The Hives haben gestern zum ersten Mal seit elf Jahren ihre Anzüge für eine Clubshow in Zürich ausgepackt. Mit ihrem neuen Album «The Death of Randy Fitzsimmons» traten die Schweden wie zuletzt 2012 im Komplex 457 auf. Obwohl die beste Liveband der Welt nie wirklich weg war, fühlt es sich wie ein Comeback an. Ob die Show nun kurz oder lang war, lässt sich nicht genau sagen. Denn im Hives-Universum gehen die Uhren ganz offensichtlich anders.
The Hives: Sie stolzieren und fliegen wieder
Mittlerweile war es schon fast zum Running Gag geworden, The Hives nach einem neuen Album zu fragen. Seit der Veröffentlichung von Lex Hives (2012) sind elf Jahre vergangen. Zwar braucht die Formation um Frontmann Howlin' Pelle Almqvist keine frische Musik, um ein Publikum von den Socken zu hauen, aber es ist trotzdem schön, dass sie endlich das ist. Im Speziellen, weil das sechste Werk der Band zahlreiche Glanzstücke bereithält. The Death Of Randy Fitzsimmons wird im Set gebührend viel Platz eingeräumt. Sind Fans oft eher den Klassikern zugetan, so erhalten The Hives für die neuen Tracks überschwängliches Feedback. Sie haben es geschafft, Instant Classics zu schreiben.
Pelle Almqvist fliegt auch 2023 noch durch die lüfte
älterwerden? Nicht mit The Hives
Eröffnet wird das Spektakel mit dem Albumopener Bogus Operandi. Bereits bei den ersten Tönen ist die Temperatur im Raum am Siedepunkt. Die Band tritt in ihren ikonischen schwarz-weissen Anzügen auf die Bühne (deren weisse Streifen im Dunkeln leuchten) und leitet den Song mit dem Rücken zum Publikum ein, bevor Pelle aus dem Schatten auf die Bühne springt. Er nutzt jeden Zentimeter seines ganz persönlichen Laufstegs. Er springt, schreit, stemmt eine Hand in die Hüfte und wirbelt sein Mikrofon durch die Luft. Was diese Herren auf die Beine stellen, ist Leistungssport. Auch nach 30 Jahren Bandgeschichte sind noch keine Abnutzungserscheinungen ersichtlich. Ohne Verschnaufpause geht es in unerbittlichen Tempo mit Main Offender und Walk Idiot Walk weiter. Textsicher singen sich die Fans ihre Seele aus dem Körper, während sie gleichzeitig springen und klatschen. Bei The Hives ist Multitasking angesagt.
Mmm, stand to the side when my shit starts wreckingYou're gonna think you gone blindI only need a moment, a moment's come aroundYou're gonna think you gone blind
Nicholaus Arson wirft einen durchdringenden Blick in sein Publikum
Eine Band zum Fürchten
Eben erst waren The Hives als Support von Arctic Monkeys auf grosser Arenatour. Nur wenige Acts trauen sich, die Schweden mit auf Tour zu nehmen, weil die Gefahr zu gross ist, dass diese dem Headliner am Ende die Show stehlen. Wie sie diesem Ruf nach 30 Jahren noch immer gerecht werden können, ist schier unmenschlich. Vielleicht hat ihnen ihr Mentor Randy Fitzsimmons mehrere Geheimwaffen an die Hand gegeben. Eine davon sind sicher die treibenden Tracks, so auch Rigor Mortis Radio vom aktuellen Album. Zwischen den Tracks, von denen viele Punkrocklänge oder eben -kürze haben, improvisiert Howlin' Pelle die wildesten Ansprachen. Seine unzerstörbare Selbstsicherheit ist legendär und wird von den Fans gefeiert, während andere sie als arrogant empfinden. Doch der Meister sucht auch immer wieder seinen Weg in die erste Reihe und wirft dem Publikum Handküsse zu. Sein Selbstwertgefühl scheint sich also von der Liebe im Saal zu nähren.
Looking like I'm fresh off an assembly lineI was a star baby, ever since the dawn of man I got some help for you, let's call it a master plan Well my advice? You roll the dice
Ein Pelle zum Anfassen. Der The Hives Sänger geht gerne auf tuchfühlung.
Die Schweissgetränkte uniform
Für die Besucher im Komplex 457 ist die Show schon wie ein Saunabesuch, The Hives geben sich gleich mehrfach einen Aufguss. In ihren Anzügen schwitzen sie so extrem, dass sie schon bald klatschnass sind. Immer wieder schütten sich die Musiker ganze Wasserflaschen über den Kopf, um nicht zu dehydrieren. Getreu dem Motto Go Right Ahead geht es mit dem entsprechenden Song weiter. Verschnaufpausen gönnen sich The Hives nur, wenn sie das Schweizer Gesetz zur Dezibelbegrenzung überlisten wollen. Das Publikum wird angehalten für einen Moment ganz ruhig zu sein, damit der Rest der Show in voller Lautstärke aus den Boxen dröhnen kann. Doch die Energie im Saal ist so aufgeladen, dass das eher schlecht als recht funktioniert. Die Ruhe wird von einzelnen Fans genutzt, um einen aus ihrer Sicht wichtigen Input zu rufen. Lange währt die Stille aber auch sonst nicht, denn The Hives stimmen rasch den nächsten Track an.
