Es sind so viele Überhits im Set vertreten, dass eine Aufzählung aller Titel zu weit führen würde. Rocket Man macht seinem Zusatz in der Klammer (I Think It's Going To Be A Long, Long Time) alle Ehre. Über knapp zehn Minuten entwickelt sich der Track immer weiter und scheint förmlich im Hallenstadion abzuheben. Die Lichtshow und die Visuals sind perfekt auf die Musik abgestimmt und Zeit und Raum lösen sich an diesem Sonntag auf. Nach solchen langen und intensiven Kompositionen stützt sich der Sänger demonstrativ auf dem Flügel ab und bläst erst einmal etwas Luft aus seinen Lungen. Das was dieser Mann hier leistet, ist ein musikalischer Marathon und alles andere als das Abspulen von HIts, deren er müde geworden ist.

Auffallend ist das sehr angenehme Publikum. Man spürt förmlich, wie unterschiedliche Kompositionen mit verschiedensten Biografien der Fans verbunden sind. Obwohl ausschliesslich Sitzplätze verkauft wurden, steht bereits vor Beginn des Konzerts auf dem Screen, dass Elton John die Besucher ermutigt, vor ihren Stühlen zu tanzen. Manchmal geschieht das automatisch im Kollektiv, manchmal stehen nur einzelne Personen auf, die vorher die ganze Zeit sitzend den Auftritt genossen haben. Die Leute scheinen sich füreinander zu freuen, dass sie diesen speziellen Moment geniessen können. So stört sich niemand daran, wenn auch einmal die Sicht verdeckt wird. Die unausgesprochene Toleranz trägt nebst der brillanten Performance zum unvergesslichen Konzerterlebnis bei.

Die ruhigen Kompositionen wie Candle in the Wind, Sad Songs (Say So Much) oder Sorry Seems to Be the Hardest Word werden eher von dezenten Visuals begleitet. Für Don't Let the Sun Go Down on Me und I'm Still Standing wird hollywoodreif inszeniert und tief in der Nostalgiekiste gegraben. Bei ersterem erscheint eine stilisierte Sonne in welcher immer wieder Ausschnitte aus dem Biopic Rocket Man (2019) mit Taron Egerton zu sehen sind. I'm Still Standing setzt auf historische Aufnahmen und spezielle Momente aus der Karriere. Dies sind Ausschnitte aus den Simpsons, South Park, dem Musikvideo zum Lion-King-Soundtrack oder die aberwitzigsten Kostüme, die Elton John je getragen hat. Es zeigt ihn aber auch mit seinen Wegbegleitern, auch den kontrastreichen wie Eminem. Über die Spanne des Songs wird einem eindrücklich vor Augen geführt, dass dieser Mann einfach alles gelebt hat, was es im Showbiz zu erleben gibt.

Nach Crocodile Rock und Saturday Night's Alright for Fighting, welches mit verschiedensten Szene aus Actionfilmen untermalt wird, verlässt der Entertainer nach mehr als zwei Stunden erstmals die Bühne. Bei seiner Rückkehr im luxuriösen Bademantel bedankt er sich mit einer herzlichen Ansprache bei den Fans. Er zählt auf wie oft er schon im Hallenstadion und überhaupt in der Schweiz aufgetreten ist. Man nimmt ihm ab, wenn er sagt, dass er den jahrelangen Support nicht für selbstverständlich nimmt und nur dank der Treue seiner Fans eine solche Karriere hinlegen konnte. Er werde die Schweiz nie vergessen, sie bleibe in seinem Kopf, seinem Herzen und seiner Seele. Selbst der gestandenste Musiker muss sich nach einer solchen Ansprache schlucken und eine Träne unterdrücken.

Die Zugaben eröffnet er mit Cold Heart, der zweiterfolgreichsten Single seiner Karriere, welche er 2021 mit Dua Lipa aufgenommen hatte. Sie ist ein Mash-Up aus vier älteren Hits. Elton John singt die Nummer sitzend am Piano, während Dua Lipa auf dem Screen erscheint. Es ist ein Stilbruch, der aufzeigt, wie sehr der Brite auch heute noch am Puls der Zeit ist und sich nicht vor neuen Trends und Generationen verschliesst. Den Abschluss machen aber klassische Kompositionen. Das ikonische Your Song lässt die Herzen schmelzen, bevor das emotionale Goodbye Yellow Brick Road das Ende einer musikalischen Epoche besiegelt. Im hinteren Teil der Bühne öffnet sich nach dem zweieinhalbstündigen Konzert eine Tür und Sir Elton John gleitet mit einem Lift sanft in den Bühnen-Himmel. Der Musiker ist sichtlich ergriffen, bevor er endgültig in der Dunkelheit verschwindet. So verabschiedet sich eine Legende.