Interview mit Jack und Jimmy von Foals: Das neue Album war ein Leuchtfeuer der Hoffnung

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Das neue Foals-Album «Life Is Yours» wurde in einer Zeit geschrieben, in der das Leben nicht uns selbst zu gehören schien. Trotzdem, oder gerade deswegen, hat das Trio aus Oxford sein bisher glücklichstes und aufbauendstes Werk geschaffen. Im Interview, das kurz vor ihrem Konzert in Zürich Ende Mai stattfand, sprachen Gitarrist Jimmy Smith und Schlagzeuger Jack Bevan darüber, wie die Zusammenarbeit mit verschiedenen Produzenten für sie funktioniert hat und in welchem Soundtrack sie gerne einmal mit einem Foals-Song vertreten wären.

Foals sind:

Yannis Philippakis (Gesang, Gitarre)
Jack Bevan (Schlagzeug)
Jimmy Smith (Gitarre, Keyboard)

Indiespect: Es ist endlich Zeit für eure grosse Veröffentlichung. Das Album «Life Is Yours» erscheint.

Jimmy Smith: Ja, endlich.

Indiespect: Es hat eine wirklich positive Grundstimmung. Aber manchmal sind die Texte auch ein bisschen düster, wie in «2 am». Wie funktioniert das im Schreibprozess? Kommt die aufmunternde Melodie zuerst oder die dunkleren Texte?

Jimmy: Nun, ich kann nicht für Yannis' lyrischen Prozess sprechen, weil er das alleine macht. Aber wir mögen diesen Kontrast immer sehr. Man könnte es auch andersherum machen. Einen wirklich düster klingenden Song mit einem fröhlichen Text. Es kann einen Song ausmachen, der ziemlich seicht wäre, wenn er nur aus schönen Texten und einer eingängigen Melodie bestünde. Yannis findet es einfacher, Texte mit einer gewissen Tiefe zu schreiben. Ausserdem glaube ich, dass es für die Langlebigkeit eines Albums gut ist, eine gewisse textliche Substanz zu haben. Irgendwann fängt man an, über die Musik hinaus zu hören.

Für die Langlebigkeit eines Albums ist es gut, eine gewisse textliche Substanz zu haben.

Jimmy Smith, Foals

Indiespect: Musstest du neue Elemente für eure Live-Show einstudieren, da es eine neue Richtung für die Band ist?

Jimmy: Tatsächlich nicht. Wegen des Lockdowns und der zweijährigen Auszeit habe ich eigentlich jeden Tag Gitarre gespielt. Ich denke also, dass ich jetzt besser bin – ich bin definitiv besser im Gitarrenspiel als vor zwei Jahren. Eigentlich war es überraschend einfach. Normalerweise, wenn man probt, hat man keine Schwielen an den Fingern, man muss sie aufbauen, und das ist wirklich schmerzhaft. Dies war das erste Mal überhaupt, dass ich das nicht tun musste.

Nothing But Thieves

Foals sind (v.l.n.r.): Jimmy Smith, Yannis Philippakis, Jack Bevan.

Indiespect: Eure Musik ist in vielen Fernsehserien zu hören. Gibt es eine Serie, in der du gerne einen eurer Songs sehen würdest?

Jimmy: Oh ja, alles, wo David Attenborough dabei ist. Eine Naturdokumentation wäre fantastisch. Aber das ist der Heilige Gral. Wir werden sehen. Er wird bald sterben... Hoffentlich nicht, aber ich bereite mich darauf vor, denn das wird ein grosser Einschnitt. Wir hatten ein Zoom-Treffen mit all diesen Leuten in Amerika, die solche Sachen organisieren, Syncs in Filmen; deine Musik anderswo als nur in der Musikszene bekannt machen. Sie fragten: Was ist dein Traumszenario? Und ich sagte nur: Die Eröffnungsszene eines tollen Films, eines wirklich coolen Films. Mit einem Song im Vorspann oder der erste Aufnahme zu sehen sein, das wärs für mich.

Indiespect: Wie «Every You, Every Me» von Placebo in Eiskalte Engel.

Jimmy: Ja. Ganz genau. In den Filmen der Neunzigerjahre haben sie das oft gemacht. Ein ikonischer Song, der die Szene einleitet.

Mit einem Song im Vorspann oder der erste Aufnahme zu sehen sein, das wärs für mich.

Jimmy Smith, Foals

Indiespect: Hast du einen Song im Kopf, den ihr bereits veröffentlicht habt?

Jimmy: Spanish Sahara lässt sich leicht auf alles anwenden. Aber er ist schon ein bisschen alt. Einige der neuen Songs würden meiner Meinung nach sehr gut passen. Das Ende von 2001 auf der neuen Platte schreit förmlich nach einem Film, der im Abspann zu hören ist.

