Yann Tiersen im X-Tra Zürich: Der Komponist in seinem eigenen Ozean der Klänge

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Kerber Complete Tour: Solo Piano + Electronics – so nennt sich die aktuelle Konzertreise des Komponisten Yann Tiersen. Der Tourname ist so ziemlich das, was die Fans erwartet. Der Musiker reist alleine mit seinem Wohnmobil durch Europa und bespielt Konzertvenues in seinem eigenen Klanguniversum und ist dabei komplett unprätentiös.

Yann Tiersen: in einer welt der Musik zuhause

Tiersen möchte kein Rockstar sein. Zehn Minuten vor seiner eigentlichen Set-Zeit betritt er mit einer gelben Mütze die Bühne und spricht ein kurzes Hallo ins Mikrofon. Er müsse noch kurz einrichten, das könne nur noch etwa 30 Minuten dauern, meint er in Englisch, mit einem charmanten französischen Akzent. Dabei ziert ein verschmitztes Lächeln sein Gesicht. Die Einstimmung seines elektronischen Equipments dauert natürlich nur einen Bruchteil dessen und schon bald sitzt Tiersen am Konzertflügel. Der Komponist, der vor allem als Schöpfer des weltberühmten Soundtracks aus Die fabelhafte Welt der Amélie Bekanntheit erlangte, hüllt das X-Tra ab dem ersten Tastenanschlag in beruhigende Pianoklänge.

Yann Tiersen

Yann Tiersen: Unprätentiös am Flügel im Zürcher X-Tra

Die innere Rastlosigkeit bekämpfen

Es ist gar nicht so einfach, sich auf die ruhigen Klänge einzulassen und einfach zu geniessen. Die Hektik der Woche schwingt im Körper mit und jedes Räuspern und Husten wirkt im stillen X-Tra wie eine Ablenkung. Dazu kommt, dass der Abend anders als bei einem Klassik-Konzert nicht in einem gestuhlten Saal stattfindet. Diese schwer zu erlangende innere Ruhe scheint Yann Tiersen gefunden zu haben. Nur schon die Art des Reisens zeigt dies. Wer sich als Musiker nicht einem straffen Tourplan untwerwerfen muss, hat sich schon längst freigespielt.

Yann Tiersen

Vom Flügel zum Elektro-Koffer

Tiersen taucht ab in seine eigene Unterwasserwelt

Der Tourname verrät es bereits – es stehen nicht nur Solo-Pianoklänge auf dem Programm. Nach einer knappen Stunde wechselt der Franzose vom Flügel hinter sein Elektro-Equipment, das  aussieht, als wäre es gleichzeitig sein Reisekoffer. Die Klänge, die Tiersen seinem Koffer entlockt, erinnern an Walgesänge und an die Tiefen des Ozeans. Irgendwo weit entfernt von der Erdoberfläche taucht der Komponist immer tiefer in sein eigenes Universum.

Im Ankündigungsvideo zur Tour erklärt Yann Tiersen seine Pläne.

So klingt persönliche Freiheit

Diese Klänge des Ozeans kommen nicht von ungefähr. Tiersen wohnt auf der französischen Insel Ouessant, von der aus er zuletzt eine Tour mit dem Segelboot gestartet hatte. Er liess sich damals zu Auftritten einladen und spielte so in Pubs, Kirchen, Plattenläden und anderen aussergewöhnlichen Orten. So muss es sich anfühlen, wenn man seinen Traum leben kann. Musik schreiben, für Fans spielen und gleichzeitig in seinem eigenen Tempo die Welt entdecken und sich treiben lassen. Genauso klingen auch die Kompositionen von Tiersen. Sie sind die Vertonung verschiedenster Eindrücke, mal mit dem Klavier, mal mit elektronischen Klängen in einer Zeitkapsel festgehalten, als wären sie musikalische Fotografien seiner Reisen.