Do what I want 'cause I can and if I don't
Because I wanna Be ignored by the stiff and the bored Because I'm gonna
Nach Hate To Say I Told You So, einem der wohl beliebtesten und erfolgreichsten Tracks von The Hives, vom Durchbruchalbum Veni Vidi Vicious (2000), folgt Trapdoor Solution. Das Stück hat Come On! in Sachen Spieldauer noch einmal unterboten und ist ziemlich sicher der kürzeste Song der Schweden. Doch die 1:03 Minuten haben es in sich. Obwohl die Band elf Jahre für ein neues Studioalbum gebraucht haben, sind seit 2019 zwei neue Tracks erschienen. Das Quintett bringt mit Good Samaritan und I'm Alive beide auf die Bühne. Auch wenn sie nicht auf The Death of Randy Fitzsimmons vertreten sind, fügen sie sich erstklassig in den gesamten Hives-Katalog ein.
Ein Zwinkern vom Geburtstagskind The Johan And only
Geburtstagsshow für The JoHan and Only
Johan Gustafsson aka The Johan and Only feiert in Zürich seinen Geburtstag. Er ist das in Dienstjahren jüngste Mitglied von The Hives. Mittlerweile ist er zwar auch schon zehn Jahre Teil der Band, doch The Death of Randy Fitzsimmons ist das erste Album auf dem er mitwirken durfte. Ihm zu Ehren wird gleich zweimal ein lautes Happy Birthday angestimmt. Die Coolness hat der Bassist ohne Zweifel schon übernommen. In einer Songpause posiert er mit lässiger Fussstellung für ein Foto. Vor Johan's Zeit wurde Tyrannosaurus Hives veröffentlicht. Das Album hat mittlerweile schon 19 Jahre auf dem Buckel. So lässt es sich Pelle bei der Ankündigung des Stücks Two-Timing Touch and Broken Bones dann auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass die Eltern vieler Anwesenden zu diesem Song Sex gehabt hätten und dadurch The Hives Einfluss auf die blossen Existenz ihrer eigenen künftigen Fans gehabt hätten.
Best say something
When you're thinking that you'll get it back But it's too late to avoid it, so It's far too late and I got to know
Zu heiss für die Fliege
Die Zeit folgt bei einer Hives-Show anderen gesetzen
Durch die kurzen Songs und das konstant hohe Tempo vergeht die Zeit wie im Flug. Nach einer knappen Stunde meint Pelle plötzlich: Euch kommt es jetzt vielleicht so vor, als hätten wir knapp eine Stunde gespielt, aber eigentlich waren das bereits drei Stunden. Die physikalischen Gesetzte werden scheinbar bei einem Hives-Konzert ausgehebelt. So weiss man dann auch nicht genau, ob sie nun nach einer Stunde oder nach über drei die Bühne nach dem neusten Überhit Countdown To Shutdown verlassen.
My guy Ponzi, he had a scheme
And the world is like a head of hair Some are waiting for their share Some are bald, and one's a billionaire
The Hives in einminütiger Schockstarre.
Ein letztes Ticken und eine Laute explosion
Nach einer Stunde beenden noch nicht einmal The Hives ihr Konzert, obwohl es zu ihrer Punkattitüde passen würde. Mit Come On! und Tick Tick Boom gibt es zum Abschluss erneut richtigen Zündstoff. Die Lunte wird an beiden Enden angezündet und die Hives-Bombe lässt den Raum explodieren. Zwar ist die Show intensiv und die Fans sind durchgeschwitzt, doch so aufgepeitscht hätten sie gerne noch mehr von ihren Lieblingsschweden gehabt. Stattdessen kommt ab Band der Bondsong Nobody Does It Better von Carly Simon und die fünf Musiker verabschieden sich mit strahlenden Gesichtern und weit geöffneten Hemden von ihren Fans. So ist das mit The Hives. Sie lassen einen hochgekochten Raum zurück, in dem jede Person nach mehr lechzt.
Unterschiedliche Auslegeordnungen des The-Hives-Dresscodes innerhalb der band.
Fazit
The Hives sind so explosiv wie eh und je. Mit der Energie der Schweden kann es kaum eine Band aufnehmen. Deswegen werden sie von Musikerkollegen gleichermassen geschätzt und gefürchtet. Die Band ist so Punk, dass sie die konventionelle Länge einer durchschnittlichen Headlinershow nicht kümmert. Knapp 70 Minuten geben sie alles und dann endet alles mit einem lauten Knall. Natürlich hätten die fünf Herren noch viel mehr Material in ihrem Repertoire. Aber in der Zeit, die sie uns schenken, kann man ihnen zumindest nicht vorwerfen, nicht alles zu geben.