Sam Ryder hat auf grösseren Bühnen gespielt als viele Musiker, die schon deutlich länger im Geschäft sind als er. Und das, obwohl er noch nicht einmal ein einziges Studioalbum herausgebracht hat. Die Teilnahme am Eurovision Song Contest mit seinem Song «Space Man» hat dem Engländer einige grosse Türen geöffnet, und er ist durch jede einzelne mit einer ansteckenden Energie gegangen. Nun steht sein Debütalbum «There's Nothing But Space, Man!» kurz vor der Veröffentlichung. Vor seinem ersten Auftritt in Zürich erklärt der Sänger, wie er den Spagat zwischen Wembley Stadion und Clubs schafft und wie ihm seine Erfahrungen als Hochzeitsmusiker bei seiner weiteren Karriere geholfen haben.
Indiespect: Du hast deine Tour im Frühling verschoben, weil du für Grossbritannien am Eurovision Song Contest teilgenommen hast. Vielleicht die beste Entscheidung überhaupt?
Sam Ryder: Ja. Und wie. Es hat sich herausgestellt, dass es das war. (lacht)
Indiespect: Seitdem haben sich einige grosse Möglichkeiten für dich ergeben. Im September hast du mit deinen grossen Helden Queen beim Taylor Hawkins Tribute Konzert im Wembley Stadion gespielt. Einige Monate zuvor bist du zum Platinum Jubilee Concert der Queen vor dem Buckingham Palast aufgetreten. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Sam: Unglaublich. Ich kann nicht behaupten, dass wir irgendetwas davon erwartet hätten. Es kam einfach so und fiel uns sozusagen in den Schoss. Aber das waren gewaltige Meilensteine und die Art von Dingen, die man nicht einmal unbedingt erlebt, wenn man das Glück hatte, eine lange und erfolgreiche Musikkarriere zu habe. Ich schätze mich ausgesprochen glücklich, dass ich diesen Meilenstein für die Queen feiern durfte.
Sam Ryder brach den ESC-Fluch für das Vereinigte Königreich.
Indiespect: Auch wenn du auf TikTok bereits Millionen Follower hattest, ist es etwas ganz anderes, vor einem so grossen Publikum aufzutreten. Wie bist du mit dem Lampenfieber umgegangen?
Sam: Ich habe daran gearbeitet, meine Nervosität in Aufregung umzuwandeln. Jedes Mal, wenn ich mich nervös fühlte, habe ich mir einfach gesagt, dass ich positiv aufgeregt bin, und das scheint zu funktionieren. Das ist jetzt zur Gewohnheit geworden. Ich war also schon lange nicht mehr nervös vor einer Show, wahrscheinlich das ganze Jahr über. Es gab nicht eine einzige Show, vor der ich nervös war, bevor ich auf die Bühne ging. Ich würde das auf jeden Fall jedem empfehlen, der in irgendeiner Weise unter Nervosität leidet.
Jedes Mal, wenn ich mich nervös fühlte, habe ich mir einfach gesagt,
dass ich positiv aufgeregt bin, und das scheint zu funktionieren.
Indiespect: Hast du Queen zum ersten Mal beim Platinum Jubilee Konzert getroffen?
Sam: Ich habe sie dort nicht getroffen, weil sie direkt nach diesem Auftritt zu einer ihrer eigenen Shows mussten. Ich habe sie zum ersten Mal vor dem Konzert im Wembley-Stadion getroffen.
Indiespect: Aber offensichtlich wusste Roger Tayler von dir, denn er hat dich gebeten, mit ihnen aufzutreten?
Sam: Ja. Sie müssen meine Videos im Internet gesehen haben, denke ich. Eigentlich weiss ich, dass sie es taten. Roger und seine Frau haben sich meine Videos anscheinend schon lange angesehen. Ich hatte also ihre Unterstützung, was wirklich cool war.
Er kam, sah und glänzte. Sam Ryder beim Platinum Jubilee Konzert der mittlerweile verstorbenen Queen Elizabeth II im Juni 2022.