Indiespect: Wenn jemand euch noch nicht kennt und Foals entdecken möchte, welches Album würdest du ihm empfehlen, um damit anzufangen?

Jimmy: Geh einfach in chronologischer Reihenfolge vor, fang von vorne an. Denn das ist die Reise, die wir gemacht haben. Nimm dir für jedes Album einen Monat Zeit.

«Spanish Sahara» in einer Dokumentation von David Attenborough - das würde perfekt passen.

© Stefan Tschumi

Indiespect: Es muss ziemlich schwer gewesen sein, nach der Zwangspause, die durch Pandemie entstanden ist, wieder die Energie für Live-Auftritte aufzubringen. Vor allem über längere Phasen.

Jimmy: Ja, das ist mir eben erst auch aufgefallen (lacht). Das ist sehr scharfsinnig von dir. Auf jeden Fall hatte ich bei den ersten vier Shows dieser Tour unendlich viel Energie, weil es so aufregend war. Und dann fangen die alten Dämonen an, sich wieder einzuschleichen. Durch das Gitarrenspiel verletze ich mir ständig die Hände. Ich bekomme Krämpfe und man wird ziemlich müde. Ich spiele auf dieser Tour öfter Keyboard. Es ist ziemlich schwer, sich zu bewegen, Keyboards zu spielen und dabei noch cool auszusehen. Es ist wie ein verdammtes Workout für die Beine. Wenn ich zurück zur Gitarre gehe, kann mich nicht mehr bewegen. Tja, ich bin 37 Jahre alt. Was kann man da machen? (lacht)

Ich spiele auf dieser Tour öfter Keyboard. Es ist ziemlich schwer, sich zu bewegen, Keyboards zu spielen
und dabei noch cool auszusehen. Es ist wie ein verdammtes Workout für die Beine.

Jimmy Smith, Foals

Jack Bevan betritt den Raum

Jack: Hallo, wie geht's? Es tut mir leid, dass ich etwas zu spät komme, ich war gerade schwimmen. Ich klinke mich einfach ein?

Indiespect: Klar! Ich habe deine Stories auf Instagram gesehen und dachte, du würdest es vielleicht nicht schaffen.

Jack: Ich meine, so ein schönes Wetter! Ich liebe es auch, in die Schweiz zu kommen. Es ist einfach ein so schönes Land. Einfach ins Wasser zu gehen ist etwas, wozu wir nicht jeden Tag die Gelegenheit haben.

Jimmy: Besonders dieses saubere Wasser. Oh, mein Gott!

Foals

Foals auf der Bühne des X-TRA Zürich

Indiespect: Wie schon gesagt, ist eure neue Platte sehr beschwingt und fröhlich. Aber während des Schreibens und Aufnehmens war das Gefühl in der Welt überhaupt nicht so. War es schwer für euch, in diese Stimmung zu kommen, oder herrsche eine Art Eskapismus?

Jack: Es war eine Art Eskapismus. Zu der Jahreszeit, in der wir das Album geschrieben haben, war es nass, kalt und dunkel. Und wir beklagten den Verlust des Nachtlebens, der Partys und all der Dinge, die wir früher genossen hatten, durch den Lockdown. Es war fast wie ein Hoffnungsschimmer, diese Platte zu machen, sich an die alten Zeiten zu erinnern, aber auch einen Schlussstrich zu ziehen und zu sagen: Das werden wir in einem Jahr oder in sechs Monaten sein, oder wie lange Covid auch immer dauern mag. Und wir werden in der Lage sein, diese Musik herauszubringen und die Welt wird wieder auferstehen

Indiespect: Und jetzt passt es wirklich zu dem Vibe, der herrscht.

Jimmy: Darauf haben wir gehofft. Wir sind wirklich glücklich darüber, wie es gelaufen ist.

Ironischerweise ist das am stärksten zerstückelte Album, was die Arbeit mit verschiedenen Leuten angeht, meiner Meinung nach das zusammenhängendste.

Jack Bevan, Foals

Indiespect: Ich habe gesehen, dass ihr bei diesem Album mit einer ganzen Reihe von Leuten zusammengearbeitet haben. Ich habe mich gefragt, ob ihr dadurch mehr kreativen Input bekommt oder ob es für euch auch komplizierter ist. Warum habt ihr euch entschieden, so zu arbeiten?

