Bright Eyes sind gestern mit ziemlich genau zwei Jahren Verspätung im X-Tra Zürich aufgetreten. Conor Oberst und seine Band brachten dabei ihr Comeback-Album «Down in The Weeds, Where the World Once Was» auf die Bühne. Das 2020 veröffentlichte Werk ist das erste Studioalbum seit 2011. Der Songwriter sorgte mit seinem Auftritt für einen Abend zwischen Dramatik, Schönheit, Besorgnis und tiefen Gefühlen.
Bright Eyes: Die leidende Stimme ist kein Stilmittel
Conor Oberst zählt seit über 20 Jahren als einer der grössten Indie-Songwriter. Kaum einer wird so sehr verehrt wie er. Seine Traurigkeit transportiert sich in den Texten und der unverkennbaren brüchigen Stimme. Als Zuhörer kann man sich in diese Melancholie hineinwerfen und ihr nach einigen Songs wieder in ein anderes Leben entfliehen. Doch für Oberst ist diese Welt sein Leben. Dies wird einem spätestens klar, wenn man erlebt, wie er sichtlich angetrunken, nicht enden wollende Anekdoten zwischen den Stücken zum Besten gibt. Das verbale Chaos endet jedoch abrupt, sobald er zum Instrument greift oder ans Mikrofon tritt. Während der Songs ist die Zerrissenheit auf traurig-schöne Art und Weise in all seiner Stärke greifbar.
Conor Oberst und Bright Eyes in Zürich.
Wenn die Setlist den Sänger selbst überrascht
Oberst stolpert nicht nur regelmässig über den roten Faden seiner Ansagen, sondern auch über die Setlist. Er ist selbst überrascht, welche Songs sich teilweise darauf befinden. So zum Beispiel Just Once In The World, ein Track vom neusten Album, der auf der aktuellen Tour mit beinahe 60 Shows erst zehn Mal den Weg auf die Bühne fand. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem nächsten Stück Easy/Lucky/Free. Noch einmaliger gestaltet es sich nur noch beim Simon-Joyner-Cover von Double Joe. Conor Oberst erzählt, dass er bereits mit 10 Jahren angefangen habe, den Songwriter zu hören und dass dieser aktuell durch eine schwierige Phase gehe. Aus diesem Grund performen Bright Eyes zum bisher einzigen Mal diesen Song, den die Band aus Omaha, Nebraska, erst beim Soundcheck gemeinsam geprobt hatte. Sichtlich stolz über das Ergebnis wendet er sich im Anschluss mit einem that went great seinen Mitmusikern zu.
So if it's time, let's go together
I will be your ballast now Let's sail into that stormy weather No matter how it turns out
Mit seinem neuen Look wirkt Conor Oberst fast wie ein Grunge-Sänger.
Der Tanz auf Messers Schneide
Wenn man seinen Blick vom wilden Ausdruckstanz von Conor Oberst löst und über die Band schweifen lässt, scheint man dort verschiedene Emotionen in den Gesichtern zu sehen. Einerseits wollen die Musiker ihren fragilen Sänger tragen, anderseits scheinen sie zu hoffen, dass er keine Dummheiten macht. Abgesehen von seinen etwas eingenebelten Ansagen scheint dieser einen guten Abend erwischt zu haben. Er bedankt sich herzlich beim Publikum und wirkt als werde er von der Musik eher aufgebaut, als heruntergezogen. Bei düsteren Kompositionen wie To Death's Heart (In Three Parts), welches er im Duett mit seiner Saxophonistin Linsey singt, ist das alles andere als selbstverständlich. Doch es mutet schon etwas seltsam an, wenn er wie ein Wilder über die Bühne tanzt, während Linsey etwas eingeschüchtert und unsicher am Mikrofon steht. Vor dem Song preist er sie begeistert an, scheint zum Ende hin jedoch fast vergessen zu haben, dass er nicht alleine gesungen hat. Also läuft sie von ihm unbeachtet wieder an ihren Platz zurück.
I've seen that void, tried not to stare
There's bodies in the Bataclan, there's music in the air And they sing, "Éphémère, éphémère, éphémère" And "Wish You Were Here"
Conor Oberst sing voller Inbrunst.
Das Publikum als seelische Stütze
Der Zustand des Performers dürfte wohl bei niemandem im X-Tra unbemerkt geblieben sein und viele werden seine Probleme schon länger kennen. Niemand wendet sich enttäuscht ab, vielmehr versuchen die Fans ihren verletzlichen Indie-Helden mit warmem Applaus zu unterstützen und ihm Geborgenheit zu geben. Die Dankbarkeit seinerseits ist immer wieder spürbar. So macht er etwas, das man sonst nicht wirklich sieht. Es gibt zwar Bands, die das Publikum auffordern, für sich selbst zu applaudieren, doch ein Sänger, der mit seiner Band für das Publikum klatscht, ist ziemlich rar.
Well I'm changin all my stringsI'm gonna write another travelin' song About all the billion highways And the cities at the break of dawn
Auch andere grosse Songwriter hatten in ihrer Biografie schwierige Phasen, man denke dabei nur an Johnny Cash. An den Country-Helden wird man unweigerlich bei Another Travelin' Song erinnert. Diese Komposition klingt, als könnte sie aus der Feder des Man in Black stammen. Mit dem darauf folgenden Ladder Song beenden Bright Eyes im Anschluss ihr reguläres Set.
Ein Lichtblick ganz zum Ende
Für den Auftakt der Zugaben packen Bright Eyes mit First Day of My Life einen Klassiker aus. Hierfür wird Conor Oberst von einer Violine begleitet. Nachdem er bei I Believe in Symmetry seine Kritik an der Forschung und der Wissenschaft losgeworden ist, folgt vor dem letzten Lied ein längerer Monolog. Oberst referiert mit dem Rücken zum Publikum darüber, dass er seine Songs manchmal selbst nicht leiden kann, da sie so depressiv, traurig und schräg sind sowie darüber, dass wir in dieser Welt alle im selben Boot sitzen. Deswegen möchte er als Schlusspunkt über das Gegenteil singen. Ein Stück für alle Menschen und ein Aufruf, sich einander wieder anzunähern.
© David James Swanson
One for the righteous, one for the ruling class
One for the tyrant, one for the slaughtered lamb
One for the struggle, one for the lasting peace
One for you, and one for me
Ein Kopf, so viele Gedanken: Conor Oberst von Bright Eyes
Fazit
Conor Oberst ist eine tragische Figur. Er wirkt wie ein ehrlicher und freundlicher Musiker, mit einer Tiefgründigkeit, wie man sie nur selten findet. Doch diese Tiefgründigkeit bezahlt er damit, dass er sich immer wieder in der Dunkelheit verliert. Es wäre ihm zu wünschen, dass sein Kopf ihm irgendwann auch die schönen Seiten des Lebens zeigt und er etwas glücklicher durch diese Welt gehen kann.