Indiespect: Es ist jetzt nicht mehr lange hin bis zur Veröffentlichung deine Debütalbums. Ich habe gesehen, dass es auch einige der Songs enthält, die schon vorher veröffentlicht wurden – wie «Whirlwind» und «Tiny Riot». Als ich mir einige aktuellen Setlists angesehen habe, ist mir aufgefallen, dass «The Sun's Gonna Rise» nicht darauf zu finden ist und auch nicht auf dem Album erscheint. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Sam: Ich wollte nicht, dass das Album nur aus all den Songs besteht, die die Leute schon einmal gehört haben. Das würde mich ärgern, wenn ich ein Fan wäre und mir die EP gefallen hat. Die habe ich vor – Gott weiss, wie lange das her ist – veröffentlicht, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann. Vielleicht letztes Jahr. Es würde sich billig anfühlen, jeden Song der EP auf dem Album zu haben. Das würde nur Platz für etwa vier neue Songs lassen, und das scheint das Warten nicht wert zu sein. Aber es gab einige Songs, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie mehr Potenzial haben, wie Tiny Riot und Whirlwind. Ich habe nicht viele Songs wie Whirlwind, und er deckt eine Emotion ab, die auf dem Album gebraucht wurde. Deshalb ist er auch ein Teil davon. Aber letztendlich wollte ich Platz für neue Songs haben, von denen ich hoffe, dass sie den Leuten, die Fans des Projekts waren, gefallen werden.
Sam Ryder bei seinem allerersten Auftritt in Zürich im ausverkauften Papiersaal.
Indiespect: Ich habe einen wirklich guten Artikel bei The Guardian gelesen. Ich habe erfahren, dass du mit sieben Jahren angefangen hast, Musik zu machen. Du hast auch in mehreren Bands gespielt. Eine davon war eine Glam-Rock-Band. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?
Sam: Die Spielfreude. Ich liebe diese Art von Musik. Ich bin ein grosser Fan von vielen Bands dieses Genres. Von einigen, von denen ich dachte, ich sei ein Fan, bin ich es nicht mehr unbedingt. Das macht das Alter mit einem. Man mag Bands aus den falschen Gründen. Aber manche, wie Iron Maiden, werden mit der Zeit einfach immer besser. Sie sind einfach eine erstaunliche Band. Was ich daraus mitnehme, ist die Leidenschaft, die die Fans für dieses Musikgenre haben. Eine Iron-Maiden-Show in Südamerika – so etwas hat man noch nie gesehen. Die Leidenschaft und die Unterstützung sind einfach Beatles-mässig.
Ich denke immer noch, dass ich so viel zu lernen habe, aber das meiste, was ich über das Singen gelernt habe, kommt von den Hochzeiten.
Indiespect: Die erste Show, die dich auf die Idee brachte, eine eigene Musikkarriere zu starten, war ein Auftritt von Sum 41. Das konnte ich auch bei deiner ersten Band The Morning After hören. Da gab es Gitarren wie bei Iron Maiden und den Gesangsstil von Sum 41.
Sam: Ja. Es war im Grunde genommen Iron Maiden gemischt mit Sum 41, gemischt mit Avenged Sevenfold. (lacht)
Indiespect: Du hattest auch eine Karriere als Hochzeitssänger. Gab es da einen Lieblingssong in deinem Repertoire?
Sam: Ich habe viel Motown gesungen. Die ganze Atmosphäre und Ästhetik des Hochzeitssets und der Band war Motown – und es war einfach toll. Ich bin ein grosser Fan von Motown- und Soulmusik, also habe ich viel von Aretha Franklin, Whitney Houston, Stevie Wonder, Earth, Wind & Fire, The Four Tops, Tina Turner oder Jocelyn Brown gesungen. Das war die beste Gesangsübung, die man sich wünschen kann. Und ich denke immer noch, dass ich so viel zu lernen habe, aber das meiste, was ich über das Singen gelernt habe, kommt von den Hochzeiten.
«There's nothing but space, Man!»
Vö: 09.12.2022
- Deep Blue Doubt
- Space Man
- Somebody
- Tiny Riot
- All The Way Over
- OK
- Put A Light On Me
- Whirlwind
- Ten Tons
- More
- Crashing Down
- This Time
- Lost In You
- Living Without You
(Sigala x David Guetta x Sam Ryder)
Indiespect: Auch weil du gemerkt hast, dass die Leute dir nicht unbedingt zuhören und du einfach selbst Spass haben musst?
Sam: Das ist die Lektion, die ich im Moment wieder lerne. Ich ertappe mich auf der Bühne dabei, wie ich versuche, zur Einstellung zurückzukehren, die ich hatte, als ich auf Hochzeiten gespielt habe. Ich versuche mehr für mich zu singen, aber dennoch eine emotionale Verbindung zum Publikum herzustellen und dabei nicht an einen Punkt zu gelangen, an dem ich Lob erwarte und erhoffe. Man muss sich auf einem schmalen Grat bewegen. Ich singe besser und bringe bessere Leistungen, wenn ich in mich gehe und bei mir selbst Bestätigung suche und anstatt von aussen. Gleichzeitig kommen die Leute, um eine Show zu sehen. Sie wollen nicht irgendeinen Typen sehen, der die ganze Zeit in seiner eigenen Welt lebt. Da muss man eher Freddie Mercury sein, in einem Moment wenn er sein Publikum animiert. Die Leute wollen das, und sie haben es verdient. Sie haben Geld bezahlt, um zu einer Show zu kommen. Es ist eine Gratwanderung und es ist eine Lebensaufgabe, seine Balance zu entwickeln.
