Blond haben im April mit «Perlen» ihr zweites Album veröffentlicht und damit einen weiteren Karrieresprung vollzogen. Das Trio aus Chemnitz hat es geschafft, die durch Corona angestaute Live-Energie in kraftvolle Tracks zu verwandeln. Gleichzeitig werden die Bühnen grösser und die Shows sind immer häufiger ausverkauft. Nachdem die Band im Sommer zwei Festivalkonzerte in der Schweiz gespielt hatte, brachten sie nun ihre Unterwasserwelt für einen Abend ins X-Tra nach Zürich. Es zeigt sich von neuem: Man kann nicht anders, als die drei zu lieben.
Blond: Abtauchen in eine bunte Unterwasserwelt
Die Formation Blond besteht aus den Nina und Lotta Kommer sowie Johann Bonitz. Die Schwestern sind eine Naturgewalt, die mit ihrer Bühnenpräsenz einen musikalischen Wirbelsturm entfesseln. Leicht versetzt steht hinter ihnen der schützende Ruhepol der Band. Wie ein schlummernder Vulkan wartet er darauf, im richtigen Moment auszubrechen und alles in Schutt und Asche zu legen. Dem aktuellen Album Perlen angepasst, präsentiert sich das Bühnenbild in Unterwasseroptik. Dass viel Liebe ins Detail gesteckt wurde, ist sowohl bei der Deko, als auch bei den Kostümen der Band nicht zu übersehen. Das aus dem Dynamo ins X-Tra hochverlegte Konzert startet nach einem Intro des Wir sind Helden-Klassikers Nur ein Wort mit Durch die Nacht, einer Hymne an musikalische Wegbereiterinnen und dem selbst gewählten Verzicht, den Künstler*innen für das Leben ihres Traums auf sich nehmen.
Doch plötzlich sah ich dein Gesicht auf MTV
Ich war 11 und wusste nicht wie mir geschieht
Ein Mädchen auf der Bühne, tosender Applaus
Und ich hab mir gesagt
«Vielleicht kann ich das auch?»
Fliegender Outfitwechsel bei Blond.
Eine Masterclass im Small talk
Seit der Coronazeit sind Nina und Lotta nicht nur Musikerinnen, sie haben mit Da muss man dabei gewesen sein auch einen gemeinsamen Podcast. Schon früher verfügten sie über das natürliche Talent, unterhaltsame Zwischenansagen zu machen, die Erfahrung am Podcast-Mikrofon hat diese Fähigkeit aber noch einmal auf eine neue Ebene gehoben. So improvisieren die Schwestern immer wieder Ansagen und spielen sich die Bälle in einem faszinierenden Tempo hin und her. Auffallend ist, wie locker, offen und herzlich die Band ist. Hier stehen drei Menschen auf der Bühne, die möchte, dass sich alle im Raum wohl und aufgehoben fühlen.
Wenn ich doch immer lustig binWie kann ich dann so traurig sein Wir sitzen singend in 'nem Sprinter, meine Freunde trinken Wein Und inmitten des Lärms, fühl ich mich allein
Nina Kummer zeigt sich bei «Immer Lustig» verletzlich und versteckt ihre Angst davor nicht.
Von Schein und Sein, Fleischfressern und anderen Parasiten
Verletzlich zeigt sich Nina beim Song Immer Lustig. Sie erzählt, dass sie vor der Performance des Tracks jeweils Angst habe. Dann mache sie sich klar, dass sich nur nette Menschen im Publikum befänden und sie als Band riesiges Glück hätten mit ihre Blondinators als Stütze zu haben. Deren Support sorge dafür, dass sie nur noch wenig Pippi in der Hose hätte. Gestärkt durch den umarmenden Applaus steht sie im Anschluss an die Ansage in der Mitte der Bühne und öffnet sich vor aufsteigenden Seifenblasen in dieser melancholisch-schönen Komposition. Um wieder in eine andere Spur zu wechseln, wählen Blond den härtesten Stilbruch und leiten mit der Frage Bock auf Stress? den Track oberkörperfrei ein. Der von Johann Beatnitz Bonitz gebaute Beat droppt und das Trio verteilt musikalische Schellen im Hip-Hop-Gewand. Mit einer unvergleichlichen Coolness spittet Johann seine Lines. Dass er sonst im Vergleich zu Nina und Lotta eher ruhig ist, verleiht seiner Performance zusätzliche Power und erntet stürmischen Beifall.
Johann ist der Boss im HausUnd schlägt dir alle Zähne raus Ich teil aus, als würd ich in der Mensa hinter'm Tresen steh'n Und hau rein, als wärst du Trüffelpasta mit Garnelen
Wenn Johan Bonitz etwas zu sagen hat, hören alle zu.
