Declan McKenna im Plaza Zürich: Das neue Wunderkind im Indie-Kosmos

In Reviews by indiespect

Declan McKenna ist kein Unbekannter mehr. Zumindest wenn man sich die Festival-Line-Ups im Ausland anschaut. In der Schweiz ist der Name noch immer ein Geheimtipp. Nur so kann man sich erklären, warum der Engländer gestern mit seinem Album «Zeros» im intimen Rahmen des Plaza Klubs in Zürich auftrat. Mit seiner Performance sowie den tiefgründigen und zugleich tanzbaren Songs werden solche kleinen Clubshows wohl bald der Vergangenheit angehören.

Declan McKenna: Das Gesicht einer Generation der offen gelebten Verletzlichkeit

In seinen Songs verarbeitet Declan McKenna in seinem jungen Alter schon so einiges. Offen werden Unsicherheiten thematisiert oder das Empfinden von Ungerechtigkeit artikuliert. Durch seine Offenheit und Ehrlichkeit zieht der Sänger ein Publikum an, welches sich damit identifizieren kann und sich verstanden fühlt. Es ist beeindruckend zu erleben, wie dieses Verständnis sich auch in ihr Verhalten überträgt. So ist ein Grossteil der Besucher bereits für DANA im Raum, welche für McKenna eröffnet. Es wird nicht nur freundlich zugehört, sondern die Künstlerin wird regelrecht gefeiert und auf Händen getragen. Diese positive Energie holt das Beste aus der Sängerin und aus den Declan-Fans heraus – es entsteht die Magie, wie es sie nur bei Livemusik gibt.

DANA

DANA bekommt die Liebe der Declan McKenna-Fans zu spüren und gibt diese zurück.

Erst zwei Alben und ein Hit nach dem anderen

Kaum betritt Declan McKenna mit seiner Band die Bühne, bleibt einem der Mund offen stehen. Der Auftakt mit Beautiful Faces fühlt sich wie die intravenöse Zuführung von Endorphinen an. So bleibt denn auch keine Hand unten, sobald Declan die Zeile Lift your hands up and lead us back home anstimmt. Und es geht Schlag auf Schlag, denn Rapture ist ein weiterer Track, der Text, Kraft und Melodie in Perfektion in sich vereint. Wäre das ein Casting, McKenna hätte direkt das goldene Ticket für das Finale erhalten. Fast möchte man ungläubig den Kopf schütteln und sich die Augen reiben, Song für Song spielt der Sänger aus Cheshunt in einer Liga mit Arctic Monkeys und vergleichbaren Grössen.

Mrs. Thatcher
Your cruel heart navigates the world we live in
With its anger
Going nowhere, coming at ya

Rapture, Declan McKenna
Declan McKenna

Mit 23 Jahren musikalisch ganz oben dabei: Declan McKenna in Zürich

Umwelt, Selbstwertgefühl und der Geist von David Bowie

Unter dem Titel Sagittarius A* widmet sich McKenna dem Thema Umweltschutz. Der Text ist gleichermassen poetisch wie aufrüttelnd. Ein solches Schreibtalent in diesen jungen Jahren ist schlicht erstaunlich. Kombiniert mit den eingängigen Arrangements wird es noch unglaublicher. Während der Pandemie hat die Schwere der Zeit auch den Musiker zu sehr umgetrieben, als dass er sich noch tiefergehend mit den düsteren Seiten des Lebens beschäftigen wollte, so wie er es auf Zeros tat. Aus diesem Grund hat er im Juli 2021 den wohl bisher unbekümmertsten Song namens My House veröffentlicht. Als dieser im Set auftaucht, bietet das die Möglichkeit mal wieder einen tiefen Atemzug zu nehmen, bevor es mit grosser Theatralik weitergeht.

Summertime in Cannes and Christmas Day in Borneo
So, you tell your mother, your friends and your family
"I'm gonna travel away to the Andes
Like everybody wants to see them"

Sagittarius A*, Declan McKenna
Declan McKenna

Discokugel und Glitter im Plaza Zürich

The Key to Life on Earth ist ein grosser Titel, der hält was er verspricht. Hier spürt man zum ersten Mal im Set förmlich den Geist von David Bowie. Die ausserirdisch klingenden Elemente beim Auftakt sowie nach dem Refrain hätten Ziggy Stardust eine Menge Freude bereitet und seine Aufmerksamkeit geweckt. Beim letzten Song vor Ende des Sets hätte das Herz dann eindeutig einen grösseren Sprung gemacht. Erst folgen jedoch die Tracks Humongous und Isombard vom Debütalbum What Do You Think About The Car? (2017). Beide klingen wie waschechte Indieklassiker, die der damals erst 18-Jährige aufgenommen hat. Auch You Better Believe!!!, der Opener des aktuellen Albums ist ein eindrückliches Statement.