Sam Ryder hat in seiner Zeit als Hochzeitssänger eine Menge gelernt.
Indiespect: Du hast deine TikTok-Präsenz während der Pandemie gestartet. Während andere nicht auftreten konnten, hast du deine Fangemeinde aufgebaut. Für dich muss es also eine der wichtigsten Zeiten überhaupt gewesen sein.
Sam: Eine extrem wichtige Zeit.
Bedeutet ein virales Video in den sozialen Medien, in dem du singst, dass 2 Millionen Menschen zu deinem Auftritt kommen? Nein, das bedeutet es nicht.
Indiespect: Wie hat es sich angefühlt, von den digitalen Fans zum ersten Mal auf die richtige Bühne zu echten Menschen zu wechseln?
Sam: Das ist eine immense Erfahrung, denn man weiss nicht wie es wird. Soziale Medien sind eine komische Welt. Wir alle leben und atmen sie, wir alle, egal wie du bist. Vor allem, wenn man Künstler ist oder in der Branche arbeitet. Aber es ist nicht das wirkliche Leben, und man kann sich nie darauf verlassen, dass etwas, das in den sozialen Medien gross rauskommt, auch im wirklichen Leben ankommt. Bedeutet ein virales Video in den sozialen Medien, in dem du singst, dass 2 Millionen Menschen zu deinem Auftritt kommen? Nein, das bedeutet es nicht. Ich habe Geschichten von Leuten gehört, die auf TikTok riesig sind, z.B. Filmemacher, die einen Kurzfilm drehen und eine Premiere haben, zu der 50 Leute kommen. Und das sind einige der Leute, denen auf dieser App am meisten Menschen folgen. Das lässt sich nicht übertragen. Es gibt also diese unfassbar grosse Lücke, die gefüllt werden muss.
Der Space Man wurde in Zürich zum Space Cowboy
Indiespect: Durch deinen Erfolg beim ESC konntest du diese besonderen Auftritte auf den grössten Bühnen spielen. Ist es schwer für dich, in so unterschiedlichen Grössen zu spielen?
Sam: Ja, es ist eine Herausforderung. In einem Stadion zu spielen, ist eine unglaublich andere Art zu spielen. Der Klang deiner Stimme trifft auf die Rückwand eines Stadions, das anderthalb Fussballfelder entfernt ist, klatscht gegen eine Betonwand und kommt zu dir zurück. Das sind Herausforderungen, die man nie erleben wird, es sei denn, man macht etwas zum allerersten Mal. Also ja, es ist unglaublich herausfordernd und anspruchsvoll. Und dann das Spielen im Fernsehen... Die Herausforderungen und Hindernisse, wenn man sich selbst im Fernsehen hört und es furchtbar und grauenhaft klingt. Denn das Fernsehen klingt furchtbar. Da gibt es keine Emotionen. Wie oft hat man schon solche Geschichten gehört: Jemand geht nach Glastonbury und sieht sich den Auftritt von jemandem an. Die Person denkt: Oh mein Gott, das ist das Beste, was ich je gehört oder gesehen habe. Ich habe mich völlig in diesem Moment verloren. Man geht nachhause, schaltet BBC ein und sieht sich die Highlights von Glastonbury an. Dann denkt man: Das klingt ja furchtbar. Dieselbe Person, dasselbe Set. Aber das lässt sich nicht übertragen. Das sind alles Lernkurven, und es ist unglaublich schwierig, sie zu bewältigen.
Das sind Herausforderungen, die man nie erleben wird, es sei denn, man macht etwas zum allerersten Mal.
Indiespect: Du musst dich für den Soundcheck bereit machen, also habe ich nur noch eine Frage. Deine Haare sind ein wichtiger Bestandteil deines Erscheinungsbildes. Du nennst dich sogar «samhairwolfryder» auf deinen Social Media Accounts. Hast du ein Geheimnis, wie du sie so glänzend hältst?
Sam: Ich habe keins. Ich benutze normales Shampoo und Conditioner. Nichts Teures oder etwas in der Art. Ich würde sagen, der grösste Verbündete bei der Haarpflege sind Schlaf, Ernährung und Vitamine, vielleicht sogar Vitaminpräparate. Auch Duschen mit kaltem Wasser. Ich dusche nie heiss, es sei denn, ich wasche mir die Haare. Vielleicht hilft das, aber wer weiss. Ich habe viele Freunde, die das ebenfalls tun, aber die haben eine Glatze. Also wer weiss? (lacht)