Jack: In der Vergangenheit haben wir dazu tendiert, ganze Platten mit einem Produzenten zu machen, damit wir ein einheitliches Album bekommen. Aber Produzenten sind Menschen mit Meinungen. Und manchmal schreibt man Songs und der Produzent mag vielleicht einen der Songs nicht oder hat nicht das Gefühl, dass er etwas damit anfangen kann. Indem wir also mit verschiedenen Produzenten zusammengearbeitet haben, haben wir Songs genommen, von denen wir dachten, dass sie mit bestimmten Leuten funktionieren würden. Wenn sie ihnen gefielen, gab es eine gegenseitige Aufregung. John Hill war sehr respektvoll gegenüber den verschiedenen Wegen, die wir zuvor mit verschiedenen Produzenten eingeschlagen hatten. Er war sozusagen derjenige, der versucht hat, alles zu einem Ganzen zusammenzufügen.

The new Foals album
«Life Is yours»
Release: 18.06.2022

Typhoons
Tracklist
  1. Life Is Yours
  2. Wake Me Up
  3. 2am
  4. 2001
  5. (summer sky)
  6. Flutter
  7. Looking High
  8. Under The Radar
  9. Crest of the Wave
  10. The Sound
  11. Wild Green
Album Kaufen

Jimmy: Die Rolle eines ausführender Produzenten.

Jack: Ja. Und das ist etwas, was wir vorher noch nie gemacht haben. Ironischerweise ist das am stärksten zerstückelte Album, was die Arbeit mit verschiedenen Leuten angeht, meiner Meinung nach das zusammenhängendste.

Indiespect: Das ist ja gerade das Besondere daran. Es ist nicht so einfach, ein stimmiges Gesamtwerk zu schaffen, wenn man mit so vielen Leuten arbeitet.

Jimmy: Es spricht vor allem für die Songs. Wir haben sie alle zusammen in einem kleinen Raum geschrieben, nur wir drei. Man könnte sie jedem geben und sie würden trotzdem harmonieren. Denn die Grundlagen jedes Songs sind zusammenhängend. Aber es ist John Hill zu verdanken, dass alles so kombiniert wurde, wie wir es uns vorstellten. Allein schon die Menge an Computerdaten zwischen all den verschiedenen Studiosessions. Die Festplatten flogen den ganzen Winter auf Motorrädern quer durch London hin und her. Das ist ein kleiner logistischer Alptraum. Er hat sich also gut geschlagen.

«2 am» – fröhliche Musik, leicht düstere Texte

© Eva Pentel

Indiespect: Seid ihr alle die treibende Kraft, wenn es darum geht, neue musikalische Richtungen zu erkunden? Oder wie sind die Rollen innerhalb der Band verteilt?

Jack: Es fühlte sich toll an. Jimmy hatte eine ganze Weile in Amerika gelebt und wir waren alle im Lockdown und voneinander getrennt. Ich erinnere mich, dass wir uns zum ersten Mal getroffen haben, nachdem du aus Amerika zurückgekommen bist und wir ein paar Bier trinken gegangen sind.

Jimmy: Ja, wir haben neulich darüber gesprochen.

Jack: Ich meinte nur: Wäre es nicht toll, eine wirklich lustige, tanzbare, fröhliche, positive Platte zu machen? Und du hast gesagt: Ich habe mich genau dasselbe gefragt.

Jimmy: Es war grossartig. Es gibt eine Menge Glücksfälle. Ich würde sagen, dass dies die zufälligste Platte ist, die wir je gemacht haben, weil jedes Stück einfach da war und es sich richtig anfühlte. Durch dieses Gespräch zwischen uns entstand das Konzept fürs ganze Album. Wir sprachen über Alben, die ein zusammenhängendes Gefühl vermitteln, mit zehn Tracks. Solche die nicht allzu anspruchsvoll sind. Man möchte es einfach im Auto hören, wie das Album White and Blue von Weezer. Es sind zehn verdammt gute Songs, die alle Teil der gleichen Welt sind. Ich bin wirklich stolz darauf. Ich glaube, wir sind dem, was wir uns vorgenommen haben, so nah wie noch nie gekommen. Ich weiss nicht, ob wir es zu 100% geschafft haben, denn es gibt immer Raum für Verbesserungen. Aber wir waren ziemlich nah dran.

Ich glaube, wir sind dem, was wir uns vorgenommen haben, so nah wie noch nie gekommen.

Jimmy Smith, Foals

Indiespect: Glaubst du, dass der Lockdown den Musikern geholfen hat, sich zu verbessern und kreativer zu werden? Oder denkst du, dass die Platten, die herauskamen, mehr an diese Zeit gebunden sind und man sich später nicht mehr an sie erinnern wird?

Jimmy: Ich glaube nicht, dass jemand an diese Zeit erinnert werden möchte.

Indiespect: Aber es gab einige Künstler, die dies zu ihrem Hauptthema gemacht haben.

Jack: Die Pandemie hat jeden anders getroffen. Und ich denke, man wird erst in vielen, vielen Jahren erkennen können, wer wie stark betroffen war. Die Auswirkungen der Pandemie werden noch jahrelang anhalten. Wir wollten nicht darin versinken. Wir wollten uns auf die zukünftigen guten Zeiten freuen, anstatt davor zu fliehen.

