The Vices im Eldorado Zürich: Die perfekte Imperfektion zum Tourabschluss

In Reviews by indiespect

The Vices aus dem niederländischen Groningen legen ein beachtliches Tempo vor. 2019 gegründet, haben sie vier Jahre später bereits zwei Alben veröffentlicht. Zuletzt erschien am 17. März 2023 «Unknown Affairs», eine Platte, die vor potenziellen Hits nur so strotzt. Gestern besuchte die Band zum Tourabschluss das Eldorado in Zürich. Technische Pannen machten den Abend im besten Sinne chaotisch.

The Vices: Auf den Spuren von The Strokes

Die Band um Sänger Floris van Luijtelaar klingt wie die jungen Strokes und doch komplett eigenständig. Es mischen sich hymnischen Songs und Rhythmen, die an gewissen Stellen sogar Elemente von Ska in sich tragen. Im kleinen Eldorado begegnen sich Musiker und Publikum auf Augenhöhe und in diesem Setting funktionieren The Vices perfekt. Die Niederländer überzeugen mit Krachern wie I Had a Name oder Never Had To Know. Begeisterung macht sich breit – diese Band klingt nicht nur im Studio gut, sie macht auch ordentlich Druck auf der Bühne.

To like, to want, to grasp is prison
I'm the prisoner
There is no such thing as a free will
My will is bound to set me free

Never Had to know, the vices
The Vices

The Vices haben nicht nur das «The» mit The Strokes gemeinsam.

Zum Tourabschluss: einmal alles, bitte

Seit März waren die Musiker in Europa unterwegs, bevor sie der letzte Tourstopp nach Zürich führte. Den Appell von Floris van Luijtelaar, diesen Abend zu etwas ganz Speziellem zu machen, versteht das Universum spontan etwas verkehrt. Erst kippt ein volles Glas vom Bühnenrand und dessen Inhalt verteilt sich über die Kabel davor. Im Anschluss streikt beim Sänger das Verbindungskabel zwischen Gitarre und Verstärker, was vielleicht damit in Zusammenhang steht. Als wäre das nicht schon genug für einen Abend, scheint sich das Effektpedal auch kurzzeitig zu verabschieden. Die Fehlersuche beginnt, während die Musiker mit viel Charme temporär auf eine akustische Performance umsatteln. Grosses Gewusel im kleinen Eldorado.

The Subways

Die B-Stage des kleinen Mannes

B-Stage mal anders

So ganz on the fly lassen sich die technischen Probleme dann doch nicht lösen. Floris bittet um Entschuldigung und das Konzert wird für einige Minuten unterbrochen. Während der Sänger mit einem Techniker versucht, den Fehler zu beheben, nutzt ein anderes Bandmitglied den Unterbruch für eine kurze Toilettenpause. Dieses Chaos ist so wunderbar indie, wie es nur sein kann. Hier steht eine Band mit Songs für die ganz grossen Bühnen und improvisiert sich gekonnt durch ein technisches Problem nach dem anderen. Das sind Momente, an die sich die Akteure auch später in ihrer Karriere noch erinnern werden.

I had a nameA true survivor told me onceTo let it goHad I nameThought I was wiserBreathing fast while running slow

I Had A Name, The Vices

Für das E-Piano konnte auf der Bühne kein freies Fleckchen gefunden werden. Deswegen begibt sich Schlagzeuger Mathijs Louwsma für seinen Zweitjob an den Tasten zur B-Stage des kleinen Mannes. Diese ist keine hydraulische Plattform wie bei Billie Eilish, sondern die Tanzfläche. Bassist  Simon Bleeker hockt sich währenddessen Bühnenboden und begleitet sitzend. The Vices sind dermassen erfrischend, dass man das Lächeln nicht aus dem Gesicht kriegt. Ein starker Track jagt den nächsten. Egal ob vom Debüt oder der aktuellen Veröffentlichung, alles wirkt leichtfüssig und stimmig. Die musikalische Kreativität ist in jeder Melodie fühlbar. Das Potenzial dieser jungen Band ist riesig. Mit ihrem Charme und Talent dürfte der Weg nach oben eigentlich vorgezeichnet sein.

The Subways

Floris van Luijtelaar hat das hemd zum sakko gleich zuhause gelassen.

Fazit

Wer innerhalb von vier Jahren nach der Gründung zwei Alben wie Looking For Faces und Unknown Affairs abliefert, gehört auf die grossen Bühnen. Das Talent haben The Vices schon mal in den Topf geworfen, jetzt muss ihnen noch der Indie-Gott hold sein. Wenn ihnen die Gelegenheit geboten wird, können diese Musiker jeden Raum mit ihrer Energie füllen.