesang die Führung.

How I miss that sting
When the phone won't ring
And I wish I'd bruise
When it's me, not you

Hurt My Heart, White Lies
White Lies

Der Industrie-Look des Magazzini Generali passt wunderbar Zu White Lies.

Kräftezehrende Live-Versionen in Mailand

Bei ausgedehnten Intros oder Outros liefern White Lies oft eine abgekürzte, radiotaugliche Studio-Edit-Version mit. Für Time To Give packen sie jedoch auf der Bühne definitiv die Super-Extended-Version aus. Diese verlangt den Musikern alles ab. Doch eine Verschnaufpause gönnen sie sich im Anschluss nur kurz. Is My Love Enough? ist mit seinem Groove zwar etwas gemächlicher, dauert aber ebenfalls knapp sechs Minuten. Die Stimme von Harry McVeigh muss einiges aushalten. Step Outside ist einer dieser Songs, der erst live seine ganze Magie entfaltet. Auf dem Album hat dieser zwar bereits einen gewissen Reiz, doch mitten im Set ist er die pure Erfrischung. Es gibt spannende Melodienwechsel und viele Klangebenen neu zu entdecken.

Say you will
It'll make you feel better
Take your pill
Oh, it'll make you feel better

Step Outside, White Lies
White Lies

Geisterhafte Silhoutte: Passend zu «Unfinished Business»

Ein alter Bekannter feiert sein Comeback

First Time Caller wurde seit der Tour zu Big TV nur noch sehr sporadisch gespielt. Nun feiert dieser wunderbar getragene Song, der die Transformation vom Sound der ersten beiden Alben zu neuen musikalischen Ufern in sich trägt, sein Comeback. Auch der Titel-Track jenes dritten Albums darf natürlich nicht fehlen. Weiter folgt der Closer des aktuellen Albums. There Is No Cure For It ist ein regelrechter Grower. Es beginnt eher monoton und entfaltet sich Stück für Stück über die Dauer von vier Minuten. Ein schlicht wunderbarer Aufbau und das perfekte Ende für As I Try Not To Fall Apart. Doch im Live-Set ist das Ende noch nicht erreicht. Passend hat das Trio noch Unfinished Business im Köcher. Der erste überhaupt veröffentlichte Song der Engländer geht noch immer durch Mark und Bein.

She said I was a first time caller
But a long time listener
I've been waiting a while to talk to you

First Time Caller, White Lies

Lange verschollen, jetzt wieder zurück: First Time Caller.

Von Tokyo zum Mars und in den Tod

Tokyo war eines der einprägsamsten Stücke vom letzten Album Five, das auch live hält, was es in der Studioversion verspricht. Zum Abschluss fragen sich die Engländer mit Nachdruck, welcher gehirngewaschene Idiot zum Mars fliegen möchte. I Don't Want To Go To Mars ist ihre klare Meinung zum Wettlauf der Milliardäre. Auch dieser ist wieder einer dieser Songs, der ab jetzt immer im Set bleiben sollte. White Lies hat von dieser Sorte schlicht zu viele, um bei der nächsten Tour allen Wünschen gerecht werden zu können. Death, der erste Track der Zugaben, ist ebenfalls einer davon. Es würden Tränen fliessen, wenn White Lies diesen Klassiker je aus dem Set streichen würden. Der neuste Titel-Track As I Try Not To Fall Apart ist die kleine Verabschiedung, bevor das Konzert klassisch mit Bigger Than Us zu Ende geht. Den Schlusspunkt setzt gleichzeitig der einzige Song vom Album Ritual (2011). Da das Album in einem Pandemie-Jahr sein 10-jähriges Jubiläum feierte, gab es dazu bisher noch keine Tour. Es wäre schön, wenn die Band ihrem zweiten Album auch wieder einmal den roten Teppich ausrollen würde.

White Lies

Sind gar nicht so düster: White Lies in Mailand.

Fazit

Die Zeiten in denen man bei White Lies beide Ohren zudrücken musste, um die Stimme von Harry McVeigh nicht als schräg und alles andere als treffsicher zu bezeichnen, sind seit vielen Jahren vorbei. Die gesamte Band wird von Album zu Album auch auf der Bühne immer besser. Ihre Studioalben waren schon immer grossartig, nun sind die Konzerte mindestens auf demselben Stand, wenn nicht sogar noch kraftvoller.