Jimmy: Es hat uns gezeigt, wie wichtig Musik sein kann.

Foals

Foals in Zürich

Jack: Mir tun einfach alle Bands leid, vor allem junge, neuere Bands, die ihre Platten in einer Zeit herausbringen, in der sie nicht auf Tour gehen können, und dann einfach untergehen.

Jimmy: Es war offensichtlich, wer im Platten-Veröffentlichungs-Zyklus der Industrie zu weit fortgeschritten war, um die Veröffentlichung seiner Alben zu stoppen. Und es war fast so, als würde man den Leuten dabei zusehen, wie sie von einer Klippe springen. Sie konnten die Veröffentlichung ihres Albums nicht mehr aufhalten, und das war's dann. Unsere Freunde, Everything, Everything, haben während des Lockdowns ein Album veröffentlicht und es ist irgendwie verschwunden. Also haben sie das Beste daraus gemacht, nämlich ein weiteres, das noch besser war. Sie haben es geschafft.

I was joking about having a cooking show at some point.

Jack Bevan, Foals

Indiespect: Jack, bevor du kamst, sagte Jimmy, dass er in dieser Zeit jeden Tag Gitarre geübt hat. Hast du auch mehr Schlagzeug gespielt als vorher?

Jack: Oh, nein. Ich komme nie dazu, Schlagzeug zu spielen. Ich habe nirgendwo die Möglichkeit, Schlagzeug zu spielen. Irgendwann in meinem Leben würde ich gerne ein elektronisches Kit haben, mit dem ich jeden Tag üben kann, denn ich liebe es. Ich lebe in London und es ist schwer, in der Wohnung ein Schlagzeug zu haben. Ich spiele auch sehr laut. Manchmal ist es jedoch gut, eine Pause vom Schlagzeug zu haben, denn das bedeutet, dass ich es liebe, wenn ich mich wieder dran setze. Ich habe die Pandemie genutzt, um viel zu kochen. Das hat mir richtig Spass gemacht. Ich wurde ziemlich nerdig und kaufte eine Menge Tools wie Sous-Vide-Geräte, Flammenwerfer oder eine Wurstmaschine.

Jimmy: Er hat die beste Küche, die ich je gesehen habe.

Jack: Oh, danke, Mann. Wenn sie fertig ist – ich habe auch ein Haus renoviert, also ist das eine Menge von dem, was ich in Lockdown gemacht habe. Ich habe darüber gescherzt, irgendwann eine Kochsendung zu machen, weil meine Küche ein guter Ort für eine Kochsendung oder ein YouTube-Ding wäre.

Jimmy: Ich habe die alte Küche von Joe Jonas in Amerika gesehen und die von Jack ist schöner.

Indiespect: Eine letzte Frage. Habt ihr eine bestimmte Erinnerung an einen Schweizer Auftritt? Ihr habt hier ja ziemlich oft gespielt.

Jack: Ich habe tatsächlich eine ziemlich umwerfende Erinnerung an eine Schweizer Show. Vor Jahren war ich der Trauzeuge bei der Hochzeit meines Freundes...

Jimmy: Oh Gott...

Jack: ...und ich musste einen Junggesellenabschied organisieren. Wir sind früh nach Montreux gefahren – ich und 15 Jungs. Wir hatten einfach dieses wilde dreitägige Junggesellenabschieds-Ding. Aber dann spielten wir am Sonntag beim Montreux Jazz Festival, und das war mit Abstand der härteste Gig, den ich je spielen musste. Denn ich hatte drei Tage lang einen Junggesellenabschied. Ich war wirklich kaputt, geistig und körperlich. Die Hälfte der Gäste des Junggesellenabschieds wurde in verschiedenen Teilen von Montreux vermisst – im See oder oben auf dem Hügel. Einer war im Krankenhaus. Dann haben wir eine Show gespielt. Wir hatten schon viele tolle Auftritte in der Schweiz. Aber das war die denkwürdigste.

Die Hälfte der Gäste des Junggesellenabschieds wurde in verschiedenen Teilen von Montreux vermisst –
im See oder oben auf dem Hügel. Einer war im Krankenhaus.

Jack Bevan, Foals

Jimmy: Der vornehmste und blutigste Junggesellenabschied. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir von diesem Festival gesperrt worden sind.

Jack: Weisst du was? Wir haben wieder eine Anfrage bekommen.

Indiespect: Weisst du, in welchem Jahr das war?

Jack: Das muss 2015 gewesen sein. Es war die erste Show, die wirklich erste Show von «What Went Down».

Jimmy: Das ist wahr. Ich erinnere mich an ein Fondue oben auf dem Hügel, als ich neben Toto sass. (lacht)