Roaring crowds in Manchester would manage to be told
Oh, and your king, the boy you loved in spring
The way she looks at him
The common goal, and waiting for the kids to go
The Key To Life On Earth, Declan Mckenna

Be An Astronaut: Das «Life on Mars?» von Declan McKenna

Declan McKenna setzt sich ans Klavier, spielt ein kurzes Intro, bevor er die Zeile Daniel, do you remember? anstimmt. Was in den nächsten knapp fünf Minuten folgt ist ein sich immer weiter steigerndes Meisterwerk. Es ist diese Art von Song, bei dem man beim ersten Hören innehält und ständig hofft, dass er die Qualität halten kann. Statt nur das zu tun, legt er sogar Sekunde für Sekunde eine Schippe drauf. Eine Hymne, die man jedem und jeder zeigen kann, die noch nie etwas von McKenna gehört hat. Bei wem das keine Gefühle auslöst, dem ist leider nicht mehr zu helfen. Wenn nach diesem Stück Schluss gewesen wäre, hätte niemand etwas sagen können, doch das Ende ist noch fern. Für ganze fünf Zugaben lässt sich die Band von den elektrisierten Fans rausklatschen.

Declan McKenna

Be An Astronaut: Declan McKenna am Klavier

Das Warten auf den einen Song gibt es nicht

Manchmal gibt es eine Band, bei der man eigentlich nur wegen einem bis zwei Songs das Konzert besucht. Man lauscht geduldig den anderen Titeln bis endlich die Erlösung kommt. Das hätte bei Declan McKenna auch passieren können. Bevor er sein erstes Album auf den Markt brachte, landete er mit dem auf Bandcamp veröffentlichten Bra einen Überraschungshit. Auf TikTok feiert der Track gerade sein Comeback und auch sonst besitzt er noch immer Zugkraft, aber bei einem solchen Set ist er nur Perle nur eine unter vielen – so hoch ist das Niveau. Eröffnet werden die Zugaben wieder am Klavier. Sein wiederkehrender Charakter wird in Daniel, You're Still a Child aufs Neue besungen.

Declan McKenna
There's unrest in the House of Lords
Written on sandwich boards
Outside the shop where they sell your favourite drink
So what do you think you're doing telling people lies?
Daniel, You’re Still a Child, Declan Mckenna

Nach Why Do You Feel So Down folgt das besagte Brazil. Eigentlich ein Song, der die Wahl der FIFA kritisiert, die WM nach Brasilien gebracht zu haben. Von einem Verband voll von Korruption, dem die bittere Armut im Land egal ist. Brazil stieg 2022 zum ersten Mal in die UK-Charts ein, nachdem er auf TikTok viral ging. Dort tat er das jedoch bestimmt nicht wegen seiner Tiefgründigkeit, sondern weil er catchy klingt. Den Schlussknall liefert McKenna mit British Bombs, dem Festivalhit schlechthin. Hinter der sprichwörtlichen Sprengkraft des Tracks steckt wiederum ein politischer Text. Es geht nämlich um die Heuchelei zum Thema Waffenhandel. Durch sein wildes Springen über die Bühne ist mittlerweile die Schminke in Declan McKennas verschmiert und er scheint die letzten Energiereserven anzuzapfen, um zu schreien und zu tanzen. Was für ein Abschluss für einen perfekten Konzertabend.

Declan McKenna

Declan McKenna feiert sich und seine Fans.

Fazit

Declan McKenna ist ohne wenn und aber ein riesiges Talent. Sowohl mit seinen Texten als auch mit den musikalischen Arrangements hat er eindrücklich gezeigt, dass es keine Grenzen gibt. Im Ausland ist er bereits auf dem besten Weg, an die Spitze zu kommen. Mal schauen, wie lange es noch dauert, bis die Erkenntnis auch die Schweiz erreicht. Es fehlt nur noch ein Funken, um das Leuchtfeuer zu zünden – und dann gibt es kein Halten mehr.