Nothing But Thieves im Dynamo Zürich:
Der Aufstieg und seine Schattenseiten

In Reviews by indiespect

Nothing But Thieves: Der kometenhafte Aufstieg und die Kehrseite der Medaille

Seit die jungen Engländer von Nothing But Thieves im November 2015 zum letzten Mal eine Club-Show in Zürich spielten, ist einiges passiert. Sie haben sie sich zum Lieblings-Support-Act von Muse entwickelt. Für zahlreiche Konzerte waren die Jungs aus Southend-on-Sea im Vorprogramm gebucht. Dabei begeisterten sie ein riesiges Publikum, sodass auch ihre eigenen Shows grösser und grösser wurden. Hierzulande sind sie zwar noch etwas weniger populär als in ihrer Heimat, aber das ausverkaufte Dynamo hat mit 650 Besuchern bereits die dreifache Kapazität vom Kinski Klub, in welchem die Band beim letzten Mal auftrat.

Die Bandgeschichte entwickelt sich für die Musiker wie im Märchen. Ein erfolgreiches zweites Album und eine immer grössere Fanbase halfen ihnen, Treppchen für Treppchen aufzusteigen. Doch erst kürzlich bekamen die Musiker die Schattenseite des Ruhms zu spüren. Auf Twitter wurden sie im Zuge der #metoo-Bewegung beschuldigt, minderjährige sexuell genötigt und psychisch erpresst zu haben. Die Band und ihre Crew hätte unter anderem Nacktfotos von weiblichen Fans untereinander ausgetauscht und bewertet. Die Musiker nahmen auf Twitter zu den Vorwürfen Stellung und distanzierte sich in aller Form davon. Sie würden jede Opfer von sexueller Gewalt unterstützen, aber bei solchen falschen Vorwürfen würden sie über rechtliche Schritte nachdenken. Bisher sind keine Beweise für irgendwelche Verfehlungen hervorgebracht worden, weshalb sich die Anschuldigungen auch nicht erhärtet haben. Doch in einer Zeit, in der ein Sex-Skandal den nächsten jagt, werfen solche Geschichten immer einen grossen Schatten auf die Beschuldigten – selbst wenn es sich um Unwahrheiten handelt. Eine Show, die Nothing But Thieves für die Musikzeitschrift NME hätte spielen sollen, wurde aufgrund dessen sogar abgesagt. Auf den weiteren Tour-Verlauf hatte das glücklicherweise keine Auswirkungen. Zudem scheinen die Konzerte der Band neue Kraft und Energie gegeben zu haben. Zu wissen, dass die Fangemeinde geschlossen hinter ihnen steht, schien sie etwas von der drückenden Belastung zu befreien. Gestern spielten sie nun wie geplant ihr ausverkauftes Konzert im Dynamo Zürich.

Support im Doppelpack: Airways und The Xcerts eröffneten für Nothing But Thieves.

Airways und The Xcerts: Gefühlte Verwechslung bei der Reihenfolge

Der Zeitplan wurde eine Woche vor der Veranstaltung zum Glück um eine Stunde vorverlegt. Denn das Konzert fand an einem Sonntag statt und Nothing But Thieves hatten sich gleich zwei Vorbands gegönnt. Pünktlich um 19 Uhr wurde der Abend von Airways eröffnet. Die Band aus Peterborough in England präsentierte erfrischenden und abwechslungsreichen Indie-Rock, der beim Publikum sehr gut ankam. Die Halle war bereits zu diesem Zeitpunkt sehr gut gefüllt. Mit nur 25 Minuten Auftrittszeit kam die Formation zwar etwas kurz, doch sie konnten in der kurzen Zeit bereits gefühlt zahlreiche neue Fans gewinnen. Nach einer halben Stunde Pause ging es weiter mit The Xcerts aus Schottland. Die Herkunft konnte man allerdings erst erahnen, als der Sänger das Wort an die Zuschauer im Dynamo richtete. Vorher hätten sich bestimmt alle ziemlich einstimmig darauf geeinigt, dass die Band aus den USA stammte. Auch The Xcerts spielten gut auf, konnten jedoch nicht die Spannung von Airways aufrecht erhalten. Sie wollten sich schon etwas zu verkrampft als Stadionband verkaufen, als dass sie mit dem Raum spielten, der ihnen gegeben war.

