Nada Surf im Dynamo Zürich:
Balsam für die Seele

In Reviews by indiespect

Wenige Tage vor ihrem Konzert im Dynamo wiesen Matthew Caws und seine Bandkollegen in einer Videobotschaft darauf hin, dass es noch Karten für das Konzert in Zürich gäbe und man sich doch noch eine besorgen soll. Dieses Video hatten sie während einer Live-Show auf der Bühne aufgezeichnet.

Entweder hatte dieser Aufruf tatsächlich Wirkung gezeigt oder es hätte ihn gar nicht gebraucht, denn das Dynamo war bis in die hintersten Ecken gefüllt. Die Vorband Farewell Dear Ghost bekamen wir leider gar nicht mehr zu Gesicht, da der Interview-Termin mit Matthew Caws kurzerhand in ein Abendessen umgewandelt wurde, weil Nada Surf länger beim Soundcheck gebraucht haben und der Sänger nach gar nichts im Magen hatte. Das Interview mit dem sympathischen Caws findet ihr hier.

Vor einem Monat ist das achte Studioalbum der New-Yorker Indie-Urgesteine mit dem Titel «You Know Who You Are» erschienen. Seit dem Debüt «High/Low» sind mittlerweile genau 20 Jahre vergangen. Bei den Aufnahmen zum ersten Album nach vier Jahren war das neuste Bandmitglied, Lead-Gitarrist Doug Gillard, zum ersten Mal als offizielles viertes Mitglied mit dabei. Bereits vorher war er als Tourmitglied mit auf den Bühnen der Welt mit Nada Surf unterwegs gewesen.

Für eine Formation die seit über 20 Jahren als Trio unterwegs gewesen ist, war es ein grosser Schritt, ein weiteres Mitglied in die eingeschworene Truppe aufzunehmen. Gillard hat sich aber bestens eingefügt, was sich beim Studioalbum sowie den Live-Shows deutlich zeigt. Die Harmonie des Quartetts ist spürbar.

Eröffnet wurde der Abend mit «Cold to See Clear», dem Opener der neusten Veröffentlichung. Die Stimme von Caws kommt live genau so klar und weich rüber, wie ab Platte. Mit Leichtigkeit vermochte er einen samtenen Klangteppich über das Publikum zu legen. Anders als bei manch anderem Konzert, wird bei einer Nada-Surf-Show nicht erwartet, dass das Publikum völlig ausrastet. Stattdessen breitet sich im Raum ein Glücksgefühl aus und die Verbundenheit zwischen Band und Zuschauern ist sofort da. Über die Jahre hat sich eine treue Fangemeinde angesammelt, die mit jedem Album stetig weiterwächst. Zwar revolutionieren Nada Surf mit einem neuen Album nicht die Musikindustrie, aber sie liefern immer Musik ab, die hängen bleibt und einem bei jedem Durchlauf mehr und mehr ans Herz wächst.

Musikalisch spielten sich Nada Surf an diesem Abend durch ihre ganze Karriere. Klassiker wie «Inside Of Love» oder «Always Love» fehlten genauso wenig wie die tollen Songs der neuen Platte. «New Bird» hat es mir persönlich besonders angetan, vor allem nachdem ich die Geschichte hinter dem Titel im Interview erfahren hatte. Der Song handelt von der Beziehung von Matthew Caws Vater zu seinen Eltern, welche Mitglied in einer englischen Sekte namens «The Plymouth Brethren» waren und irgendwann ihren eigenen Sohn nicht mehr sehen wollten, weil dieser dem Glauben abgeschworen hatte und für sie somit als gefallener Sohn galt.

Oh my family split in two
When my dad after the war
Said he didn’t worship with his parents anymore

He kept flying back from school
Still trying to be a decent son
But when he knocked on their front door, they wouldn’t comeNew Bird von Nada Surf

Aber auch die anderen Songs enthalten starke Texte mit tollen, einprägsamen Melodien, wie sie für Nada Surf so typisch sind.

Zwischen den Songs fragte sich Matthew Caws, ob wir überhaupt noch arbeiten gehen müssten, wenn es keine Kriminalität auf der Welt geben würde. Dann bräuchte es keine Polizei und kein Militär, wodurch schon eine Menge Geld eingespart werden könnte. Er forderte das Zürcher Publikum mit einem Augenzwinkern dazu auf, während des Konzertes kein Verbrechen zu begehen und nichts zu stehlen, ausser es sei das Herz von jemandem. Bei solchen kleinen Ausflügen in seine Gedankenwelt vergass der Frontmann von Nada Surf manchmal beinahe, dass er gerade ein Konzert spielte. Hier drückte der Einfluss von seinem Vater, seinerseits Philosophie-Professor, klar durch.

Nada Surf deckte in ihrem Set von wunderschönen Balladen wie «See These Bones» über schnellere Nummern wie «The Way You Wear Your Head» das gesamte Spektrum ab. Es konnte getanzt, gewippt, gesprungen oder das Feuerzeug erhoben werden.

Auch ihren ersten Hit «Popular» aus dem Jahre 1996 hatten Nada Surf wie immer mit im Gepäck. Der Song, der die Band damals auf einen Schlag berühmt gemacht hatte, erfreut sich beim Publikum immer noch hoher Beliebtheit. Auch die Band scheint immer noch Freude daran zu haben. Mit dem Partyhit «Blankest Year» beendeten die New Yorker ihr offizielles Set. Die Publikumsbeteiligung bei diesem Song ist besonders beim Refrain immer riesig. «Oh fuck it, I’m gonna have a party» lässt sich einfach auch super mitgrölen.

Abgerundet wurde der Konzertabend mit einer komplett akustischen Version von «Blizzard of ’77» von Nada Surfs Hit-Album «Let Go» aus dem Jahre 2002.

Hoffentlich lassen sich Matthew Caws und seine Jungs nicht wieder vier Jahre Zeit, um das neunte Album fertigzustellen. Und falls es doch so lange dauern sollte, dürften sie uns immerhin den einen oder anderen Besuch abstatten, um die Wartezeit zu versüssen.