Seafret klingen nach der Küste Englands und den Weiten des Meeres. Kein Wunder haben die Titel ihrer grössten Hits, «Atlantis» und «Oceans», einen Bezug zum Wasser. Nachdem das Duo ihre Tour vom November 2023 in den Frühling verschieben mussten, standen die Engländer nun endlich in Zürich auf der Bühne. Das Plaza erwies sich als perfekte Ersatzlocation für das urspünglich im Kaufleuten angesetzte Konzert.
Seafret: Stand for you, fight for you
Ihr aktuelles Album Wonderland erschien vor ziemlich genau einem Jahr. Den perfekten Opener für das Konzert in Zürich bietet mit See, I'm Sorry ein Song dieser Veröffentlichung. Die Paukenschläge zu Beginn des Tracks ziehen einen direkt in die Wunderwelt von Seafret. Auch wenn die Eröffnung für die Verhältnisse des Duos beinahe wuchtig ausfällt, sind es noch immer die reduzierte Akustik-Harmonien, welche die Magie der Band ausmachen.
Well, they don't make them like you no more
Eyes like the ocean, you got me floored A thousand lifetimes would be too short Just wanna love you, you know I love you
Während Harry Draper zwischen den Songs konzentriert seine Gitarren stimmen muss, liebt es Jack Sedman ihn dabei zu stören. Man spürt schnell, wie vertraut die beiden Musiker sind. Eine solche Verbundenheit braucht es auch, um eine glaubwürdige Tiefe in den eigenen Kompositionen zu schaffen. Wenn Sedman an einer Stelle aus voller Kehle singt, bricht seine Stimme in ähnlicher Weise wie diejenige des Foals-Sängers Yannis Philippakis, bei poppigeren Stücken schwingt der australische Vibe von Vance Joy mit. Diese Dynamik wirkt wie Ebbe und Flut, um beim Bezug zum Meer zu bleiben.
Sedman blickt mindestens genauso oft zu seinem Bandkollegen, wie ins Publikum. Seafret in Zürich.
sämtliche Traurigkeit in der Musik konserviert
Die Lyrics der eingängigen Kompositionen sind oft traurig. Das ist auch den Musikern sehr wohl bewusst. So meint Sedman bei einer Ansage wohl halb im Scherz und halb im Ernst: Wir müssen in unserer Musik traurig sein, um glücklich durch den Alltag zu gehen. Das Publikum im gut gefüllten Plaza nimmt die Traurigkeit in sich auf, wippt langsam mit und lässt sich von Seafrets Meeresbrise aus der Melancholie tragen. Grosse Stürme der Euphorie bleiben zwar aus, diese würden aber auch nicht unbedingt zum Setting passen. Ob das für die Musiker auf der Bühne schön, oder teils auch etwas unbefriedigend ist, ist schwierig zu sagen. Vor allem Harry Draper wirkt an diesem Abend sehr in seine Instrumente versunken und Sedman übernimmt die Interaktion mit den Fans.
Harry Draper im Schenwerferlicht und für einmal an den Tasten.
Fluch und Segen eines TikTok-Hits
Mit Wonderland haben Seafret ein tolles Album veröffentlicht. Es enthält viele starke Songs, dennoch ist es auf der aktuellen Tour mit bloss drei Tracks eher spärlich vertreten. Den grössten Teil des Sets nimmt das Debüt Tell Me It's Real (2016) ein, auf dem sich mit Atlantis auch der Überhit der Band befindet. Diese Komposition hat durch TikTok riesigen Erfolg gefeiert. Ähnlich wie bei Tom Odell's Another Love hat die App einen sonst schon beliebten Song in noch ganz andere Höhen katapultiert. Im Fall vom Seafret überstrahlt er mittlerweile fast schon den Rest des Gesamtwerks. Das wird beim Blick auf die beliebtesten Songs der Band auf Spotify ersichtlich. Vier von fünf Tracks sind Atlantis und dessen Alternativ-Versionen (Sped Up sowie Extra Sped Up). Man kann sagen, was man will, aber ein schnelleres Tempo hat noch nie einen gefühlvollen Song besser gemacht. Für Künstler ist TikTok somit gleichzeitig Fluch und Segen. Die Aufmerksamkeit ist natürlich Gold wert, aber aus artistischer Sicht, entwertet es in gewisser Weise die harte Arbeit, die in Kompositionen steckt.
I can't save us, my Atlantis, we fall
We built this town on shaky ground I can't save us, my Atlantis, oh, no We built it up to pull it down
Jack Sedman von Seafret in voller Lockenpracht
Zurück auf der Sonnenseite
Für die Entwicklung von Trends können Seafret nichts und sie verlassen sich auch nicht darauf. Aus externer Sicht macht es die Plattform für Bands immer schwieriger, sich dessen zu verweigern. Beim Duo spürt man jedoch sofort, dass die beiden schon vorher zusammen Songs geschrieben haben und ein ganz anderer Antrieb hinter dem Projekt steht. In der Stimme von Sedman schweingt so viel Gefühl, das sich bei jedem Track wie eine wärmende Decke über jede Person in der Venue legt. Ganz egal ob es ruhigere oder schnellere Stücke sind, das Akustikgewand stellt die Vocals verletzlich und ungeschützt ins Zentrum. Genau diese Zerbrechlichkeit macht die Magie von Acts wie Seafret aus, nicht Trends auf TikTok.
And I know it's not easy
But this feeling can't be wrong I just can't stop dreaming, dreaming of Wonderland And we're running on empty And it's been this way too long If we can't turn back Will we ever get back, get back to Wonderland?
Zum Ende ihres Konzerts, lassen sich die Engländer nicht auf die Bühne zurückklatschen, sie ziehen durch und integrieren ihre Zugaben direkt ins Set. Mit Wonderland, dem Titeltrack der aktuellen Veröffentlichung und dem übermächtigen Atlantis beenden Seafret einen stimmungsvollen und kurzweiligen Abend. Egal wie Trends kommen und gehen mögen, diese Musiker werden auch in Zukunft noch echte und relevante Musik schreiben.
Ein gut gefülltes Plaza für Seafret.
Fazit
Seafret sorgen mit ihren Kompositionen in Zürich für einen stimmungsvollen Abend. Auch wenn die Songs vom Debüt toll sind, wäre es schön gewesen, wenn der Fokus etwas mehr auf dem neuen Material gelegen hätte. Wahrscheinlich sehen das Fans der ersten Stunde etwas anders, aber Wonderland geht im Schatten von Atlantis und dem Debütalbum zu Unrecht etwas unter. Nichtsdestotrotz ist ein Konzert des Duos ein Hörgenuss und jederzeit eine Wiederholung wert.