Conor Mason: 100% Stimmgewalt

Nothing But Thieves: Im Nu von 0 auf 100

Bereits die Playlist vor dem Auftritt von Nothing But Thieves war sehr clever gewählt. Darin waren Genre-Hits von Muse, den Queens Of The Stone Age oder The Killers enthalten. Kurz vor 21 Uhr dröhnte Mr. Brightside von letzteren aus den Boxen. Das Publikum war durch den Song richtig angeheizt und sang voller Inbrunst mit. Auch neben der Bühne tat sich bereits etwas. Die Musiker von Nothing But Thieves standen bereit und gaben ungesehen von den Zuschauern ebenfalls alles beim Killers-Klassiker. Sie schienen sich bester Laune zu erfreuen. Anschliessend stürmte die Band vor vollem Haus auf die Bühne. I’m Not Made By Design sorgte für einen temporeichen Einstieg. Nach Live Like Animals folgte mit Trip Switch bereits ein Highlight vom selbstbetitelten Debüt von Nothing But Thieves. 

Nothing But Thieves in voller Pracht.

Bei ihren diesjährigen Festivalauftritten am Southside und dem Gurten Festival konnten Nothing But Thieves nicht auf ganzer Linie überzeugen. Das lag zum einen an den etwas undankbaren Slots am Nachmittag und zum anderen an der Sound-Abmischung. Es fehlte einfach an der nötigen Energie und der erwarteten Live-Wucht. Ganz anders verhielt sich das im Dynamo. Von Beginn weg spürte man die Musik im Körper. Jeder Basslauf war zu hören, die Gitarren und das Schlagzeug drangen direkt in den Gehörgang und die Stimme von Conor Mason tanzte über alldem. 

Ausgestattet mit zwei fantastischen Alben konnte die Band zudem auf ein beachtliches Hit-Repertoire zurückgreifen, ohne dabei viele Songs vernachlässigen zu müssen. Von beiden Veröffentlichungen fanden je neun Tracks den Weg in das Set des Abends.

Songwriter und Gitarrist: Joe Langridge-Brown

Was viele aufgrund der stimmlichen Dominanz von Conor Mason vielleicht nicht wissen ist, dass der Songwriter der Band Gitarrist Joe Langridge-Brown ist. Er ist für alle Titel verantwortlich – so auch für Wake Up Call, Hostage oder Graveyard Whistling. Nach der anspruchsvollen Performance der  genannten und weiterer Tracks gönnte Mason seiner Stimme eine kurze Verschnaufpause. Währenddessen gab der Rest der Band ein eindrucksvolles Instrumental-Intermezzo zum Besten. Mit neu gewonnener Stärke kehrte der Sänger für If I Get High und Broken Machine, den Titeltrack des neuen Albums, zu seinen Bandkollegen zurück. Anschliessend wurden die Rollen getauscht und er blieb für eine Akustik-Session alleine auf der Bühne zurück.

Als Hommage an den kürzlich verstorbenen Tom Petty stimmte Mason dessen Hit Free Fallin‘ an. Nur mit Akustik-Gitarre und seiner Stimme verzauberte der erblondete Frontmann das Zürcher Publikum. Nach dem ebenfalls ruhigen Hell, Yeah stiessen die Bandmitglieder wieder dazu und das Tempo wurde mit Ban All The Music sofort wieder angezogen. Es bildeten sich Circle Pits in der Mitte des Raumes und die Stimmung wandelte sich schlagartig in ein ausgelassenes Fest.

Dom Craik scheint auf der Bühne immer gut gelaunt zu sein.

Den Abschluss im regulären Set machte die ruhige Single Sorry vom neuen Album. Der Titel mit Ohrwurm-Garantie liess noch einmal die Feuerzeuge in die Höhe schnellen. Für eine kurze Zeit verliess die Band die Bühne, um sich vom tosenden Applaus wieder zurückholen zu lassen. Der Zugaben-Block wurde ebenfalls mit einer ruhigen Nummer gestartet. Particles legte den sanften Teppich für einen ausgelassenen Schlusspunkt. Bei Amsterdam holten Nothing But Thieves noch einmal alles aus sich und dem Publikum. Ein letztes Mal wurde zusammen gesungen und getanzt, bis die Engländer endgültig von der Bühne verschwanden.

Das Fumoir bietet einen tollen Blick auf die Bühne, doch die Akustik dringt nicht richtig hinter die Glasscheiben

Fazit

Nothing But Thieves mussten erst vor Kurzem den ersten Rückschlag ihrer Karriere hinnehmen und sich gegenüber übeln Anschuldigungen rechtfertigen. Die Fans in Zürich schienen aber voll und ganz hinter der Band zu stehen. Die positive Energie war spürbar und sorgte dafür, dass es ein magischer Abend wurde. Die Engländer spielen mittlerweile in einer Liga mit den ganz Grossen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch bei uns die grösseren Hallen füllen. Sie haben es geschafft ihren Hype mit einem grossartigen zweiten Album zu bestätigen und sich den guten Ruf als Live-Band zu sichern. Bei den Festivals werden sie bestimmt bald bessere Slots erhalten und auch dort brillieren können.

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