Nie mehr toxic vibes
Die musikalisch wohl schrägste Songstruktur hat die Formation aus Chemnitz bei toxic gebaut. Bevor sie aus voller Brust singen, dass sie keinen Bock mehr auf toxic Vibes und toxic guys haben, wird wie in einer Dokumentation das Vorgehen von parasitären Organismen in Sprechform vorgetragen. Ebenfalls ein Coversong gehört seit jeher in ein Blond-Set. Auf der aktuellen Tour ist es Dance With Somebody von Mando Diao. Dafür kehrt veenus* auf die Bühne zurück. Für sie ist der Abend in Zürich die letzte von vier Support-Shows mit Blond.
Der Zombie-Pilz befällt die Ameise und manipuliert sie so,
dass sie keine Kontrolle mehr über ihren Körper hat
Die Sporen keimen auf ihrem Rücken
Kleine Pilzfäden dringen in ihren Körper ein, wandern bis zum Gehirn
und beeinflussen von nun an ihr Verhalten
So sieht mando diao 2023 aus: Veenus* performt «Dance With Somebody» gemeinsam mit Blond.
Zürich formt den Uterus
An vielen Stellen im Konzert bilden die Blondinators einen Moshpit – egal ob der Song davon handelt, dass irgendein Thorsten immer eine Erklärung für ahnungslose Frauen hat, oder ob es darum geht, dass man sich seine Freiheiten nicht erkämpft, wenn man immer nur nett lächelt. Für Es könnte gerade nicht schöner sein bittet Nina das Publikum um eine etwas andere Form des Moshpits. Zürich soll einen Uterus bilden, um den Track über die Periode zu unterstreichen. Spätestens jetzt sollte klar sein, dass Blond vor keinem Thema zurückscheut. Im Anschluss an den Song über die einkickenden Tage wird die Kot-Positivity-Bewegung mit Sanifair Millionär vorangetrieben. Mit Selbstironie beendet die Formation mit Du musst dich nicht schämen ein umjubeltes und energiegeladenes Set. Spätestens 2023 ist es Fakt, dass sich niemand mehr zu schämen braucht, Blondinator zu sein. Zeugnis davon sind die ausverkauften Konzerte, welche die Band mittlerweile spielt. Auch wenn das X-Tra nicht ausverkauft ist, wurde die Show in Zürich immerhin vom Dynamo in den dreimal grösseren Club hochverlegt.
Wanderausflug zum VatertagDu bist nicht mitgekomm' Du fühlst dich krank, hast du gesagt Dabei hast du Tickets für Blond
Drei Brautkleider für ein Hallelujah
Für die Zugaben kehren Blond in Hochzeitskleidern auf die Bühne zurück. Lotta spielt mit einer Wunderkerze in ihrer Blockflöte das Intro für Du und Ich – ein Song gegen Grabscher im Nachtleben. Danach drehen die drei die Uhren zu den Anfängen ihres Sprachwechsels zurück. Spinaci war der erste Song, den Blond in deutscher Sprache geschrieben haben, nachdem ihre erste EP komplett englisch war. Es ist immer noch witzig, wenn sie von der Fresse voll Spinat singen, aber es zeigt auch auf, wie sehr sich die Band seither weiterentwickelt hat. Die Texte sind dringlicher geworden und das Trio legt den Finger gerne in die Wunde schwieriger Themen. Zum Abschluss schmettern Blond den Hit Männer, der auf der Melodie des Weather-Girls-Klassikers It's Raining Men basiert. Lyrisch haben die beiden Versionen jedoch nicht viel Ähnlichkeit. Vielmehr handelt der Text davon, dass auf den Festivalbühnen noch immer viel zu wenige Frauen vertreten sind. Statt die Faust im Sack zu machen, treten Blond ins Scheinwerferlicht und führen den Feldzug der Frauen mit stolz geschwellter Brust an. Das tun sie mit Ernsthaftigkeit, Charme und einer gewaltigen Aura.
Wir sind alleinWo sind all die ander'n Frauen? Für so 'ne Pimmelparty mit bleichen Rentern War'n wir nicht stundenlang im Proberaum
Die heilige Dreifaltigkeit: Nina, JoHann und Lotta der Formation Blond.
Fazit
Blond sind wie ein Wirbelsturm, der aus Energie besteht. Die beiden Schwestern und ihr Bruder in spe sind das perfekte Trio. Sie ergänzen, beschützen und bestärken sich, während sie einander zu Höchstleistungen antreiben. Schon bei ihren früheren Auftritten sind Blond mit einer guten Liveshow aufgefallen, aber die Erfahrung der letzten Jahre und die Entwicklung im Songwriting sowie der Produktion, ist auf der Perlen-Tour deutlich spürbar. Der Weg nach oben steht der Formation aus Chemnitz offen und die Band hat jeden Erfolg verdient.