Rezension:
Adam Angst – Neintology

In Album-Tipps by indiespect

  1. Der Beginn von etwas ganz Großem
  2. Punk
  3. Alexa
  4. Blase aus Beton
  5. Alle sprechen deutsch
  6. Damit ich schlafen kann
  7. Kriegsgebiet
  8. Immer noch
  9. Alphatier
  10. D.I.N.N.
  11. Physik

Künstler: Adam Angst

Album-Titel: Neintology

VÖ: 28.09.2018

9/10

Adam Angst ist keine Einzelperson, sondern eine komplette Band. Die Formation um Felix Schönfuss spielt deutschen Punk, aber nicht auf drei Akkorde und gleichbleibende Melodien beschränkt. Bereits auf dem selbstbetitelten Debüt bewiesen Adam Angst 2015, dass sie das Zeug zu komplexeren Kompositionen haben. Zusammen mit den facettenreichen und unvorhersehbaren Texten von Schönfuss heben sie sich von der Masse ab. Am 28. September erscheint das zweite Album mit dem Titel Neintology. Veröffentlicht wird die Platte auf dem von Thees Uhlmann (Tomte), Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff (beide Kettcar) gegründeten Indie-Label Grand Hotel van Cleef.

Track by Track

Das Instrumental-Intro Der Beginn von etwas ganz Großem kommt sakral-elektronisch daher. Nach etwas mehr als einer halben Minute steigert es sich von einem einfachen Ton zu einer spannungsgeladenen Instrumental-Hymne, welche ebenso abrupt endet.

Wer die Platte nur nebenbei hört, könnte meinen, Punk sei ein weiterer flacher Punkrock-Song von einer mittelmässig talentierten Truppe. Dabei ist es vielmehr eine ironische Auseinandersetzung mit ebendiesen Stücken und den Bands, die sich als Punk-Polizei aufspielen. Adam Angst verteidigen sich hier also ganz im Stil des Ärzte-Songs Bravopunks gegen die Szene-Vorwürfe.

Mit Alexa sucht sich der Punk den Weg in die Cloud. Die erste Vorab-Single des Albums ist unverschämt eingängig und setzt sich mit den Risiken der modernen Technologie auseinander. Bei diesem Song wird auch live kein Stein auf dem anderen bleiben, wenn die Fans den ausser Kontrolle geratenen Smart-Speaker um Verzeihung bitten.

Kreativ geht es auch bei Blase aus Beton weiter. Adam Angst schaffen es hier, die Scheuklappen des ignoranten Bürgers, vor dem inneren Auge wunderbar sichtbar zu machen. Pegida zieht durchs ganze Land, doch hier kommen irgendwie nur Katzen an, ist nur eine der vielen textlichen Bebilderungen der Blase aus Beton, welche diese Menschen umgibt.

Alle sprechen deutsch ist zumindest instrumental orientalisch angehaucht. Dabei geht es um den knausrigen deutschen Touristen, den es immer in die Türkei zieht, egal wie hoch die Zäune sind und welche Probleme das Land hat. Hauptsache die Preise sind niedrig und alle sprechen deutsch.

Immer wieder spürt man bei Adam Angst einen Hauch von Farin Urlaub. So auch bei Damit ich schlafen kann. Nebst sozialkritischen Themen geht es auch um die eigenen Schwächen. Ganz ähnlich wie in Urlaub’s Solo-Song Karten. Während Schönfuss bei seiner alten Band Frau Potz noch vorwiegend am schreien war, zeigt er hierbei seine stimmliche Vielfalt.

Kriegsgebiet bringt das Blut in Wallung. Hier kommt die Schreiwut des Sängers wieder zum Vorschein. Der Ton wird rauer und die Melodie rückt in den Hintergrund. Dieser Song wird definitiv keine Radio-Single. Hier drücken Adam Angst das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

Die grauen Männchen merken bei Immer Noch, dass die Menschen sich ganz gut selbst und ohne fremde Hilfe zerstören können. Hier wird die Flüchtlings-Thematik auf extraterrestrische Dimensionen aufgeblasen und im Kopf weitergesponnen.

Das Alphatier ist gefangen von den gesellschaftlichen Zwängen und Werten. Es versucht die Zwangsjacke der auferlegten Gesetze zu zerreissen. In den Text lassen sich viele gesellschaftliche Debatten interpretieren.

Auch wenn eine gewisse deutsche Partei nicht direkt genannt wird, ist es ganz klar um was und wen es bei D.I.N.N. geht. Und auch die vier Buchstaben des Songtitels sind nach wenigen Zeilen erklärt. Doch dieses kleine Geheimnis soll die Band auf dem Album selbst lüften.

Fremdenfeindlichkeit und Engstirnigkeit sind auch beim letzten Song von Neintology das Hauptthema. Die aktuelle politische Situation hat dieses Album definiert. Bei Physik wird es unappetitlich.

Fazit

Adam Angst haben eine klare Message. Sie schaffen es aber, diese in ganz viele Facetten und Klangfarben zu packen. Mal direkt, mal mit einer Metapher, aber immer mitreissend und auf den Punkt. Auch für Nicht-Punk-Fans ist Neintology empfehlenswert. Wie schon oben erwähnt, erinnern die Kompositionen immer wieder an Farin Urlaub, einen der kreativsten Songschreiber Deutschlands. Nur haben sie noch etwas mehr Ernsthaftigkeit, Biss und weniger Schabernack.

Adam Angst in der Schweiz

Adam Angst präsentieren ihr neues Album auch bei einem Termin in der Schweiz. Am Sonntag, 18. November treten sie im Werk 21 im Dynamo auf. Tickets gibt es hier.